Weil, Simone: Unterschied zwischen den Versionen
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Simon Weil hatte elsässische, französische und österreich-ungarische jüdische Vorfahren. Bis 1914 wuchs sie bei ihren Eltern in Paris auf. Dann in den Vogesen. Ab 1919 lebte sie wieder in Paris und besuchte dort erstmals eine Schule, da sie bis dahin Privatunterricht erhielt. 1915 erste Schreib versuche. 1921 erkrankte sie an Migräne oder Neuralgien, unter denen sie ihr Leben lang litt. 1924/25 bestand sie die Reifeprüfung in Latein, Griechisch und Philosophie und wurde Schülerin des in den 20er und 30er Jahren berühmten Lehrer-Philosophen Alain (Pseudonym für Emile Auguste Chartier), der für Simone Weils intellektuelle Entwicklung entscheidende Impulse gab. 1928 Aufnahme in die École Normale Supérieure und erste Veröffentlichungen in Alains Zeitschrift „Libres Propos“. 1931 Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Promotion und Anstellung als Philosophielehrerin an einem Mädchengymnasium. Im gleichen Jahr Kurse in der „Arbeiterstudiengemeinschaft“ in Saint-Étienne und Teilnahme an Demonstrationen von Arbeitern und Arbeitslosen dortselbst. Sie bekommt den Namen „rote Jungfrau“. Ebenfalls 1931 unterschrieb sie neben Jean-Paul Sartre, Romain Rolland u.a. eine Protestnote gegen die obligatorische Offizierslaufbahn der „Normaliens“. 1932 nahm Simone Weil an verschiedenen Arbeiterdemonstrationen teil. Sie wurde von der Schulbehörde strafversetzt nach Auxerre. 1933 nahm sie an Kongressen der Gewerkschaften CGT und CGTU teil und kritisierte dort die Deutschlandpolitik der Kommunistischen Internationale. Erneute Strafversetzung, diesmal nach Roanne/Loire. Im Herbst und Winter nahm Simone Weil an mehreren Bergarbeiterdemonstrationen teil. Ende 1933 Begegnung mit Leo Trotzki. 1934 auf Initiative von Simone Weil Hilfsstellungen für deutsche Emigranten und als Hilfsarbeiterin in einem Elektrobetrieb. 1935 arbeitete sie als Fräserin bei Renault, gegen Ende des Jahres war sie aber wieder Lehrerin am Lycee in Bourges; dort häufiger Besuch der katholischen Frühmesse. 1936 wurde Simone Weil Mitarbeiterin der stark syndikalistisch geprägten Zeitung „La Révolution Prolétarienne“ und trat dort für den [[Generalstreik]] ein. Anfang August 1936 fuhr Simone Weil nach Barcelona um sich dort im [[Spanischen Bürgerkrieg]] trotz ihrer entschieden pazifistischen Einstellung - den Milizen der anarcho-syndikalistischen [[CNT]] anzuschließen. Ende August wurde sie durch siedendes Öl verletzt und kehrte nach Frankreich zurück. 1937 Vorträge vor Arbeitern und weitere Annäherungen an das Christentum. Deutschlands Eimnarsch in das Sudetenland (1938) veranlasste Simon Weil, ihren [[Pazifismus]] zu relativieren und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Rest-Tschechoslowakei gab sie diesen völlig auf und plädierte dafür, Hitler mit Gewalt zu bekämpfen. 1939-40 studierte sie Sanskrit und liest das altindische Epos „Bhagavadgita“. Sie regle ein Projekt zur Schaffung einer Truppe von Front-Krankenschwestern an. Nach Besetzung von Paris durch die deutschen Truppen setzte sie sich zuerst nach Vichy und dann nach Marseilles ab, wo sie für die Resistance arbeitete und publizistisch für verschiedene Zeitschriften tätig war. Sie wurde wegen „Gaullismus“ verhaftet und verhört und mit Gefängnis bedroht. Simon Weil verfaste einen offenen Brief an das Vichy-Unterrichtsmimisterium gegen die Entlassung aus dem Schuldienst wegen ihrer jüdischen Abstammung. Sie wurde von der Vichy-Polizei überwacht. 1941 arbeitete sie mit der „Christlichen Arbeiterjugend“ zusammen und knüpfte enge Beziehungen zu dem Dominikaner-Prior Jean-Marie Perrin. Simone Weil wird Landarbeiterin. 1942 Zusammenkünfte mit katholischen Freunden und Gespräche über Vorchristentum, Christentum, Mystik und Katholizismus. Im gleichen Jahr verlässt Simone Weil Frankreich um über Algerien und über die [[USA]] nach Großbritannien zu fahren. 