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'''Dovid Edelstadt''' (jiddisch יוסף באָװשאָװער, geb. <usw. usf.>; Jiddischer Dichter.
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'''David Edelstadt''' (Jiddisch: דוד עדעלשטאַט, transkr.: Dovid edelshtat; geb. 21. Mai 1866 in Kaluga; gest. 17. Oktober 1892 in Denver); Jiddischer Dichter und Journalist.
[[bild:Bovshover_Josef.jpg|thumb|right|240px|Dovid Edelstadt (18XY-19XY)]]
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[[bild: edelstadt_portrait.png|thumb|right|270px|David Edelstadt (1866-1892)]]
  
  
 
==Leben==
 
==Leben==
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===Frühe Kindheit===
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[[Bild:Edelstadt_eltern.png|thumb|right|240px|Edelstadts Eltern]]
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Die Eltern Edelstadts, Moisei Ivanovitch und Katerina Fiodorovna, lebten in der russischen Stadt Kaluga, rund 170 von Moskau entfernt. Unter den 39.000 Einwohnern befanden sich nur wenige hundert Juden, denn seit einem Erlass Katarina II. im Jahr 1791 existierten Ansiedlungsbezirke im europäischen Teil Russlands, die speziell für die jüdischen Bevölkerung geschaffen worden waren und in denen, trotz sukzessiver Rücknahme dieser Siedlungsbestimmungen unter Alexander II., noch immer die meisten Juden lebten.
  
===In der alten Heimat===
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Moisei Ivanovitch war ein Kantonist oder, wie man es heute ausdrücken würde, ein Kindersoldat. Entsprechend der von Nikolei I. erlassenen Kantonistendekrete wurde Ivanovitch bereits im Kindesalter zur Armee eingezogen und musste dann einen Wehrdienst von 25 Jahren ableisten. Dies berechtigte ihn schätzungsweise auch zur Niederlassung in Kaluga, wo er nach dem Militärdienst zuerst als  Polizist und dann in einem Sägewerk arbeitete. Die Mutter Edelstadts, Katerina Fiodorovna, ernährte insgesamt sieben Kinder. Da in Kaluga nur die Sprösslinge wohlhabender Eltern das Gymnasium oder die Realschule besuchten und es für die Kinder niederer Klassen lediglich einige Grundschulen gab, wurde Edelstadt zusätzlich durch Privatlehrer in Russisch und Hebräisch unterrichtet. In dem Gedicht ''Familien-portret'', geschrieben um 1885, beschreibt Edelstadt seine Eltern:
  
Josef Bovshover wurde am jüdischen Feiertag Jom Kippur im Jahr 1872 in Libovitsh (evtl. Lyubizh), einer Stadt in der Nähe von Mahiljou (jidd.transkr. und ältere dt. Schreibweise: Mogilev), Weißrussland, als eines von sieben Kindern geboren. Er stammte aus einer sehr feinen Mischpoke; seine Vorfahren mütterlicherseits waren Kantoren und gelehrte Talmudisten, die Vorfahren väterlicherseits Geschäftsleute. Der Vater war ein großer Gelehrter, ein frommer Jude aus vollem Herzen, ein wohltätiger und spendierfreudiger Mann, aber er war auch, nach den Worten Mikhal Kohns, dem Herausgeber der Gesammelten Werke, ein religiöser Fanatiker, der seine Kinder streng orthodox erzog. Gerne hätte der Vater aus seinem Sohn einen religiösen Gelehrten gemacht, doch zum Leidwesen seiner Eltern schlug dieser einen anderen Weg ein. Der junge Bovshover verbrachte viel Zeit in der Natur, wo er sich mitunter den ganzen Tag alleine aufhielt und von wo er erst spät abends nach Hause kam. Im Alter von ungefähr 16 Jahren zog Bovshover nach Riga und begann als Laufbursche für ein großes Mehl-Geschäft zu arbeiten. Für Bovshover waren die Jahre in Riga lehrreich in vielerlei Hinsicht, denn hier erlernt er die deutsche Sprache, allerdings nicht in der Schule, sondern durch die Lektüre deutscher Literatur. Ein Bekannter, der ihn zu dieser Zeit in Riga traf, schrieb über ihn: „Er muss sechzehn gewesen sein und arbeitete als Laufbursche für ein großes Mehl Geschäft. Der schwere Korb mit Mehl Säcken nahm nicht das liebe, kindliche Lächeln vom Gesicht des Jungen mit dem hübschen Kopf, der mit schwarzen und gekräuselten Haar deutlich aus den mit Mehl beschattenen armen Kleidern herausstach.<ref>Marmor, S.10</ref>
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:Hier ist die Mutter, die Leidende und Gute –
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:ich erinnere mich an deine Gestalt:
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:dein klarer Kopf, die Liebe deine,
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:umflochten voller Sorge und Leid.
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[…]
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:Und du mein Vater, in Gedanken verloren,
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:grau und getreu,
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:atmest von deinem Bild voll Zärtlichkeit,
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:voll ehrlichem Patriarchat. <ref>Marmor, S. 247</ref>
  
===Erste Schritte in Amerika===
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In Kaluga beginnt Edelstadt auch seine Laufbahn als Dichter: "Ich war damals 15 Jahre alt und wohnte bei meinen Eltern in der Stadt Kaluga. Schon damals nannten mich meine Freunde und Bekannte „Poet“. Ich schrieb russische Gedichte. Meine Leidenschaft für Poesie, insbesondere für die russischen Dichter Nikitin und Nekrassow, wurde schon früh in meinem Herzen entfacht. Ich verbrachte viele Tage und Nächte über ihren meisterhaften Schilderungen über das Leiden und die Sorgen des russischen Volkes."<ref>Marmor, S. 19</ref>
  
Im Oktober 1891 wanderte Bovshover in die Vereinigten Staaten von Amerika aus, wo bereits zwei seiner älteren Brüder lebten. Sie alle zählen zu einer großen Welle jüdischer Emigrantinnen und Emigranten, die ab den frühen 1880er Jahren aus Osteuropa flüchteten. Die Verelendung der ostjüdischen Massen und die oftmals staatlich initiierten antijüdischen Pogrome waren hierfür entscheidende Gründe. In New York landete Bovshover, wie so viele osteuropäische Einwanderer und Einwanderinnen, in einem der berüchtigten Sweatshops der Textilindustrie, wo ihm Bekannte einen Job als Futter-Macher besorgten hatten, der ein wenig besser bezahlt war als die Tätigkeit eines normalen Schneiders. Der Lohn eines Schneiders betrug zwischen sieben und acht Dollar pro Woche, ein Futter-Macher verdiente bis zu vier Dollar mehr. Die Arbeitsbedingungen waren allerdings so schlecht, dass Bovshover dort nicht lange beschäftigt war. Angeblich verlor er den Job  als Futter-Macher, weil er sich angewöhnt hatte, den Mitarbeitern seine revolutionären Lieder vorzutragen. Nach der Kündigung eröffnete einer seiner Brüder für Bovshover ein kleines Geschäft, in dem Bovshover seine Erfahrung aus dem Mehlgeschäft einbringen konnte. Aber der Versuch scheiterte, denn Bovshover mangelte es an Geschäftssinn und Engagement.
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===Von Kiew nach Amerika===
  
