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Vrbenský, Bohuslav: Unterschied zwischen den Versionen

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V. studierte Medizin in Prag und wurde am 13. Dezember 1909 Doktor der Allgemeinmedizin. Als Student war er in der studentischen „Fortschrittsbewegung“ aktiv. In den Jahren 1904 bis 1906 war er Vorsitzender des Verbandes der tschechischen Studentenschaft in Prag. Seine Beteiligung an der antiklerikalen Bewegung und sein aktiver Antimilitarismus führten ihn zum Anarchismus. 1907 arbeitete er bereits in der anarchistischen Agitationskommission, die gegen die Illusion eines allgemeinen Stimmrechtes gerichtete Anti-Wahl-Agitation organisierte. Er arbeitete mit den Redaktionen der anarchistischen Zeitschriften Komuna (Kommune, 1907), Přímá akce (Die direkte Aktion, 1907), Zádruha (Die Gemeinschaft, 1909–1914) zusammen. 1909 stand er an der Spitze der Föderativen Kommission, dem leitendes und koordinierendes Organ der anarchistischen Gruppierung. In dem Bemühen, die anarchistische Bewegung zu einer ausgeprägte politische Kraft umzuformen, konzipierte er ein Programm „eigenartiger Partei“ der Anarchisten-Kommunisten (1913). Vorschlag von Vrbensky begegnete einer entscheidender Kritik von Michael Kácha als etwas dem Anarchismus selbst widersprechendes und dem Bewegung gefährliches (als Meinung des anderen Teil der Anarchisten) Der Vorschlag von V. und die Kritik von Kácha wurden dann einer umfassender Diskussion in der Bewegung unterzieht. Auf dem anarchistischen Kongreß (1914) wurde dann Vorschlag von Vrbensky verabschiedet. Bald danach brach der Krieg aus, die politischen Aktivitäten wurden verboten. Von September 1914 bis zu seiner Amnestie 1917 war V. wie andere bekannte Anarchisten und viele oppositionelle Politiker interniert. Während der Internierung haben die Anarchisten gewisses politisches Verständnis für die radikal-sozialistische Ansichten der Sozialisten der ehemaligen Partei geäussert.  Ab Januar 1918 beteiligte sich V. aktiv in Mitarbeit der Föderation tschechischer Anarchisten-Kommunisten mit der national-sozialen Partei nun organisiert in der Tschechoslowa-kischen sozialistischen Partei, die den Anarchisten damals als einzige gleichwertige revolutionäre Kraft erschien. Die Anarchisten bildeten einen relativ selbstständigen linken Flügel in der Partei und wollten hier ihre Prinzipien durchsetzen, sogar entwickeln. In den Jahren 1918 (wenn sich erst die neue Tschechoslowakische Republik formte) bis 1920 hat sich die Situation und gewisse Ansichten geändert. Die anarchistischen Anschauungen wurden korrigiert. V. ist sogar Mitglied der Revolutionären Nationalversammlung geworden, ab 1920 Mitglied der Nationalversammlung. In den ersten Regierungen der ČSR war er sogar dreimal Minister (1918–1919). Bis zum Jahre 1923 stand er (mit anderen von Sozialisten) an der Spitze der Sozialistischen Partei, in der sich die Anarchisten konzentrierten mit der Illusion sie werden die anarchistische Prinzipien auf dem Boden der Partei weiter durchsetzen und verbreiten. Während der Zeit hat die Sozialistische Partei ihre ehemalige Radikalität Schritt für Schritt verloren und die Anarchisten sind hier zum Hindernis geworden. V. wurde dann aus der Partei ausgeschlossen und mit weiterer Illusion gründete er die neue Unabhängige sozialistische Partei (UsP), die auf die Unterstützung der Anarchisten baute. Ab 1. 5. 1923 gab er das Blatt Socialista (Der Sozialist) heraus. An der Spitze der UsP näherte er sich nach und nach, sowohl theoretisch als auch in praktisch-politischer Hinsicht den Kommunisten. Mit anderen Illusionen schloß sich V. 1925 zusammen mit der UsP der Kommunistischen Partei an. Als Mitglied der Kommunistischen Partei setzte er sich dann später für eine Zusammenarbeit mit der UdSSR ein (ab 1934 war er Vorsitzender des Verbandes der Freunde der UdSSR). 1939 ging er in die Emigration nach Moskau und beteiligte sich aktiv während des zweiten Weltkrieges am Widerstand im Ausland. 1941 wurde er von Präsident Eduard Beneš im Exil zum Mitglied des Tschechoslowakischen Staatsrates in London ernannt. 1943 war er Mitbegründer der Zeitschrift Československé listy (Tschechoslowakische Blätter) in Moskau, welche er auch redigierte.
 