1943 Tätigkeit für de Gaulles „Forces de la France“ mit der Hoffnung, als Partisanin in Frankreich eingesetzt zu werden. Simone Weil starb am 24. August an „Herzmuskelschwäche, verursacht durch Hunger und Lungentuberkulose“ (vgl. A. Krogmann, H. Abosch: Zeittafeln: H. R. Schlette/A.-A. Devaux: Bio-Bibliographische Angaben). | Simon Weil hatte elsässische, französische und österreich-ungarische jüdische Vorfahren. Bis 1914 wuchs sie bei ihren Eltern in Paris auf. Dann in den Vogesen. Ab 1919 lebte sie wieder in Paris und besuchte dort erstmals eine Schule, da sie bis dahin Privatunterricht erhielt. 1915 erste Schreib versuche. 1921 erkrankte sie an Migräne oder Neuralgien, unter denen sie ihr Leben lang litt. 1924/25 bestand sie die Reifeprüfung in Latein, Griechisch und Philosophie und wurde Schülerin des in den 20er und 30er Jahren berühmten Lehrer-Philosophen Alain (Pseudonym für Emile Auguste Chartier), der für Simone Weils intellektuelle Entwicklung entscheidende Impulse gab. 1928 Aufnahme in die École Normale Supérieure und erste Veröffentlichungen in Alains Zeitschrift „Libres Propos“. 1931 Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Promotion und Anstellung als Philosophielehrerin an einem Mädchengymnasium. Im gleichen Jahr Kurse in der „Arbeiterstudiengemeinschaft“ in Saint-Étienne und Teilnahme an Demonstrationen von Arbeitern und Arbeitslosen dortselbst. Sie bekommt den Namen „rote Jungfrau“. Ebenfalls 1931 unterschrieb sie neben Jean-Paul Sartre, Romain Rolland u.a. eine Protestnote gegen die obligatorische Offizierslaufbahn der „Normaliens“. 1932 nahm Simone Weil an verschiedenen Arbeiterdemonstrationen teil. Sie wurde von der Schulbehörde strafversetzt nach Auxerre. 1933 nahm sie an Kongressen der Gewerkschaften CGT und CGTU teil und kritisierte dort die Deutschlandpolitik der Kommunistischen Internationale. Erneute Strafversetzung, diesmal nach Roanne/Loire. Im Herbst und Winter nahm Simone Weil an mehreren Bergarbeiterdemonstrationen teil. Ende 1933 Begegnung mit Leo Trotzki. 1934 auf Initiative von Simone Weil Hilfsstellungen für deutsche Emigranten und als Hilfsarbeiterin in einem Elektrobetrieb. 1935 arbeitete sie als Fräserin bei Renault, gegen Ende des Jahres war sie aber wieder Lehrerin am Lycee in Bourges; dort häufiger Besuch der katholischen Frühmesse. 1936 wurde Simone Weil Mitarbeiterin der stark syndikalistisch geprägten Zeitung „La Révolution Prolétarienne“ und trat dort für den [[Generalstreik]] ein. Anfang August 1936 fuhr Simone Weil nach Barcelona um sich dort im [[Spanischen Bürgerkrieg]] trotz ihrer entschieden pazifistischen Einstellung - den Milizen der anarcho-syndikalistischen [[CNT]] anzuschließen. Ende August wurde sie durch siedendes Öl verletzt und kehrte nach Frankreich zurück. 1937 Vorträge vor Arbeitern und weitere Annäherungen an das Christentum. Deutschlands Eimnarsch in das Sudetenland (1938) veranlasste Simon Weil, ihren [[Pazifismus]] zu relativieren und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Rest-Tschechoslowakei gab sie diesen völlig auf und plädierte dafür, Hitler mit Gewalt zu bekämpfen. 1939-40 studierte sie Sanskrit und liest das altindische Epos „Bhagavadgita“. Sie regle ein Projekt zur Schaffung einer Truppe von Front-Krankenschwestern an. Nach Besetzung von Paris durch die deutschen Truppen setzte sie sich zuerst nach Vichy und dann nach Marseilles ab, wo sie für die Resistance arbeitete und publizistisch für verschiedene Zeitschriften tätig war. Sie wurde wegen „Gaullismus“ verhaftet und verhört und mit Gefängnis bedroht. Simon Weil verfaste einen offenen Brief an das Vichy-Unterrichtsmimisterium gegen die Entlassung aus dem Schuldienst wegen ihrer jüdischen Abstammung. Sie wurde von der Vichy-Polizei überwacht. 