Als Bovshover 1891 in den Vereinigten Staaten von Amerika eintraf, strömten große Teile der jüdischen Arbeiterschaft in die Sozialistische Arbeiterpartei (SLP) unter der Leitung von Daniel DeLeon. Diese erfolgreiche Mobilisierung gelang durch die Organisation jiddischsprachiger Sektionen der SLP und später mit Hilfe der United Hebrew Trade (UHT), einer Dachgesellschaft verschiedener jüdisch-amerikanischer Gewerkschaften, die der SLP verpflichtet war. Befürworter anderer Ideen, wie die des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes aus Polen, Litauen und Russland (BUND) oder anarchistische Gruppierungen, wehrten sich gegen die Vereinnahmung des amerikanisch-jüdischen Proletariats durch die SLP. Deren erfolgreiche Agitation war beispielsweise einer der Gründe dafür, dass die anarchistische Bewegung in den 1890er Jahre einige Krisen erlebte, wie das Jahr 1892, in dem die ''Fraye arbeter shtime'' monatelang nicht erschien. Bovshover scheint ganz zu Beginn seiner Aufenthalts in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht sonderlich an Politik interessiert gewesen zu sein, womit er ideologisch ganz auf der Linie der einwandernden Osteuropäerinnen und Osteuropäer lag, von denen heute Forscher wie Tony Michels annehmen, dass sich ihre Radikalität erst in ihren amerikanischen Jahren entwickelt hat. Bovshover war weder in Libovitsh noch in Riga ein politischer Aktivist gewesen, er wurde es erst in den USA. Auf eine bestimmte Ideologie war er damals nicht fixiert; so verkehrte er zwar mit Personen aus dem Umkreis der anarchistischen ''Fraye arbeter shtime'', seine ersten Gedichte veröffentlichte er aber in der sozialdemokratische ''Arbeter tsaytung'' der SLP.  
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Als Jugendlicher geht Edelstadt nach Kiew, wo er in der Schusterei eines seiner älteren Brüder arbeitet. Es ist eine Zeit in welcher die zaristische Regierung die revolutionäre Bewegung bekämpft indem sie chauvinistische und antisemitische Einstellungen fördert. Am 8. Mai 1881 organisieren Regierungsstellen ein antijüdisches Pogrom in Kiew, das der junge Edelstadt miterlebt. Er wird daraufhin krank und muss in einem Spital behandelt werden. Die antisemitische Stimmung in Land nimmt in den Folgejahren zu. Die Stürme des Südens, wie die Pogrome in Kiew und Odessa später von jüdischen Autoren genannt werden sollten, veranlassten eine Auswanderungswelle unter der jüdischen Bevölkerung Russlands. Auch Edelstadt gehört dazu. Er schließt sich einer Studentengruppe an, die plant eine landwirtschaftliche Kolonie auf Basis des Kommunismus zu gründen und er will seinen Brüdern nahe sein, von denen bereits zwei in Vereinigten Staaten von Amerika leben.  
  
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Am 30. Mai 1882 erreicht Edelstadt Philadelphia. Noch am gleichen Tag reist die Gruppe nach New York und nachdem sie am Bahnhof ausgestiegen sind, stellen sie sich in einer Reihe auf und singen revolutionäre Lieder. Es ist der Memory Day, an dem die amerikanische Bevölkerung ihren Gefallenen gedenkt und Umzüge abgehalten werden. Zuerst glauben die Neuankömmlinge, man hätte ihre Ankunft zum Anlass genommen eine Parade zu veranstalten, doch als sie von einheimischen Kindern mit Steinen beworfen werden, klärt sich dieses Missverständnis auf.
  
===Erfolge===  
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===Cincinnati===
In den Jahren 1892 und 1893 arbeitete Bovshover eifrig an seinen jiddischen Gedichten während er, nach seinem anfänglichen Scheitern als Geschäftsmann und Futter-Macher, erneut Tätigkeiten im Textilgewerbe nachging. 1893 scheint er dann erstmalig mit seiner Poesie erfolgreich gewesen zu sein, denn sie wurde in der jiddischen Presse häufig gedruckt, wie in der Zeitschrift ''Arbeter fraynd'', die in den Monaten März und April jede Woche ein Gedicht von ihm veröffentliche, der ''Arbeter tsaytung'' der SLP und der anarchistischen ''Fraye arbeter shtime''.  Einige der Gedichte, die Bovshover im Jahr 1893 produzierte, stehen im besonderen Gedenken an die gescheiterten deutsche Revolution des Jahres 1848, die für revolutionäre deutsch-amerikanische Gruppierungen in New York Anlass verschiedener Festivitäten war. An diesem Diskurs beteiligten sich auch viele der jüdischen Radikalen, die mit den deutschen Bewegungen oftmals eng verbunden waren. Im März 1893 entstanden die Gedichte ''Merts gedanken'', ''Di ziftsende shtime'', '' Tsum kempfer'' und im Herbst des Jahres das Gedicht ''Di kugl-giser'', das ganz konkret die historische Ereignisse in Deutschland aufgreift.
 
  
Ohne Mäzen und eigenen Reichtum, in prekären Arbeitsverhältnissen, blieb Bovshover zeit seines jungen Lebens ein verarmter Dichter, der zwar innerhalb der jiddischsprachigen Welt ein wenig Aufmerksamkeit erfuhr, der aber ansonsten mit den gleichen Widrigkeiten zu kämpfen hatte, wie andere osteuropäische Arbeiterinnen und Arbeiter auch: hohe Arbeitszeiten, niedrige Löhne und schlechte Arbeits- und Lebensverhältnisse. Er verließ früh morgens sein Zimmer in Brooklyn zur Arbeit und kam spät abends erschöpft wieder nach Hause, wo er sich dann in sein Arbeitszimmer begab und an seinen Gedichten feilte. Im Jahr 1895 zog Bovshover nach New Haven, wo er für ein wenig Geld und ein Zimmer das Kleidergeschäft eines Freundes hütete, als Kellner arbeitete und Zeitungen austrug; er verlor den letzten Job, weil sich die Beschwerden mehrten, dass die Zeitung morgens ausbleibe. An der örtlichen Yale Universität besuchte er Kurse über Englisch und Literatur, was eine nachhaltige Wirkung auf sein literarisches Schaffen hatte, denn nachdem er gegen Ende des Jahres 1895 oder im Jahr 1896 wieder nach New York gezogen war, übersetzte er einige seiner jiddischen Gedichte ins Englische und schrieb erstmalig Gedichte in englischer Sprache. Obwohl sich Bovshover mit der Zeit ein beachtliches literarisches Können angeeignet hatte - er schrieb Gedichte, Satiren, Erzählungen, Essays, übersetzte Jiddisch, Englisch, Deutsch und Russisch und war journalistisch tätig -, lohnte sich das literarisches Schaffen für ihn nicht; und auch bekanntere jiddische Dichter wie Morris Rosenfeld oder David Edelstadt kamen nur über die Runden, wenn sie hauptsächlich einer anderen Tätigkeit nachgingen.  
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Edelstadt bleibt nicht lange in New York. Er trennt sich von der Siedlergruppe und fährt zu seinen Brüdern nach Cincinnati. Dort  erlernt er die Arbeit an einer Knopflochmaschine und gerät in das berüchtigte Sweatshop-System. Einer seiner Brüder, der eine gut bezahlte Stelle als Buchmacher hat, unterstützt ihn finanziell, denn Edelstadts normales Gehalt reicht zum Leben nicht aus. In Cincinatti macht Edelstadt die Bekanntschaft mit einer Reihe russischen Schneider. Unter ihnen befinden sich Radikale verschiedener ideologischer Richtungen, darunter Hilel Zolotarov (1865-1921), den späteren Mediziner und Theoretiker des nationalistischen Anarchismus. Noch sind die Arbeitsverhältnisse in diesen Kreisen kein besonderes Thema. Man streitet sich vor allem um Fragen der russischen, revolutionären Literatur und Bewegung.
  