V. studierte Medizin in Prag und wurde am 13. Dezember 1909 Doktor der Allgemeinmedizin. Als Student war er in der studentischen „Fortschrittsbewegung“ aktiv. In den Jahren 1904 bis 1906 war er Vorsitzender des Verbandes der tschechischen Studentenschaft in Prag. Seine Beteiligung an der antiklerikalen Bewegung und sein aktiver Antimilitarismus führten ihn zum Anarchismus. 1907 arbeitete er bereits in der anarchistischen Agitationskommission, die gegen die Illusion eines allgemeinen Stimmrechtes gerichtete Anti-Wahl-Agitation organisierte. Er arbeitete mit den Redaktionen der anarchistischen Zeitschriften Komuna (Kommune, 1907), Přímá akce (Die direkte Aktion, 1907), Zádruha (Die Gemeinschaft, 1909–1914) zusammen. 1909 stand er an der Spitze der Föderativen Kommission, dem leitendes und koordinierendes Organ der anarchistischen Gruppierung. In dem Bemühen, die anarchistische Bewegung zu einer ausgeprägte politische Kraft umzuformen, konzipierte er ein Programm „eigenartiger Partei“ der Anarchisten-Kommunisten (1913). Vorschlag von Vrbensky begegnete einer entscheidender Kritik von Michael Kácha als etwas dem Anarchismus selbst widersprechendes und dem Bewegung gefährliches (als Meinung des anderen Teil der Anarchisten) Der Vorschlag von V. und die Kritik von Kácha wurden dann einer umfassender Diskussion in der Bewegung unterzieht. Auf dem anarchistischen Kongreß (1914) wurde dann Vorschlag von Vrbensky verabschiedet. Bald danach brach der Krieg aus, die politischen Aktivitäten wurden verboten. Von September 1914 bis zu seiner Amnestie 1917 war V. wie andere bekannte Anarchisten und viele oppositionelle Politiker interniert. Während der Internierung haben die Anarchisten gewisses politisches Verständnis für die radikal-sozialistische Ansichten der Sozialisten der ehemaligen Partei geäussert.  Ab Januar 1918 beteiligte sich V. aktiv in Mitarbeit der Föderation tschechischer Anarchisten-Kommunisten mit der national-sozialen Partei nun organisiert in der Tschechoslowa-kischen sozialistischen Partei, die den Anarchisten damals als einzige gleichwertige revolutionäre Kraft erschien. Die Anarchisten bildeten einen relativ selbstständigen linken Flügel in der Partei und wollten hier ihre Prinzipien durchsetzen, sogar entwickeln. In den Jahren 1918 (wenn sich erst die neue Tschechoslowakische Republik formte) bis 1920 hat sich die Situation und gewisse Ansichten geändert. Die anarchistischen Anschauungen wurden korrigiert. V. ist sogar Mitglied der Revolutionären Nationalversammlung geworden, ab 1920 Mitglied der Nationalversammlung. In den ersten Regierungen der ČSR war er sogar dreimal Minister (1918–1919). Bis zum Jahre 1923 stand er (mit anderen von Sozialisten) an der Spitze der Sozialistischen Partei, in der sich die Anarchisten konzentrierten mit der Illusion sie werden die anarchistische Prinzipien auf dem Boden der Partei weiter durchsetzen und verbreiten. Während der Zeit hat die Sozialistische Partei ihre ehemalige Radikalität Schritt für Schritt verloren und die Anarchisten sind hier zum Hindernis geworden. V. wurde dann aus der Partei ausgeschlossen und mit weiterer Illusion gründete er die neue Unabhängige sozialistische Partei (UsP), die auf die Unterstützung der Anarchisten baute. Ab 1. 5. 