1941 arbeitete sie mit der „Christlichen Arbeiterjugend“ zusammen und knüpfte enge Beziehungen zu dem Dominikaner-Prior Jean-Marie Perrin. Simone Weil wird Landarbeiterin. 1942 Zusammenkünfte mit katholischen Freunden und Gespräche über Vorchristentum, Christentum, Mystik und Katholizismus. Im gleichen Jahr verlässt Simone Weil Frankreich um über Algerien und über die [[USA]] nach Großbritannien zu fahren. 1943 Tätigkeit für de Gaulles „Forces de la France“ mit der Hoffnung, als Partisanin in Frankreich eingesetzt zu werden. Simone Weil starb am 24. August an „Herzmuskelschwäche, verursacht durch Hunger und Lungentuberkulose“ (vgl. A. Krogmann, H. Abosch: Zeittafeln: H. R. Schlette/A.-A. Devaux: Bio-Bibliographische Angaben). | ||
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+ | Simone Weil war keine explizit anarchistische oder syndikalistische Denkerin, auch nicht in ihrer aktiv „anarcho-syndikalistischen Zeit“. Immer auch waren ihre politisch-sozialen Vorstellungen durch den Marxismus geprägt. Ihr soziales Engagement war stark emotional bestimmt, aber in erster Linie Ausfluss intellektueller Reflexion. | ||
+ | „Alles, was humanitär, anarchistisch, syndikalistisch und revolutionär war, zog sie unwiderstehlich an“ (J. Cabaud, S. 47). In Simone Weils aktiver politischer Phase konzentrierte sich ihr Denken gegen die Machtkonzentrationen in [[Staat]] und [[Kapitalismus]], [[Marxismus]] und gegen die Dogmen von Parteien und Kirchen. | ||
+ | Staat: „Der Staat“, so Simone Weil, „ist etwas Kaltes, das man nicht lieben kann; aber er tötet und beseitigt alles, was man sonst lieben könnte; und so zwingt er die Menschen ihn zu lieben, weil er allein übrigbleibt. Das ist die seelische Marter unserer Zeitgenossen“ (S. Weil l, S. 173). Und an anderer Stelle: „Er (der Staat) setzt sich als ein Absolutum auf Erden, das heißt, er macht sich zu einem Götzen; und er wurde als solcher anerkannt und von seinen Dienern auf das grauenvoll durch entsetzliche Menschenopfer verehrt. Ein Götzendienst ohne Liebe, lässt sich wohl etwas Gräßlicheres und Traurigeres denken?" (S. Weil I, S. 193). |
Version vom 8. März 2008, 18:04 Uhr
Lexikon der Anarchie: Personen In Arbeit
Simone Weil, geboren am 3. Februar 1909 in Paris; gestorben am 24. August 1943 in Ash-ford/Kent (Großbritannien).
Äußere Daten, persönlicher und politischer Werdegang
Simon Weil hatte elsässische, französische und österreich-ungarische jüdische Vorfahren. Bis 1914 wuchs sie bei ihren Eltern in Paris auf. Dann in den Vogesen. Ab 1919 lebte sie wieder in Paris und besuchte dort erstmals eine Schule, da sie bis dahin Privatunterricht erhielt. 1915 erste Schreib versuche. 1921 erkrankte sie an Migräne oder Neuralgien, unter denen sie ihr Leben lang litt. 1924/25 bestand sie die Reifeprüfung in Latein, Griechisch und Philosophie und wurde Schülerin des in den 20er und 30er Jahren berühmten Lehrer-Philosophen Alain (Pseudonym für Emile Auguste Chartier), der für Simone Weils intellektuelle Entwicklung entscheidende Impulse gab. 1928 Aufnahme in die École Normale Supérieure und erste Veröffentlichungen in Alains Zeitschrift „Libres Propos“. 1931 Staatsprüfung für das Lehramt an höheren Schulen. Promotion und Anstellung als Philosophielehrerin an einem Mädchengymnasium. Im gleichen Jahr Kurse in der „Arbeiterstudiengemeinschaft“ in Saint-Étienne und Teilnahme an Demonstrationen von Arbeitern und Arbeitslosen dortselbst. Sie bekommt den Namen „rote Jungfrau“. Ebenfalls 1931 unterschrieb sie neben Jean-Paul Sartre, Romain Rolland u.a. eine Protestnote gegen die obligatorische Offizierslaufbahn der „Normaliens“. 1932 nahm Simone Weil an verschiedenen Arbeiterdemonstrationen teil. Sie wurde von der Schulbehörde strafversetzt nach Auxerre. 1933 nahm sie an Kongressen der Gewerkschaften CGT und CGTU teil und kritisierte dort die Deutschlandpolitik der Kommunistischen Internationale. Erneute Strafversetzung, diesmal nach Roanne/Loire. Im Herbst und Winter nahm Simone Weil an mehreren Bergarbeiterdemonstrationen teil. Ende 1933 Begegnung mit Leo Trotzki. 