Ab dem Jahr 1896 begann Bovshover die Zusammenarbeit mit [[Benjamin R. Tucker|Benjamin R. Tucker]] und dessen anarchistischer Zeitung ''Liberty'', für die Bovshover unter dem Pseudonym Basil Dal englische Gedichte entwarf. Die erste Veröffentlichung, das Gedicht ''To the Toilers'', erschien am 7. März 1896 zusammen mit einer enthusiastische Lobpreisung auf den jungen Dichter vom Herausgeber des Blattes. Tucker, einer der wichtigsten Theoretiker des Individualanarchismus, muss als einer der großen Förderer des jiddischen Dichters gelten; allerdings gelang es ihm nicht, Bovshover in der englischen Presse oder unter englischen Literaturkritikern einen Namen zu machen, denn dafür war der Abstand zwischen dem Anarchisten Tucker und der bürgerlichen Welt und der zwischen einem jiddischen Literaten, der revolutionäre Lieder auf Englisch schrieb, und dem englischen Literaturbetrieb zu groß. Möglicherweise wirkte sich der persönliche Kontakt zu Tucker auf die ideologischen Anschauen Bovshovers insofern aus, dass bereits vorhandene anarchistische Ideen um individualanarchistische Entwürfe verfeinert wurden.
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Die Hinrichtung der [[Haymarket | Haymarket Märtyrer]] und der Kampf um den acht Stunden Arbeitstag katalysieren die radikalen Impulse innerhalb der jüdischen Arbeiterbewegung in Amerika und auch Edelstadt wird vom Kampf der amerikanischen Arbeitermassen und den Ereignisse in Chicago erfasst. Seine ideologischen Präferenzen ändern sich. Zuvor hatte er sich unter dem Einfluss seiner russischen Freunde in Cincinnati zum Folkisten entwickelt, der an die allgemein menschliche Gerechtigkeit und das allgemeine menschliche Gewissen glaubt. Die Hinrichtung der Haymarket Märtyrer treibt den 21 jährigen Edelstadt allerdings zur Verzweiflung, denn ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung begrüßt die Todesstrafe gegen die unschuldig Angeklagten, obwohl sie, in den Augen Edelstadts, lediglich für eine gerechte Sache kämpften. Mit Freunden gründet Edelstadt eine Gewerkschaft für Knopflocharbeiter, wofür er entlassen wird und als er sich für die inhaftierten Arbeiterführer in Chicago einsetzt, verhaftet man ihn. Die folgende Arbeitslosigkeit ist für Edelstadt sehr schwer, denn er ist erneut auf die Hilfe seiner Brüder angewiesen. Langsam verschwindet sein Traum vom besseren Leben in den Vereinigten Staaten und da er ein Cincinatti keine Anstellung findet, zieht er nach New York.
  
===Krankheit und Tod===
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===New York===
Ab den späten 1890er Jahren zeigt sich bei Bovshover eine geistige Krankeit, die Mitschuld am frühen Tod des Dichters hatte. Es fällt schwer, heute darüber eine Prognose abzugeben, aber Bovshover litt vielleicht an einer starken Depression, einer pathologischen Melancholie, die ihn passiv werden ließ und die ihn später zum Verstummen brachte. [[Goldman, Emma| Emma Goldmann]] nennt den jiddischen Lyriker in ihrer Autobiographie ''Living my Life'' einen auffällig  impulsiven Menschen. Vor allem nach seinem 26. Geburtstag hinterließ die Krankheit bei ihm auch äußerliche Spuren; seine linke Achsel begann weit herabzuhängen und die Rechte zog er unnatürlich stark hoch; den Kopf  trug er immer tief zwischen die Schultern gezogen, sein Gesicht war aschfahl und seine Kleidung abgetragen und alt. Ab den späten 90er Jahren ging er keiner Tätigkeit mehr nach und war so auf die Wohltätigkeit seiner Freundinnen und Freunde und seiner Brüder, die in den Vereinigten Staaten von Amerika lebten, angewiesen. Diese nahmen den verelendeten Dichter zeitweise auf und erst als der Zustand des Dichters immer schlechter wurde und die in seiner Lyrik so oft besungenen schwarzen Wolken sich seines Verstandes vollends bemächtigten, musste er das Leben bei Verwandten, Freundinnen und Freunden mit einem Aufenthalt in einer Nervenheilanstalt eintauschen. Hier verbrachte er mehrere Jahre seines Lebens bis er am 20. oder 25. Dezember 1915 in einem Sanatorium in Poughkeepsie im Staat New York verstarb.
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Im November 1888 erreicht Edelstadt New York, wo zu jener Zeit eine Vielzahl politischer und ökonomischer Kämpfe toben. Einen Monat zuvor hatten sich die jüdischen Gewerkschaften in den „Fareynigte yidishe geverkshaftn“ zusammengeschlossen und somit an Schlagkraft gewonnen. Der Streit zwischen Sozialdemokraten und Anarchisten nimmt in jener Zeit zu und es beginnen die scharfe Debatten zwischen beiden ideologischen Gruppierungen. Edelstadt schließt sich der anarchistischen Gruppe Pionern der frayheyt an, zu denen auch der bekannte jiddische Dichter Morris Rosenfeld (1862-1932) gehört.
  
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Die Pionern der frayheyt, gegründet am 6. Oktober 1886, waren die erste jiddisch sprechende, anarchistische Gruppe in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wenige Jahre nach ihrer Gründung, Anfang der 1890er, existierten bereits Ortsgruppen in mehr als sechs Großstädten. Neben Edelstadt und Rosenfeld gehören [[Goldman, Emma| Emma Goldmann]] (1869-1940) und Saul Yanovsky (1864-1939) zu den prominenten Mitgliedern der Gruppe.
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Edelstadt ist begeistert von New York. In einem Brief vom 11. November schreibt er: „In New York lebt es sich merkwürdig schnell. [...] An einem Tag in New York kann man so viel erleben, wie in fünf Jahren in der ruhigen, friedlichen Stadt Cincinnati.“<ref>Marmor, S. 43</ref> In New York fühlt er „neues Leben, neue Kraft, die Lehre der Wahrheit, Selbstbildung und ein energisches Streben zum Licht“ - „besonders in jüdischen Kreisen.“ Edelstadt hört den sozialdemokratischen Redner Sergei Shevitch (1847-1911) und ist zu Tränen gerührt. Der Enthusiasmus der Masse gibt ihm das Gefühl „dass der Sozialismus kein Traum ist, keine Illusion, sondern die reale Zukunft des Volkes“<ref>Marmor, S. 44</ref> Doch von der Begeisterung alleine kann Edelstadt nicht leben. Er findet keine Arbeit und durchlebt schwere Zeiten. In seinem ''Lid fun a proletarier'' dichtet er zu jener Zeit:
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:Hast du keine Arbeit – schlecht!
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:Es erstickt dich die Not.
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:Hast du Arbeit – schlecht,
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:denn sie ist schwer wie der Tot. <ref>Marmor, S. 44</ref>
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Die Not und Arbeitslosigkeit veranlassen Edelstadt zur Introspektion: Wofür bin ich auf der Welt, fragt er sich. Es ist „eine sehr schwere Frage mit einem Bart [...] Für einen Arbeiter ist sie schwer zu beantworten, doch noch schwerer ist es nicht zu verstehen für was, warum oder für wen man lebt.“ <ref>Marmor, S. 44</ref> In einem zweiten Lied, ''Fartseykhnungen fun a proletarier'', schreibt er:
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:Ich bin nicht geboren für süße Arien,
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:für Rosen-Liebe oder für Glück.
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:Ich bin auch kein Dichter, sondern Proletarier,
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:ein Kind des Kampfes und der Fabrik. <ref>Marmor, S. 45</ref>
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XXXXXXXXXXXXX
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Eine der Ursachen für Edelstadts Krankheit war ein Besuch bei Johann Most, den man auf Blackwell Island inhaftiert hatte. Auf dem offenen Schiff, windig und naß, erkältete sich Edelstadt so stark, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dort wird ihm Tuberkolose attestierte. Er wird nach Denver im Bundeststaat Kolorado gebracht, wo das Klima für Lungenkranke besser ist als in New York. Von dort schreibt er noch etliche Texte, die in der ''Fraye arbeter shtime'' veröffentlicht werden, bis die Herausgabe des Blattes im Juni 1892 für einen gewissen Zeitraum eingestellt wird.
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===Die letzten Tage===
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[[bild: Edelstadts_Grabstein.jpg|thumb|right|200px|Foto: John J. Altman]]
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Die Bergluft Kolorados tut dem lungenkranken Edelstadt nicht in dem Maße gut, wie er und seine Freunde hoffen. Am 25. Dezember 1891 schreibt er in einem Brief an H. Veynberg: „um meine Gesundheit steht es immer noch nicht zum Besten.“ Er „hustet und fühlt sich schwach.“  Zwei Monate später, am 20. Februar 1892, schreibt er dem gleichen Veynberg: „Ich habe ihnen bis jetzt nicht geschrieben, denn ich habe mich gesundheitlich sehr schlimm gefühlt. Doch jetzt fühle ich mich etwas besser und hoffe auf den Frühling und dass ich mich im Sommer von meiner Krankheit erhole.“ Auch um Edelstadts materielle Lage steht es nicht gut, jedoch nicht so schlecht „wie bei jenen Tausend, die kein Brot und kein Fleisch haben.“ Und am meisten plagt ihn in jener Zeit „das Leben ohne Tätigkeit, ohne Freunde, weit ab der lebendigen Welt.“
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XXXXXXXXXXXX
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Nach seinem Tod wird Edelstadt in einem Massengrab für Pauper auf dem Riverside Friedhof beerdigt.  Später bringt man ihn auf den Golden Hill Friedhof, wo der Workmen's Circle einen Grabstein stiftet. Darauf stehen, unter dem Bild und seinem Namen, die Verse des Gedichts ''Meyn tsvah'' (dt.: Mein letzter Wille).
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:Oh guter Freund! Wenn ich sterben werde,
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:tragt zu meinem Grab unsere Fahne -
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:die freie Fahne mit roter Farbe,
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:bespritzt mit Blut vom Arbeitsmann.
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:Und dort, unter dem roten Banner,
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:singt mir mein Lied, mein Freiheitslied!
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:Mein Lied "Im Kampf", was klingt wie Ketten
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:des versklavten Christ und Yid.
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:In meinem Grab will ich auch hören,
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:mein freies Lied, mein Sturmeslied,
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:auch dort will ich Tränen vergießen,
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:für den versklavten Christ und Yid.
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:Und wenn ich die Schwerter klingen höre
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:im letzten Kampf voll Blut und Schmerz -
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:zum Volk will ich vom Grabe singen
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:und will begeistern ihr Herz!<ref>MXXXXXXXXXXXXXXX</ref>
  