1923 gab er das Blatt Socialista (Der Sozialist) heraus. An der Spitze der UsP näherte er sich nach und nach, sowohl theoretisch als auch in praktisch-politischer Hinsicht den Kommunisten. Mit anderen Illusionen schloß sich V. 1925 zusammen mit der UsP der Kommunistischen Partei an. Als Mitglied der Kommunistischen Partei setzte er sich dann später für eine Zusammenarbeit mit der UdSSR ein (ab 1934 war er Vorsitzender des Verbandes der Freunde der UdSSR). 1939 ging er in die Emigration nach Moskau und beteiligte sich aktiv während des zweiten Weltkrieges am Widerstand im Ausland. 1941 wurde er von Präsident Eduard Beneš im Exil zum Mitglied des Tschechoslowakischen Staatsrates in London ernannt. 1943 war er Mitbegründer der Zeitschrift Československé listy (Tschechoslowakische Blätter) in Moskau, welche er auch redigierte.
Die gedankliche Basis des Anarcho-kommunismus stellte für V. den Boden zur Durchsetzung radikaler Ideen der gesellschaft-lichen Emanzipation dar. Er ging den bisherigen Individualismus der anarchistischen Bewegung und ihre zersplitterten Gruppierungen mit der Betonung eines notwendigen politischen Akzentes an, gegen die Konzeption der Bewegung als eines „breiten gefühlsmäßig-gedanklichen Stromes“, als „moralisches Bündnis“ (Kácha), setzte er die Alternative einer vereinenden praktisch-politischen Ausrichtung in Form einer „eigenwilligen politischen Partei“, schrieb er in seinem Vorschlag: „Wir sind nicht irgendeine theoretisch-moralische Bewegung, sondern eine bestimmte politische Partei mit bestimmten Zielen und taktischen Mitteln“ (1913). Er stützte sich auf zeitgenössische anarchistische Persönlichkeiten wie Peter Kropotkin, Errico Malatesta, Jean Grave und formulierte als Ziel „einen anarchistischen Kommunismus, das heißt eine Gesellschaftsordnung ohne Staatsformation, deren wirtschaftliche Grundlage ländliche landwirtschaftliche Kommunen und organisierte Körperschaften der übrigen Bereiche nützlicher menschlicher Arbeit, und deren politische Grundlagen Verträge zwischen den verschiedensten Gewerkschaften, Organisationen des Volkes im anarchistisch-kommunistischen Prinzip sind. Die Partei erstrebt ihr Ziel mit revolutionären Mitteln, d. h. durch gedankliche Umwälzungen, durch die Gewinnung von Menschen für den Gedanken eines wirtschaftlichen Generalstreiks und für den Gedanken eines konsequenten Antimilitarismus. „Die Evolution muß notwen-digerweise in eine Revolution übergehen“ (1913). Die tschechi-sche nationale Frage faßte er im Kontext des anarchistischen Ziels, so auf: „Das nationale Programm deckt sich vollkommen mit unserem anarchistischen wirtschaftlich-politischen Ziel, wir wollen die Organisation unseres Volkes im Geiste des anarchistischen Kommunismus vorbereiten“. V. stellte sich, „gegen das historische böhmische Recht“, hinter die kulturell-nationale Autonomie der zukünftigen Emanzipation der Völker in Österreich. V.s Versuch, durch Verbindung von anarchistischen „Grundsätzen“ und „praktischen Gründen“ einen Ausgangspunkt für den Anarchismus als wirksamer politischer Kraft zu suchen, wurde nach und nach zu einem Widerspruch zwischen Anarchismus und dessen Verleugnung. Die Diskussion in der anarchistischen Bewegung unterstützte dann V.s Konzeption, die sich vor dem Krieg nicht mehr realisieren ließ. Die Nachkriegserfahrung des Anarchismus war mehr praktisch orientiert und führte nicht nur V. zu einer vollständigen Revision seiner anarchistischen Grundsätze. Nur der Atheismus und der Antiklerikalismus behielten in seinen Ansichten ihre Kontinuität, während die übrigen gerade aus der Verleugnung früherer Ansichten hervorgingen. Von der Zusammenarbeit der sozialistischen Parteien „von weit rechts bis weit links . . . auf dem Wege des Gesetzes eine allmähliche Veränderung der Gesellschaftsordnung zu bewirken“ (České slovo, 25. 12. 1920) ging V.
