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Michael ("Bommi") Baumann - Gedenkseite: Unterschied zwischen den Versionen

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Es ist so erschreckend wie banal, dass zum Leben am Ende der Tod gehört, aber immer geht der Tod eines Menschen einem besonders nah, je mehr der eigene Blickwinkel mit dem Werdegang einer herausragenden Persönlichkeit verknüpft ist. Mit Michael („Bommi“) Baumann ist ein Veteran der antiautoritären Jugendrevolte gestorben, die einen konstituierenden Teil der späteren grün-linksliberalen Identität dieses Landes ausmacht. Bommi Baumann wurde oft schlicht als das proletarische Aushängeschild einer anfangs eher akademisch geprägten Jugendbewegung („Studentenrevolte“) bezeichnet.  
 
Es ist so erschreckend wie banal, dass zum Leben am Ende der Tod gehört, aber immer geht der Tod eines Menschen einem besonders nah, je mehr der eigene Blickwinkel mit dem Werdegang einer herausragenden Persönlichkeit verknüpft ist. Mit Michael („Bommi“) Baumann ist ein Veteran der antiautoritären Jugendrevolte gestorben, die einen konstituierenden Teil der späteren grün-linksliberalen Identität dieses Landes ausmacht. Bommi Baumann wurde oft schlicht als das proletarische Aushängeschild einer anfangs eher akademisch geprägten Jugendbewegung („Studentenrevolte“) bezeichnet.  
  
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Aber seine Fähigkeiten und Möglichkeiten gingen weit darüber hinaus: Denn er war viel mehr als nur proletarischer Protagonist der Westberliner antiautoritären Jugendbewegung und soziokulturelle Ergänzung zur studentisch-akademischen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Darüber hinaus wirkte er im Aufkommen des Neo-Anarchismus Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Aktivist und Mitbegründer des "Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen", der "Tupamaros Westberlin" und der "Bewegung 2. Juni". Letztere gilt als antiautoritäres Gegenkonzept zur selbst ernannten und hierarchisch strukturierten "Rote Armee Fraktion" (RAF): Möglichst ohne Hierarchien, überschaubare Gruppen, deren Mitglieder sich kennen, Verwurzelung in der eigenen Subkultur und Stadt, ohne „professionelles Spezialistentum“ – jeder sollte alles machen können - dass sollten die Merkmale einer selbstbestimmten Integration von Individuum und politischer Aktion sein. Orientiert an der anarchistisch inspirierten "Propaganda der Tat", in der durch beispielhafte Aktionen die Bevölkerung motiviert werden sollte, an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken.
 
Aber seine Fähigkeiten und Möglichkeiten gingen weit darüber hinaus: Denn er war viel mehr als nur proletarischer Protagonist der Westberliner antiautoritären Jugendbewegung und soziokulturelle Ergänzung zur studentisch-akademischen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Darüber hinaus wirkte er im Aufkommen des Neo-Anarchismus Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Aktivist und Mitbegründer des "Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen", der "Tupamaros Westberlin" und der "Bewegung 2. Juni". Letztere gilt als antiautoritäres Gegenkonzept zur selbst ernannten und hierarchisch strukturierten "Rote Armee Fraktion" (RAF): Möglichst ohne Hierarchien, überschaubare Gruppen, deren Mitglieder sich kennen, Verwurzelung in der eigenen Subkultur und Stadt, ohne „professionelles Spezialistentum“ – jeder sollte alles machen können - dass sollten die Merkmale einer selbstbestimmten Integration von Individuum und politischer Aktion sein. Orientiert an der anarchistisch inspirierten "Propaganda der Tat", in der durch beispielhafte Aktionen die Bevölkerung motiviert werden sollte, an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken.
  

Version vom 22. September 2016, 06:54 Uhr

Michael („Bommi“) Baumann (25.08.1947-19.07.2016)

Es ist so erschreckend wie banal, dass zum Leben am Ende der Tod gehört, aber immer geht der Tod eines Menschen einem besonders nah, je mehr der eigene Blickwinkel mit dem Werdegang einer herausragenden Persönlichkeit verknüpft ist. Mit Michael („Bommi“) Baumann ist ein Veteran der antiautoritären Jugendrevolte gestorben, die einen konstituierenden Teil der späteren grün-linksliberalen Identität dieses Landes ausmacht. Bommi Baumann wurde oft schlicht als das proletarische Aushängeschild einer anfangs eher akademisch geprägten Jugendbewegung („Studentenrevolte“) bezeichnet.

Bommi Baumann über die Haschrebellen. Lesung im Berliner Hanfmuseum aus seinem Buch "Rausch und Terror", Quelle: Tagesrausch 28.04.2010.

Aber seine Fähigkeiten und Möglichkeiten gingen weit darüber hinaus: Denn er war viel mehr als nur proletarischer Protagonist der Westberliner antiautoritären Jugendbewegung und soziokulturelle Ergänzung zur studentisch-akademischen Außerparlamentarischen Opposition (APO). Darüber hinaus wirkte er im Aufkommen des Neo-Anarchismus Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre als Aktivist und Mitbegründer des "Zentralrats der umherschweifenden Haschrebellen", der "Tupamaros Westberlin" und der "Bewegung 2. Juni". Letztere gilt als antiautoritäres Gegenkonzept zur selbst ernannten und hierarchisch strukturierten "Rote Armee Fraktion" (RAF): Möglichst ohne Hierarchien, überschaubare Gruppen, deren Mitglieder sich kennen, Verwurzelung in der eigenen Subkultur und Stadt, ohne „professionelles Spezialistentum“ – jeder sollte alles machen können - dass sollten die Merkmale einer selbstbestimmten Integration von Individuum und politischer Aktion sein. Orientiert an der anarchistisch inspirierten "Propaganda der Tat", in der durch beispielhafte Aktionen die Bevölkerung motiviert werden sollte, an gesellschaftlichen Veränderungen mitzuwirken.

Es versteht sich von selbst, dass sich so eine schillernde Persönlichkeit auch als ein Fokus mannigfacher Widersprüche darstellte, die, bei Bedarf isoliert herausgegriffen, auch gegen ihn verwendet werden konnten. Bekanntestes Beispiel ist eine Veröffentlichung des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ im Januar 1998 aus Akten des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit. Darin ging es um einen umfangreichen Bericht Bommis aus dem Jahr 1973, den er über insgesamt 94 Personen des bewaffneten Kampfs in der BRD abgeliefert hatte. Hintergrund war, dass Baumann auf der Transitstrecke durch die DDR nach Westberlin verhaftet wurde. Er rechtfertigte seine Mitarbeit mit der Furcht vor der Abschiebung in den Westen.

Was wäre ihm auch anderes Übrig geblieben? Die „Informationen“, die er lieferte, gestaltete er wahrscheinlich so unverfänglich wie möglich. Viele ehemalige Mitstreiter des "2. Juni" wandten sich darauf hin von ihm ab. Andere alte Freunde von den "Haschrebellen" hielten weiterhin zu ihm, bis hin zu seiner Beerdigung in Berlin-Friedrichshain am 19. August 2016.

Rolf Raasch