 
==Werk==
 
==Werk==
  
===Einflüsse: Heine und Edelstadt===
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===Poetik===
Ein Freund aus Riga erklärte einmal wie Bovshover die deutsche Sprache erlernte (transkr.): „Nit lernendik keyn deytsh […] gekent oyzvendig zayn heyne“ <ref>Marmor, S. 10</ref>. Bovshover hat sich also nicht hingesetzt und Deutsch gelernt, sondern er hat Heinrich Heine auswendig gekonnt. Der große Einfluss Heines auf Bovshover, nicht nur auf dessen Spracherwerb, sondern auch auf dessen Poesie, ist an den Gedichten auf inhaltlicher und auf formaler Ebene nachvollziehbar. So in dem 36 Strophen á 4 Verse langen Gedicht ''Likht un shatten'', in dem sich das Ich in der zweiten Strophe an Heine erinnert, der dann plötzlich in Strophe sieben leibhaftig erscheint. Dann entfaltet sich bis zum Ende des Gedichts ein monologisches Sprechen von Heine, der Ereignisse nach seinem Tod kommentiert. In Strophe 19 reflektiert er beispielsweise den Skandal um die Errichtung des Denkmals zu seinem hundertsten Geburtstag (1897), das wegen einer antisemitischen Hetzkampagne gegen den jüdischen Dichter weder in Düsseldorf, Mainz oder Frankfurt, sondern in der amerikanischen Stadt New York, im Stadtteil Bronx errichtet wurde (transkr. u. übers.):
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===Einflüsse===
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==Antireligiöse Propaganda==
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==Journalistische Tätigkeiten==
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===Di vahrheyt===
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[[bild: di_varheyt.png|thumb|left|180px|Di varheyt]]
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''Di vahrheyt'', deren erste Ausgabe am 15. Februar 1889 erschien, war die erste jiddische Zeitung in den Vereinigten Staaten von Amerika, die von einer Arbeiterorganisation, den „Pionern der frayheyt“, herausgegeben wurde. Als Chefredakteur war ursprünglich der Vater der radikalen, politischen, jiddischen Dichtung Morris Winchevsky vorgesehen, als dies jedoch nicht klappte, übernahmen Joseph Jaffa (1853-1915), der Jiddisch Übersetzer von ''Die Gottespest'', ''Onkel Toms Hütte'' und ''Der Graf von Monte Christo'' das Amt. Zwei weitere Redaktionsmitglieder wurden ausgewählt: Hilel Zolotarov und David Edelstadt.
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Edelstadt hatte bis dahin nur russische Gedichte geschrieben. Die Mitarbeit in der Zeitung markiert Edelstadts Einstieg in die jiddische Literatur, denn er beginnt nun Gedichte in Jiddisch zu schreiben. Er beschreibt diesen Einstieg Jahre später so: „Für mich persönlich war das eine doppelte Herausforderung: Zusammen mit der ''Vahrheyt'' wurde auch meine jiddische Muse geboren, mein erstes jiddisches Gedicht. Als ich meine erste Begrüßung im Jargon für die ''Vahrheyt'' geschrieben habe, wusste ich noch nicht, dass meine russische Muse zu einer Jiddischen umgetauft wird und ich Israeliten zum Kampf aufrufen werde. Doch so bescherte es mir der Gott der Poesie, der golden gelockte Apollo, der, wie mir scheint, auch ein großer Antisemit sein muss, da er mir keine jiddische Muse gab.“ <ref>Marmor, S. 48</ref>48
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Edelstadts erstes Gedicht in Jiddisch ist ''Tsuruf tsur varheyt''. Es erscheint in der ersten Ausgabe der ''Vahrheyt'' am 15. Februar 1889. Da er noch keine Erfahrung mit jiddischer Dichtung hat, nimmt er Winchevskys ''Tsuruf tsum arbeter fraynd'' als Muster. Doch Edelstadt findet sich in der jiddischen Sprache gut zurecht und in seinem dritten Lied ''In kamf'' orientiert er sich formal an den russischen Liedern, die er bis dahin geschrieben hatte. Das Lied wird ein Erfolg. Ein Jahr später stellt Morris Rozenfeld, der erfolgreichste jiddische Arbeiterdichter jener Zeit, das Lied in eine Reihe mit Winchevskys ''Marselieze'' und bezeichnet beide Gedichte als proletarische Musterlieder. Rosenfeld bezieht sich auch intertextuell auf die beiden Gedichte:
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:Singt uns jetzt das Lied „Im Kampf“!
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:Donnern soll die „Marsellaise“! <ref>Marmor, S. 50</ref>
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Edelstadts Tätigkeit für ''Di vahrheyt'' beschränkte sich nicht nur auf Dichtung. Er erledigt anfallende redaktionelle Arbeiten und die Post. Als die Herausgabe des Blattes am 12. Juli 1889 eingestellt wird, zieht Edelstadt nach Cincinatti.
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===Di arbeter tsaytung===
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===Fraye arbeter shtime===
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[[bild: Freiearbeiterstimme.png|thumb|center|2000px|Fraye arbeyter shtime (alte Schreibweise)]]
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Die erste Ausgabe der ''Fraye arbeter shtime'' erschien am 4. Juli 1890. Erste organisatorische Schritte zur Veröffentlichung der FAS wurden am 12. Januar 1890 eingeleitet, als sich 200 Mitglieder der Internatsionale arbeter-federatsie trafen und beschlossen eine unparteiische Zeitung herauszugeben. Ursprünglich war der Name ''Der arbeter'' angedacht, doch drei Wochen später entschied man sich für den Namen ''Fraye arbeter shtime'' um die Unparteilichkeit der Zeitung hervorzuheben. Entsprechend dieses Grundsatzes wurde ein sozialdemokratischer und ein anarchistischer Redakteur benannt. Im Gegensatz zur sozialdemokratischen ''Arbeter tsaytung'' tendiert die FAS jedoch innerhalb kürzester Zeit zum anarchistischen Spektrum. Das Blatt hatte von Anfang an mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Schuld daran war vor allem der Erfolg anderer jiddischer Wochenzeitungen, dann war die jiddische Sprachkompetenz der frühen Schreiber eher begrenzt und die Hurra-revolutionäre Haltung der Anarchisten begeisterte nur wenige.
  