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Die gedankliche Basis des Anarcho-kommunismus stellte für V. den Boden zur Durchsetzung radikaler Ideen der gesellschaft-lichen Emanzipation dar. Er ging den bisherigen Individualismus der anarchistischen Bewegung und ihre zersplitterten Gruppierungen mit der Betonung eines notwendigen politischen Akzentes an, gegen die Konzeption der Bewegung als eines „breiten gefühlsmäßig-gedanklichen Stromes“, als „moralisches Bündnis“ (Kácha), setzte er die Alternative einer vereinenden praktisch-politischen Ausrichtung in Form einer „eigenwilligen politischen Partei“, schrieb er in seinem Vorschlag: „Wir sind nicht irgendeine theoretisch-moralische Bewegung, sondern eine bestimmte politische Partei mit bestimmten Zielen und taktischen Mitteln“ (1913). Er stützte sich auf zeitgenössische anarchistische Persönlichkeiten wie [[Peter Kropotkin]], [[Malatesta, Errico|Errico Malatesta]], [[Jean Grave]] und formulierte als Ziel „einen [[anarchistischen Kommunismus]], das heißt eine Gesellschaftsordnung ohne Staatsformation, deren wirtschaftliche Grundlage ländliche landwirtschaftliche Kommunen und organisierte Körperschaften der übrigen Bereiche nützlicher menschlicher Arbeit, und deren politische Grundlagen Verträge zwischen den verschiedensten Gewerkschaften, Organisationen des Volkes im anarchistisch-kommunistischen Prinzip sind. Die Partei erstrebt ihr Ziel mit revolutionären Mitteln, d. h. durch gedankliche Umwälzungen, durch die Gewinnung von Menschen für den Gedanken eines wirtschaftlichen Generalstreiks und für den Gedanken eines konsequenten Antimilitarismus. „Die Evolution muß notwendigerweise in eine Revolution übergehen“ (1913). Die tschechi-sche nationale Frage faßte er im Kontext des anarchistischen Ziels, so auf: „Das nationale Programm deckt sich vollkommen mit unserem anarchistischen wirtschaftlich-politischen Ziel, wir wollen die Organisation unseres Volkes im Geiste des anarchistischen Kommunismus vorbereiten“. V. stellte sich, „gegen das historische böhmische Recht“, hinter die kulturell-nationale Autonomie der zukünftigen Emanzipation der Völker in Österreich. V.s Versuch, durch Verbindung von anarchistischen „Grundsätzen“ und „praktischen Gründen“ einen Ausgangspunkt für den Anarchismus als wirksamer politischer Kraft zu suchen, wurde nach und nach zu einem Widerspruch zwischen Anarchismus und dessen Verleugnung. Die Diskussion in der anarchistischen Bewegung unterstützte dann V.s Konzeption, die sich vor dem Krieg nicht mehr realisieren ließ. Die Nachkriegserfahrung des Anarchismus war mehr praktisch orientiert und führte nicht nur V. zu einer vollständigen Revision seiner anarchistischen Grundsätze. Nur der Atheismus und der Antiklerikalismus behielten in seinen Ansichten ihre Kontinuität, während die übrigen gerade aus der Verleugnung früherer Ansichten hervorgingen. Von der Zusammenarbeit der sozialistischen Parteien „von weit rechts bis weit links . . . auf dem Wege des Gesetzes eine allmähliche Veränderung der Gesellschaftsordnung zu bewirken“ (České slovo, 25. 12. 1920) ging V.
 