1934 auf Initiative von Simone Weil Hilfsstellungen für deutsche Emigranten und als Hilfsarbeiterin in einem Elektrobetrieb. 1935 arbeitete sie als Fräserin bei Renault, gegen Ende des Jahres war sie aber wieder Lehrerin am Lycee in Bourges; dort häufiger Besuch der katholischen Frühmesse. 1936 wurde Simone Weil Mitarbeiterin der stark syndikalistisch geprägten Zeitung „La Révolution Prolétarienne“ und trat dort für den Generalstreik ein. Anfang August 1936 fuhr Simone Weil nach Barcelona um sich dort im Spanischen Bürgerkrieg trotz ihrer entschieden pazifistischen Einstellung - den Milizen der anarcho-syndikalistischen CNT anzuschließen. Ende August wurde sie durch siedendes Öl verletzt und kehrte nach Frankreich zurück. 1937 Vorträge vor Arbeitern und weitere Annäherungen an das Christentum. Deutschlands Eimnarsch in das Sudetenland (1938) veranlasste Simon Weil, ihren Pazifismus zu relativieren und nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in die Rest-Tschechoslowakei gab sie diesen völlig auf und plädierte dafür, Hitler mit Gewalt zu bekämpfen. 1939-40 studierte sie Sanskrit und liest das altindische Epos „Bhagavadgita“. Sie regle ein Projekt zur Schaffung einer Truppe von Front-Krankenschwestern an. Nach Besetzung von Paris durch die deutschen Truppen setzte sie sich zuerst nach Vichy und dann nach Marseilles ab, wo sie für die Resistance arbeitete und publizistisch für verschiedene Zeitschriften tätig war. Sie wurde wegen „Gaullismus“ verhaftet und verhört und mit Gefängnis bedroht. Simon Weil verfaste einen offenen Brief an das Vichy-Unterrichtsmimisterium gegen die Entlassung aus dem Schuldienst wegen ihrer jüdischen Abstammung. Sie wurde von der Vichy-Polizei überwacht. 1941 arbeitete sie mit der „Christlichen Arbeiterjugend“ zusammen und knüpfte enge Beziehungen zu dem Dominikaner-Prior Jean-Marie Perrin. Simone Weil wird Landarbeiterin. 1942 Zusammenkünfte mit katholischen Freunden und Gespräche über Vorchristentum, Christentum, Mystik und Katholizismus. Im gleichen Jahr verlässt Simone Weil Frankreich um über Algerien und über die USA nach Großbritannien zu fahren. 1943 Tätigkeit für de Gaulles „Forces de la France“ mit der Hoffnung, als Partisanin in Frankreich eingesetzt zu werden. Simone Weil starb am 24. August an „Herzmuskelschwäche, verursacht durch Hunger und Lungentuberkulose“ (vgl. A. Krogmann, H. Abosch: Zeittafeln: H. R. Schlette/A.-A. Devaux: Bio-Bibliographische Angaben).
Ideologie und Politik
Simone Weil war keine explizit anarchistische oder syndikalistische Denkerin, auch nicht in ihrer aktiv „anarcho-syndikalistischen Zeit“. Immer auch waren ihre politisch-sozialen Vorstellungen durch den Marxismus geprägt. Ihr soziales Engagement war stark emotional bestimmt, aber in erster Linie Ausfluss intellektueller Reflexion. „Alles, was humanitär, anarchistisch, syndikalistisch und revolutionär war, zog sie unwiderstehlich an“ (J. Cabaud, S. 47). In Simone Weils aktiver politischer Phase konzentrierte sich ihr Denken gegen die Machtkonzentrationen in Staat und Kapitalismus, Marxismus und gegen die Dogmen von Parteien und Kirchen. Staat: „Der Staat“, so Simone Weil, „ist etwas Kaltes, das man nicht lieben kann; aber er tötet und beseitigt alles, was man sonst lieben könnte; und so zwingt er die Menschen ihn zu lieben, weil er allein übrigbleibt. Das ist die seelische Marter unserer Zeitgenossen“ (S. Weil l, S. 173). Und an anderer Stelle: „Er (der Staat) setzt sich als ein Absolutum auf Erden, das heißt, er macht sich zu einem Götzen; und er wurde als solcher anerkannt und von seinen Dienern auf das grauenvoll durch entsetzliche Menschenopfer verehrt. Ein Götzendienst ohne Liebe, lässt sich wohl etwas Gräßlicheres und Traurigeres denken?" (S. Weil I, S. 193).