:Men hot tsu mayn ehre a denkmol gemakht,
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Am 25. Dezember kam es zur einer zweiten Konferenz. Edelstadt, der bis dahin regelmäßig Artikel und Gedichte beigesteuert hatte, wurde von der Redaktion dazu aufgefordert, teilzunehmen und dann bei der Neubesetzung der Redaktion, neben dem sozialdemokratischen Y. Aranovitsh, zum anarchistische Redakteur des Blattes ernannt. Entgegen seinen Überzeugungen - „Ikh ferkoyf nit meyn muze far gold!“<ref>Marmor, S. 90</ref> - stimmt er einer Bezahlung von 5 Dollar pro Woche zu, doch er bekommt sie höchstens alle drei Wochen ausgezahlt.
:di „loreley“ zitst oyf ihm oyben,
 
:zey vilen ihm aber in diseldorf nit
 
:mir dakht zikh, dos kumt durkh mayn gloyben. <ref>Bovshover, S. 69</ref>
 
  
:Man hat mir zu Ehren ein Denkmal gemacht,  
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Angesichts der redaktionellen Vorgaben nimmt Edelstadt gegenüber der Sozialdemokratie vorerst eine versöhnliche Haltung ein und ruft zur Geschlossenheit auf. Innerlich lehnt er diese Haltung jedoch ab; er vertritt sie als pflichtbewusster Delegierter der Herausgebergruppe. Seine theoretischen Artikel sind jedoch streng anarchistisch. Einer seiner ersten Texte trägt den Titel ''Radikale tetigkeyt''. Darin macht er aus dem bekannten Marx/Engels Zitat „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ den Satz „Proletarier aller Länder bewaffnet euch!“. In dem Artikel ''Anarkhizm un komunismuz'', der kurze Zeit später erscheint, lehnt er, im Gegensatz zu der Lehre von Marx, jede Staatsform ab und negiert ausdrücklich die revolutionäre Rolle des Staates in Händen des Proletariats. Die Beseitigung des Kapitalismus muss durch eine Revolution erfolgen, der Kapitalismus „wird seine geraubten Reichtümer nicht freiwillig, sondern nur durch einen blutigen Kampf hergeben“ <ref>Marmor, S. 93</ref>.  Der Streik scheint das geeignete Mittel für ihn zu sein -  vor allem der letzte große Streik, der Generalstreik und damit verbunden die soziale Revolution. In seinem Lied „Der letster shtreyk“ proklamiert er nicht „Brot oder Arbeit!“ sondern „Tot oder Freiheit!“ und:
:die Loreley sitzt auf ihm oben,
 
:sie wollen es aber in Düsseldorf nicht,
 
:ich denk mir, das kommt durch meinen Glauben.
 
  
David Edelstadt, der populärste anarchistische jiddische Dichter seiner Zeit, ist ein weiterer wichtiger Autor, ohne den die Dichtung von Bovshover nicht denkbar wäre. Gemeinsam begründen sie eine beachtenswerte anarchistische Tradition in der neuen jiddischen Literatur. Darin zählen beide zu einer größeren Gruppe an Lyrikerinnen und Lyrikern, die aufgrund ihrer sozialen und politischen Dichtung, sowie ihrer proletarischen Herkunft, als „sweatshop poets“ (dt.: Schwitzbuden-Dichter) angesprochen werden. Diese literarische Bewegung war aufgespalten in ideologische Lager, zuerst dem anarchistischen und sozialistischen, später auch dem sozialistisch-zionistischen Lager. Neben Freiheits- und Naturdichtung, verfassten sie vor allem soziale Gedichte. Die politische Lyrik von Edelstadt lässt sich als proletarisch-revolutionär klassifizieren, in denen anarchistische Positionen manchmal ganz offen zu Tage treten, wie in dem programmatischen Gedicht ''Anarkhie'' (Strophe 1, transkr. u. übers.):
+
:Für diesen großen allweltlichen Streik,
 +
:vereinigt euch Arbeitermassen -
 +
:wenn ihr gewinnt erst das Sklaven-Brot,
 +
:bleibt noch hungriger auf den Gassen!
  
:A velt ohn hershaft, ohn keyten, ohn trehren,  
+
Die redaktionellen Arbeiten erledigte Edelstadt sehr gewissenhaft. Er beschäftigte sich mit jedem eingehenden Text und wählte sie sorgfältig aus. In der Ausgabe vom 17. April beschreibt er seine Tätigkeit: "Es ist keine Kleinigkeit einen ganzen Stapel Artikel, eine ganze Wagenladung mit Gedichten und einen Berg von Gewerkschaftsnachrichten, Dankesbriefe und Beschwerdebriefe durchzulesen. Heute wieder Kopf zerbrechende, philosophische Fragen, wie z.b.: „Über uns sind die Wolken, über den Wolken ist der Himmel, was ist über dem Himmel?“<ref>Marmor, S. 104</ref>
:a velt fun liebe un harmonie,
 
:vu eynems glik vet dem zveytens nit shteren, -
 
:dos iz anarkhie! <ref>Edelshat, S. 142</ref>
 
  
:Eine Welt ohne Herrschaft, ohne Ketten, ohne Tränen,
+
Die Beschwerden stammen nicht selten von Anarchisten, die mit der unparteiischen Haltung der ''Fraye arbeter shtime'' unzufrieden sind und welche die Auffassung vertreten, dass der Kampf gegen die Sozialdemokratie und die ''Arbeter tsaytung'' in das Zentrum des Blattes gehört. Man beschimpft ihn als „Gentlemen“, als „poetischer Aristokrat“ und „weichherzigen Träumer“ <ref>Marmor, S. 104</ref>. Diese Beschwerden machen Edelstadt schwer zu schaffen, doch nicht nur das, er leidet unter Hunger und Kälte. Ab dem Herbst 1891 erscheinen keine Artikel mehr von ihm und wenig später auch keine Gedichte mehr. Am 23. Oktober erscheint ein Hilferuf für Edelstadt vom Verwalter der Zeitung Kopolev: „David Edelstadt hat alles gegeben – Zeit, Mühe, Gesundheit und Leben für die unterdrückten Arbeitermassen. Jetzt ist dieser Leib schwer verwundet. Er ist schwach, machtlos, im Ganzen zerbrochen. Er liegt und wartet auf sein trauriges Ende.“ <ref>Marmor, S. 148</ref>
:eine Welt voller Liebe und Harmonie,
 
:wo des Einen Glück wird des Zweiten nicht stören,
 
:das ist Anarchie.
 