über bis zur Orientierung auf eine „sozialistische Gesellschaft“ (Socialista, 5.7.1924), zu einer Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei und zur Annahme der, den Anarchismus gänzlich ablehnende, leninistische Ideologie (1925).
 
über bis zur Orientierung auf eine „sozialistische Gesellschaft“ (Socialista, 5.7.1924), zu einer Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei und zur Annahme der, den Anarchismus gänzlich ablehnende, leninistische Ideologie (1925).
  

Version vom 21. Juli 2020, 10:30 Uhr

Lexikon der Anarchie: Personen


Bohuslav Vrbenský (V.), geb. am 30. März 1882 in Opočnice bei Poděbrady; gest. am 25. November 1944 in Moskau.

Biographie und politischer Werdegang:

In der Geschichte des Tschechischen Anarchismus der Jahrhundertwende repräsentierte V. nicht nur die jüngere Generation dieser Bewegung, sondern auch ihren gedanklichen und politisch-praktischen Zugang. Der größte Teil seines denkerischen und politischen Wirkens war mit der tschechischen anarchistischen Bewegung verbunden.

V. studierte Medizin in Prag und wurde am 13. Dezember 1909 Doktor der Allgemeinmedizin. Als Student war er in der studentischen „Fortschrittsbewegung“ aktiv. In den Jahren 1904 bis 1906 war er Vorsitzender des Verbandes der tschechischen Studentenschaft in Prag. Seine Beteiligung an der antiklerikalen Bewegung und sein aktiver Antimilitarismus führten ihn zum Anarchismus. 1907 arbeitete er bereits in der anarchistischen Agitationskommission, die gegen die Illusion eines allgemeinen Stimmrechtes gerichtete Anti-Wahl-Agitation organisierte. Er arbeitete mit den Redaktionen der anarchistischen Zeitschriften Komuna (Kommune, 1907), Přímá akce (Die direkte Aktion, 1907), Zádruha (Die Gemeinschaft, 1909–1914) zusammen. 1909 stand er an der Spitze der Föderativen Kommission, dem leitendes und koordinierendes Organ der anarchistischen Gruppierung. In dem Bemühen, die anarchistische Bewegung zu einer ausgeprägte politische Kraft umzuformen, konzipierte er ein Programm „eigenartiger Partei“ der Anarchisten-Kommunisten (1913). Vorschlag von Vrbensky begegnete einer entscheidender Kritik von Michael Kácha als etwas dem Anarchismus selbst widersprechendes und dem Bewegung gefährliches (als Meinung des anderen Teil der Anarchisten) Der Vorschlag von V. und die Kritik von Kácha wurden dann einer umfassender Diskussion in der Bewegung unterzieht. Auf dem anarchistischen Kongreß (1914) wurde dann Vorschlag von Vrbensky verabschiedet. Bald danach brach der Krieg aus, die politischen Aktivitäten wurden verboten. Von September 1914 bis zu seiner Amnestie 1917 war V. wie andere bekannte Anarchisten und viele oppositionelle Politiker interniert. Während der Internierung haben die Anarchisten gewisses politisches Verständnis für die radikal-sozialistische Ansichten der Sozialisten der ehemaligen Partei geäussert. Ab Januar 1918 beteiligte sich V. aktiv in Mitarbeit der Föderation tschechischer Anarchisten-Kommunisten mit der national-sozialen Partei nun organisiert in der Tschechoslowa-kischen sozialistischen Partei, die den Anarchisten damals als einzige gleichwertige revolutionäre Kraft erschien. Die Anarchisten bildeten einen relativ selbstständigen linken Flügel in der Partei und wollten hier ihre Prinzipien durchsetzen, sogar entwickeln. In den Jahren 1918 (wenn sich erst die neue Tschechoslowakische Republik formte) bis 1920 hat sich die Situation und gewisse Ansichten geändert. Die anarchistischen Anschauungen wurden korrigiert. V. ist sogar Mitglied der Revolutionären Nationalversammlung geworden, ab 1920 Mitglied der Nationalversammlung. In den ersten Regierungen der ČSR war er sogar dreimal Minister (1918–1919). Bis zum Jahre 1923 stand er (mit anderen von Sozialisten) an der Spitze der Sozialistischen Partei, in der sich die Anarchisten konzentrierten mit der Illusion sie werden die anarchistische Prinzipien auf dem Boden der Partei weiter durchsetzen und verbreiten. Während der Zeit hat die Sozialistische Partei ihre ehemalige Radikalität Schritt für Schritt verloren und die Anarchisten sind hier zum Hindernis geworden. V. wurde dann aus der Partei ausgeschlossen und mit weiterer Illusion gründete er die neue Unabhängige sozialistische Partei (UsP), die auf die Unterstützung der Anarchisten baute. Ab 1. 5. 1923 gab er das Blatt Socialista (Der Sozialist) heraus. An der Spitze der UsP näherte er sich nach und nach, sowohl theoretisch als auch in praktisch-politischer Hinsicht den Kommunisten. Mit anderen Illusionen schloß sich V. 1925 zusammen mit der UsP der Kommunistischen Partei an. Als Mitglied der Kommunistischen Partei setzte er sich dann später für eine Zusammenarbeit mit der UdSSR ein (ab 1934 war er Vorsitzender des Verbandes der Freunde der UdSSR). 1939 ging er in die Emigration nach Moskau und beteiligte sich aktiv während des zweiten Weltkrieges am Widerstand im Ausland. 1941 wurde er von Präsident Eduard Beneš im Exil zum Mitglied des Tschechoslowakischen Staatsrates in London ernannt. 1943 war er Mitbegründer der Zeitschrift Československé listy (Tschechoslowakische Blätter) in Moskau, welche er auch redigierte. Die gedankliche Basis des Anarcho-kommunismus stellte für V. den Boden zur Durchsetzung radikaler Ideen der gesellschaft-lichen Emanzipation dar. Er ging den bisherigen Individualismus der anarchistischen Bewegung und ihre zersplitterten Gruppierungen mit der Betonung eines notwendigen politischen Akzentes an, gegen die Konzeption der Bewegung als eines „breiten gefühlsmäßig-gedanklichen Stromes“, als „moralisches Bündnis“ (Kácha), setzte er die Alternative einer vereinenden praktisch-politischen Ausrichtung in Form einer „eigenwilligen politischen Partei“, schrieb er in seinem Vorschlag: „Wir sind nicht irgendeine theoretisch-moralische Bewegung, sondern eine bestimmte politische Partei mit bestimmten Zielen und taktischen Mitteln“ (1913). Er stützte sich auf zeitgenössische anarchistische Persönlichkeiten wie Peter Kropotkin, Errico Malatesta, Jean Grave und formulierte als Ziel „einen anarchistischen Kommunismus, das heißt eine Gesellschaftsordnung ohne Staatsformation, deren wirtschaftliche Grundlage ländliche landwirtschaftliche Kommunen und organisierte Körperschaften der übrigen Bereiche nützlicher menschlicher Arbeit, und deren politische Grundlagen Verträge zwischen den verschiedensten Gewerkschaften, Organisationen des Volkes im anarchistisch-kommunistischen Prinzip sind. Die Partei erstrebt ihr Ziel mit revolutionären Mitteln, d. h. durch gedankliche Umwälzungen, durch die Gewinnung von Menschen für den Gedanken eines wirtschaftlichen Generalstreiks und für den Gedanken eines konsequenten Antimilitarismus. „Die Evolution muß notwendigerweise in eine Revolution übergehen“ (1913). Die tschechi-sche nationale Frage faßte er im Kontext des anarchistischen Ziels, so auf: „Das nationale Programm deckt sich vollkommen mit unserem anarchistischen wirtschaftlich-politischen Ziel, wir wollen die Organisation unseres Volkes im Geiste des anarchistischen Kommunismus vorbereiten“. V. stellte sich, „gegen das historische böhmische Recht“, hinter die kulturell-nationale Autonomie der zukünftigen Emanzipation der Völker in Österreich. V.s Versuch, durch Verbindung von anarchistischen „Grundsätzen“ und „praktischen Gründen“ einen Ausgangspunkt für den Anarchismus als wirksamer politischer Kraft zu suchen, wurde nach und nach zu einem Widerspruch zwischen Anarchismus und dessen Verleugnung. Die Diskussion in der anarchistischen Bewegung unterstützte dann V.s Konzeption, die sich vor dem Krieg nicht mehr realisieren ließ. Die Nachkriegserfahrung des Anarchismus war mehr praktisch orientiert und führte nicht nur V. zu einer vollständigen Revision seiner anarchistischen Grundsätze. Nur der Atheismus und der Antiklerikalismus behielten in seinen Ansichten ihre Kontinuität, während die übrigen gerade aus der Verleugnung früherer Ansichten hervorgingen. Von der Zusammenarbeit der sozialistischen Parteien „von weit rechts bis weit links . . . auf dem Wege des Gesetzes eine allmähliche Veränderung der Gesellschaftsordnung zu bewirken“ (České slovo, 25. 12. 1920) ging V. über bis zur Orientierung auf eine „sozialistische Gesellschaft“ (Socialista, 5.7.1924), zu einer Zusammenarbeit mit der Kommunistischen Partei und zur Annahme der, den Anarchismus gänzlich ablehnende, leninistische Ideologie (1925).