  
Als Edelstadt am 17. Oktober 1892 an Schwindsucht starb, einer für die arbeitende Klasse damals typischen Krankheit, war Bovshover tief bewegt und schrieb noch am gleichen Tag die Elegie ''Tsum andenken fun david edelshtat''. Das Gedicht zeigt die enge Verbindung der beiden anarchistischen Dichter zueinander; es leitet die gesammelten Werke ''Edelstats folks-gedikhte'' ein (Strophe 27, 28 u. 29; transkr. u. übers.):
+
==Einige Gedichte==
 +
===Wir werden gehasst und vertrieben===
 +
:Wir werden gehasst und vertrieben,
 +
:wir werden geplagt und verfolgt,
 +
:und alles nur, denn wir lieben
 +
:das arme und leidende Volk.
  
:Edelstat! Du bizt geshtorben,
+
:Wir werden erschossen und gehenkt,
:fihlst nit mehr dem velten-shmerts,
+
:man raubt uns das Leben und Recht
:dokh dayn toyt hot fervundet
+
:und alles nur, denn wir fordern
:shreklikh, shreklikh mir mayn herts.
+
:die Freiheit für den armen Knecht.
  
:Bizt geshtorben, dokh ikh treyst zikh,
+
:Aber wir werden uns nicht fürchten
:veyl es lebt dayn groyser geyst,
+
:vor Gefängnissen und vor Tyrannei;
:ven ikh vel dayn lied nor zingen,
+
:wir werden die Menschheit erwecken;
:vet es zayn far mir a treyst.
+
:wir machen sie glücklich und frei.
 
:Un ikh veys, di tseyt vet kumen,
 
:mit dem frayheytsfulen glants,
 
:dan vet jeder eyner legen,
 
:oyf dayn grab a blumen.krants.  
 
  
:17ten oktober, 1892. <ref>Bovshover, S. 56</ref>
+
:Schmiedet uns in eiserne Ketten,
 +
:so blutig ihr uns auch reißt,
 +
:ihr mögt unsere Körper töten,
 +
:doch niemals unseren heiligen Geist.<ref>Basin, S. 36</ref>
  
  
:Edelstadt! Du bist gestorben,
+
===An einen Freund===
:fühlst nicht mehr den Weltenschmerz,
+
:Das Schiff läuft zwischen rauschenden Wellen;
:doch dein Tod, der hat verwundet,
+
:der Sturm wird stärker mit jeder Minute;
:schrecklich, schrecklich mir mein Herz.
+
:der Weg ist gefährlich... doch stark ist das Segel -
 +
:ehrlicher Schiffer, verlier nicht den Mut!
  
:Bist gestorben, doch ich tröst mich,
+
:Es werden als böser die kämpfenden Ströme:
:denn es lebt dein großer Geist,
+
:sie werfen das Schiff herauf und herab;
:wenn ich deine Lieder singe,
+
:etwas bewegt sich und hässliche Monster
:wird es für mich sein der Trost.
+
:stecken die Köpfe heraus aus dem Nass.
  
:Und ich weiß die Zeit wird kommen,
+
:Sie reißen auf ihre blutigen Mäuler,
:mit dem freiheitsvollen Glanz,
+
:doch schnell trägt der Sturm das Schiff weiter weg.
:dann wird jeder niederlegen,
+
:Es blitzt und es donnert, es spannt sich das Segel,
:auf deinem Grab einen Blumenkranz.  
+
:zwischen den Felsen liegt der schreckliche Weg.
  
:17ter Oktober, 1892.
+
:Siehst du von weitem die roten Signale?
+
:Bald kommt dir zu Hilfe die heilige Zeit!
 +
:Der Morgen geht auf – verlass nicht das Ruder!
 +
:Kämpf mit dem Sturm! Der Strand ist nicht weit. <ref>Basin, S. 36</ref>
  
===Rezeption===
 
  
==Stellung zum Judentum==
+
===Anarchie===
Eine Bezugnahme auf das Judentum findet bei Bovshover auf zwei verschiedenen Ebenen statt. Während sich Bovshover einerseits thematisch gegen organisierte Religionen wendet, verarbeitet er andererseits in seinen Texten biblische Motive und Themen.
+
:Eine Welt ohne Herrscher, ohne Ketten, ohne Tränen,  
 +
:eine Welt voller Liebe und Harmonie,
 +
:wo des einen Glück wird des Zweiten nicht stören;
 +
:das ist Anarchie!
  
Die antireligiösen Tendenzen bei Bovshover entsprechen einer gegen Ende des 19. Jahrhunderts typischen Haltung innerhalb der anarchistischen Bewegung. So veranstalteten jüdisch-anarchistische Aktivisten in New York antireligiöse Jom Kippur-Bälle. Am Tag der Versöhnung, an dem jüdische Gläubige fasten, beten und den sie der Vergänglichkeit des Lebens, der Buße und der Sündenvergebung weihen, veranstalteten atheistische Gruppen ein rauschendes säkulares Fest, um ihre Abkehr von Gott besonderen Ausdruck zu verleihen. Auf den Bällen sprachen beispielsweise Johann Most, Johanna Greie oder Shoel Yanovsky. Ab dem 20ten Jahrhundert überwog jedoch der Wille zur religiösen Toleranz und Integration innerhalb der jüdisch-anarchistischen Bewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika.
+
:Eine Welt in der niemand regiert
 +
:über des anderen Arbeit und Müh;
 +
:frei werden die Herzen und Seelen sein;
 +
:das ist Anarchie!
  
Mit Hinblick darauf muss Bovshover zum antireligiösen und atheistischen Flügel der libertären Bewegung des ausgehenden 19. Jahrhunderts gerechnet werden. Seine Negation ist mehrschichtig und besitzt persönliche und ideologische Komponenten. Mikhal Kohn verweist mehrfach auf die strenge religiöse Erziehung durch den Vater, woraus sich biographisch eine Verbindung von Bovshovers starker Abneigung gegen Religion ableiten ließe. Daneben stehen die ideologischen Komponenten seiner Verneinung jeder Religion und Gottes ganz im Einklang mit der grundsätzlichen libertären Forderung nach Gleichheit und Herrschaftslosigkeit. Der Glauben, so appelliert das Ich im Gedicht ''Tsum gloybigen'', steht allein im Dienst der Herrschaft, des Stricks und der Ketten. Das Gedicht ''Lebt in frieden'' zelebriert einen ganzen Kanon libertärer Ideale, darunter auch die drei Verse:
+
:Eine Welt in der Freiheit jeden beglückt,
 +
:den Schwachen und Starken, den Er und die Sie,  
 +
:deins und meins wird niemanden drücken;
 +
:das ist Anarchie!
  
:nit keyn got un nit keyn thron
+
:Eine Welt in der die Liebe nichts weiß,
:ja men darf keyn oybenon
+
:vom schändlichem Handel, frei wird
:un men darf keyn unten nit
+
:eine liebende Brust sie glücklich genießen;
 +
:das ist Anarchie!
  
:Keinen Gott und keinen Thron,
+
:Eine Welt wo Kirchen und Synagogen,  
:ja, es darf kein Oben
+
:verwandelt werden in Ställe fürs Vieh,  
:und es darf kein Unten geben.
+
:alle Galgen und Kerker werden zerschlagen;
 +
:das ist Anarchie!
  
Die antireligiösen Tendenzen dieser Dichtung zielen ebenso auf die Institutionen der Weltreligionen und deren Vertreter ab. In ''A monolog fun der dumhayt'' spricht das Ich als Dummheit über seine Geschäftigkeit für die christlichen Kirchen im Kopf des Proletariats. Dort erzeugt es einen schwarzen Schleier, den die verblendeten Gläubigen ausräumen müssen, um wieder klar zu sehen.
+
:Eine Welt wo der freie Geist aufbricht
 +
:den finsteren Turm der Theologie,  
 +
:vernichten die Ursache aller Verbrechen;
 +
:das ist Anarchie!
  
Auf der anderen Seite hat Bovshover das dramatische Gedicht ''Tsvey veltn'' entworfen, in dem sich Abraham und sein Vater Terach um die Darstellung Gottes streiten. Samuel Malts interpretiert in der Dezember Ausgabe der ''Fraye arbeter shtime'' 1973 das dramatische Gedicht als Suche des Dichters nach einem gerechten Glauben.<ref>Malts, S. 4</ref> Dieses Gedicht relativiert nicht nur Bovshovers scheinbar unnachgiebige Haltung gegenüber jeder Religion, es ist zugleich ein mögliches Relevanzkriterium, mit dessen Hilfe sich Bovshovers Lyrik der Gattung „Jüdische Lyrik“ zuordnen lässt. Bovshover ist eben nicht nur ein anarchistischer Dichter, sondern auch ein bemerkenswerte Gestalt in der jiddischen und der jüdischen Literatur.
+
:Eine Welt wo Gewehre, Kanonen und Kronen,  
<br>
+
:alle blutigen Zeichen der Monarchie,  
 +
:verlassen in Museen stehen;
 +
:das ist Anarchie!
  
==Gedichte==
+
:Eine Welt wo die Sonne erhebt,
 +
:die Kunst, die Wissenschaft und die Industrie,
 +
:eine Welt voller Wissen – nicht Glauben;
 +
:das ist Anarchie!
  
===März Gedanken===
+
:Geschätzt wird sein jedes menschliche Wesen,  
:Wenn ich so stehe am Meer bei Nacht,
+
:wie die ganze Menschheit, heilig wie sie,  
:in Weh versunken, stumm, betracht,
+
:Freiheit wird alles erquicken, erlösen;
:und hör die stillen Wellen rauschen,
+
:das ist Anarchie! <ref>Edelstadt, S. 142</ref>
:dann seuftz ich, wein und stöhne aus:
 
:So schläft die Freiheit auf der Welt,
 
:erstickt von Räubern, Knecht und Geld,
 
:so seufzt und stöhnt sie wie das Meer,
 
:voll tiefem Schmerz, voll Weh, voll Gram.
 
 
 
:Wenn ich  ein Rinnsal seh beim Meer klein,
 
:und neben ihm ein Felsenstein,
 
:der lässt es nicht ins Meer hinein,
 
:dann schrei ich aus mit Schmerz mit Pein:
 
:das Rinnsal, ach, bin ich, bin ich,
 
:zum Meer der Freiheit zieht es mich,
 
:doch Weh! Eine starke Wand verstellt den Weg,
 
:gebaut von unserer Herrscherwelt.
 
  
:Wenn ich den Donner sehe mit  wildem Krach,
+
==Gedichte über Edelstadt==
:zerspaltet den Stein und macht ihn flach,
+
Die folgende Liste enthält eine Auswahl an Gedichten, die anlässlich des Todes oder in Bezug auf David Edelstadt entstanden sind. Das bekannteste dürfte Bovhovers ''Tsum andenkung fun dovid edelshtat'' sein, dass sich am Anfang zahlreicher postumer Gedichtsammlungen Edelstadts findet. Einige Gedichte, wie die von Rosenfeld und Winchevsky, beziehen sich kritisch auf Edelstadt und entstanden aus einem ideologisch gesteuerten Streit um die richtige Poetik. Literaturhistorisch bemerkenswert sind sicherlich die Gedichte von Glatshteyn und Leyeles, zwei Vertreter der modernistischen Gruppe In zikh, denn während sie auf der einen Seite Edelstadt produktiv rezipieren, zeigen die Gedichte auf formaler Ebene den Bruch mit der literarischen Ästhetik für welche der anarchistische Arbeiterdichter steht.
:zerschneidet seine Härte, wie eine Säge,
 
:und macht dem Rinnsal frei den Weg,
 
:dann werde ich mutig, stark und dreist,
 
:sogleich wacht auf mein Freiheitsgeist,
 
:und tief begeistert ruf ich aus, schrei:
 
:Revolution! Du machst mich frei!
 
  
 +
*N. M. Babad: Tsum poet. Gevidmet d. edelshtat
 +
*N. M. Babad:         In Memoriam of D. Edelstadt
 +
*Moris Wintchevsky: Drey polemishe lider. Tsu dovid edelshtat
 +
*Moris Rosenfeld: Tsu meyne kritiker
 +
*Moris Hikvit: Oykh a vanderer
 +
*Josef Bovshover: Tsum andenkung fun dovid edelshtat. Geshribn in dem tog fun zayn toyt
 +
*S. Kohn: In shturem
 +
*Y. Zeylin: Di frayheyt un die velt. Tsum andenk fun d. edelshtat
 +
*Y. Zeylin: Tsum poet
 +
*Y.Sh.Prenovits: Tsum ershte yortseyt
 +
*Yitsok Reyngold: Troyer-lid
 +
*H. Leyvik: Di balade fun denver sanatorium
 +
*H. Leyvik: O, gute freynd
 +
*N.A. Sul: Foroys vi di fon hot geflatert deyn lid
 +
*Jakob Stodolski: Dovid edelshtat
 +
*Kalmon Heyzler:        Y. bovshover – dovid edelshtat
 +
*L. Feynberg: Di tsavoe fun a antoyshtn komunistn
 +
*A. Almi: Edelshtats letste minutn
 +
*Z. Veynper: Oyfn keyver fun dovid edelshtat
 +
*Yankev Glatshteyn: Mit frume hent
 +
*Yankev Glatshteyn: Dovid edelshtat
 +
*A. Leyeles: Dovid edelshtat
 +
*N. Gros: In oyfgang fun a neyes morgn
 +
*Jacob Isaac Sigal: Dovid edelshtat
  
+
===Kalmon Heyzler: Josef Bovshover – David Edelstadt===
===Lebt in Frieden===
 
  
:Frieden auf der ganzen Erde,
+
:In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
:Gleichheit für die ganze Welt !
+
:über Josef Bovshover und David Edelstadt.
:Freunde, lebt, wie euch gefällt,
+
:Josef Bovshover war ein Poet,
:ohne Schwindel, ohne Geld,
+
:David Edelstadt ein Feuerkomet,
:ohne Henker, ohne Schwert.
+
:der bloß alle hundert Jahr
:König, Bauer, Sklave, Knecht,
+
:wird ehrlich und wahr.
:jeder hat das gleiche Recht.
+
:Gleich einem Feuerschweif in der Nacht,
:Keinen Gott und keinen Thron,
+
:ruft er zum Kampf und ruft er zur Schlacht.
:ja, es darf kein Oben
 
:und es darf kein Unten geben.
 
:Was man darf, soll jeder tun,
 
:wie der Bauer so der König
 
:Welcher Mensch wär dann noch wenig?
 
  
==Mikhal Kohn über Josef Bovshover==
+
:In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
 +
:über Josef Bovshover und David Edelstadt.
 +
:So hat David Edelstadt mit seinen Gedanken
 +
:und Josef Bovshover mit seinem Gesang - 
 +
:angezündet die Welt von allen vier Seiten
 +
:angezündet ein Licht auf ewige Zeiten,
 +
:für die, die stolz zum Galgen gehen
 +
:mit dem Arbeiterschwur stolz auf den Lippen.
  