Der gedankliche Beitrag und die Bedeutung V.s kulminierten in seinem Versuch, den Anarcho-Kommunismus als reale politische Kraft in den böhmischen Ländern zu konzipieren und durchzusetzen, als seine Prinzipien Gegenstand einer breiten Diskussion und Selbstreflexion der Bewegung waren.

Quellen und Literatur:

Werke:

B. Vrbenský: Borkova puma a prvé dny v kriminále (Die Borks-Bombe und die ersten Tage im Gefängnis), in: 25 let práce Čs. strany sacialistické (25 Jahre Arbeit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Partei), I. Teil, Prag 1922 ; B. Vrbenský: Vývoj otázky znárodnění a socializace dolů (Die Entwicklung der Frage der Verstaatlichung und Sozialisierung des Bergbaus), Prag 1922.


Literatur:

Zádruha (Die Gemeinschaft, 1909–1914), České slovo (Das Tschechische Wort, 1920); Československý socialista (Der Tschechoslowakische Sozialist, 1923) Socialista (Der Sozialist, 1923–1925). V. Hudečková: Bohuslav Vrbenský 1882–1944, Ateizmus (Atheismus), 1982, Nr. 3; J. Tůma: Na cestě ke komunistické straně (Auf dem Weg zur kommunistischen Partei), Liberec 1975; R. Wohlgemuthová: Příspěvek k dějinám českého anarchistického hnutí v letech 1900–1914 (Beitrag zur Geschichte der tsche-chischen anarchistischen Bewegung in den Jahren 1900–1914), Prag 197l. Václav Tomek, Český anarchismus 1890–1925 (Tschechischer Anarchismus 1890–1925), Prag 1996; Václav Tomek, Ve jménu svobody. Ideje a proměny českého anarchismu na přelomu 19. a 20. století (Im Namen der Freiheit. Ideen und Transformationen in der Tschechischen Anarchismus an der Wende des 19. und 20. Jahrhundert), Prag 1999; Václav Tomek, Svoboda nebo autorita. Ideje a proměny českého anarchismu na přelomu 19. a 20. století (Freiheit oder Autorität. Ideen und Transformationen in der Tschechischen Anarchismus an der Wende des 19. und 20. Jahrhundert), Prag 1999; Václav Tomek, Český anarchismus a jeho publicistika 1880–1925 (Tschechischer Anarchismus und seiner Publizistik 1880–1925), Prag 2002; Václav Tomek u. Ondřej Slačálek, Anarchismus. Svoboda proti moci (Anarchismus. Freiheit gegen Macht), Prag 2006.

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Autor: Vaclav Tomek


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