Die Seelen der wahren Poeten entsprechen besonders dem anarchistischen Ideal, schon allein deshalb, weil sie sich weniger als andere an die Vorstellungen eines äußeren Gesetzes und an befehlende Autorität anzupassen vermögen. Sie blicken hinweg über die künstlichen Grenzen, über welche der gewöhnliche „Spießbürger“ schreibend nie hinwegkommt. Der Geist eines Poeten lässt sich weder an die vergangenen Traditionen noch an die gegenwärtige Verlogenheit fesseln. Seine Augen sind die eines Propheten, eines Sehers, der mit seinem Adlerblick tief in die Zukunft schaut und die Unvermeidlichkeit einer idealen Gesellschaft vorhersagt, in der es weder Sklaven noch Herren geben wird. Durch die schwarzen Wolken der Gegenwart sehen sie den Regenbogen, der eines Morgens erstrahlt.<ref>Kohn, S. XV</ref>
+
:In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
 +
:über Josef Bovshover und David Edelstadt.
 +
:Das Blatt ist von Herzblut rot gefärbt
 +
:und prophetische Rede ist tief eingekerbt.
 +
:Es starren die Wörter und erzählen von weitem
 +
:die Nachricht von Regenbogenzeiten.
 +
:Wecken und trösten, trösten und wecken,
 +
:bis das Böse und Schlechte wird enden.
  
 +
===N. M. Babad: An den Poeten. Gewidmet David Edelstadt===
  
'''Autor: [[Benutzer:Marcel_G|Marcel Gruber]]'''
+
:Weine nicht, ich bitte dich, unglücklicher Bruder.
 +
:Wisch ab deine Tränen, vergiss deinen Schmerz.
 +
:Fühlst du, wie deine traurigen Lieder,
 +
:mir Stücke schneiden aus meinem Herz?
  
==Bibliographie==
+
:Oh, du hast auf deinem Weg viel gelitten,
 +
:schreckliches Unglück, viel Elend und Not.
 +
:Dich jagten und drückten die Parasiten;
 +
:du hast gekämpft auf Leben und Tot.
  
===Bibliographie der Einzelausgaben ===
+
:Ächzend, seufzend klingen die Saiten
 +
:auf deiner alten, zerbrochenen Fiedel.
 +
:Sie spielt uns Melodien – bitteren Jammer,
 +
:sie spielt uns ein jämmerlich, weinendes Lied.
  
*Bilder un gedanken. London: "Arbayter fraynd" drukeray, 1900
+
:Doch ich, ich bin jung und fang an zu leben.
*Poetishe Verke. London: Aroysgegeben fun der gruppe „Frayhayt“, 1903
+
:Ich will die lichte Seite der Welt sehen.
*Lieder un gedikhte. London: L. Fridman, 1907
+
:Mein Herz will vor allem hoffen und glauben.
*Bilder un gedanken. London: L. Fridman, 1907
+
:Lass mich, ich bitte dich, träumen vom Glück.
*Gezamelte shriften. Poezy un proza, New York: Fraye arbayter shtime,1911
 
*Geklibene lider. mit einem Vorwort von Sh. Agurski, Petrograd: Tsentraler yidisher komisaryat, 1918
 
*To the toilers and other verses. mit einer Danksagung von Benj. R. Tucker, New York: Oriole Press, 1928
 
*Lider. hrsg. von: I. Fefer und E. Fininberg, Kiev: Kultur-lige, 1930
 
*Geklibene lider. Yoysef Bovshover, Moskau/Minsk: Tsentraler felker-farlag fun F.S.S.R, Vaysrusishe optaylung,1931
 
*Lider un dertseylungen. Kiev: Melukhe-farlag far di natsyonale minderhaytn in USSR, 1939
 
  
===Übersetzungen von Bovshover===
+
:Hörst du, wie fröhlich die Vögel singen,
* Shakespeare, William: Shaylok, oder, Der koyfman fun venedik. übers. von Josef Bovshover, New York: Hibru pablishing kompani, 1899
+
:in rauschenden Wäldern, im blühenden Feld.
*Green Ingersol, Robert: Farbrekhens gegen farbrekher. übers. von Josef Bovshover, New York: Fraye publishing asosieyshon, 1903
+
:Siehst du wie Kinder tanzen und springen,
*Möglicherweise hat Bovshover auch ''Faust'' von Goethe ins Jiddische übersetzt.
+
:alles ist munter, freut sich und wächst.
  
===Anthologien===
+
:Sing mir, wie sie, von dem Frühling, dem süßen.
*Bassin, Morris (Hrsg.): Antologye. Finfhundert johr yidishe poezie, Bd. 2, 2. Aufl., New York: Dos bukh, 1917
+
:Vergesse den Winter – er ist noch ganz weit.
*N.B. Minkov (Hrsg.): Pionern fun yidisher poezie in amerike. Dos sotsiale lid, Bd. 1, New York: Grenich Printing Coorporation, 1956
+
:Ich will in dem Leben von allem genießen,
 +
:denn ich bin noch jung und ich hab noch Zeit.
  
===Biograpien===
+
==Bibliographie==
*Marmor, Kalmon: Yosef Bovshover. New York: The Kalmann Marmor Jubilee Commitee, 1952
 
  
 
==Quellen==
 
==Quellen==
*Bovshover, Josef: Gezamelte shriftn. Poezy und proza, New York: Fraye Arbayter Shtime, 1911
+
*Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der Juden. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990.
*Kohn, Mikhal: J. Bovshover. Zayn leben un zayn verk, in: Josef Bovshover: Gezamlte shriftn. Poezy und proza, New York: Fraye Arbeter Shtime, 1911, S. III – XXVII
+
*Basin, Morris: Antologye. Finf hundert yohr yidishe poezie. 2. Aufl. New York: Dos bukh, 1917.
*Malts, Samuel: Der troymerisher kemper-poet, in: Fraye arbeter shtime. Vol.3008 (Dezember 1973), New York: Free Voice of Labour Association, 1973.  
+
*Bialostotzky, B.J.: Dovid edelshtat gedenk bukh. New York: The Edelstat-Memorial-Committees, 1953.
*Marmor, Kalmon: Yosef Bovshover. New York: The Kalmann Marmor Jubilee Commitee, 1952
+
*Edelstadt, David: Edelshtat's folks-gedikhte. Naye folshtendige oysgabe fun alle zayne lieder, New York: Hebrew Publishing Company, 1907.
*Michels, Tony: A Fire in their Hearts. Yiddish Socialists in New York, Harvard: UP, 2005
+
*Marmor, Kalmon: Dovid Edelshtat. New York: Yidisher Kultur-Farband YKUF, 1950.
  
 
== Themenverwandte Beiträge im Lexikon der Anarchie ==
 
== Themenverwandte Beiträge im Lexikon der Anarchie ==
 
* [[Judentum und Anarchismus]]
 
* [[Judentum und Anarchismus]]
 +
* [[Josef Bovshover]]
  
 
== Weblinks ==
 
== Weblinks ==
 
*[http://www.yivo.org Bibliothek des YIVO Institute for Jewish Research]
 
*[http://www.yivo.org Bibliothek des YIVO Institute for Jewish Research]
 
*[http://www.archive.org/details/nationalyiddishbookcenter National Yiddish Book Center]
 
*[http://www.archive.org/details/nationalyiddishbookcenter National Yiddish Book Center]
 +
*[http://archives.savethemusic.com/bin/archives.cgi?q=songs&search=composer&id=David+Edelshtat Musik auf archive.org]
  
 
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==Anmerkungen==
 
==Anmerkungen==
 
<references/>
 
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'''Autor: [[Benutzer:Marcel_G|Marcel Gruber]]'''
 
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'''[[Portal Personen|Lexikon der Anarchie: Personen]]'''
 
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Aktuelle Version vom 20. März 2015, 20:13 Uhr

Lexikon der Anarchie: Personen | Ja In Arbeit


David Edelstadt (Jiddisch: דוד עדעלשטאַט, transkr.: Dovid edelshtat; geb. 21. Mai 1866 in Kaluga; gest. 17. Oktober 1892 in Denver); Jiddischer Dichter und Journalist.

David Edelstadt (1866-1892)


Leben

Frühe Kindheit

Edelstadts Eltern

Die Eltern Edelstadts, Moisei Ivanovitch und Katerina Fiodorovna, lebten in der russischen Stadt Kaluga, rund 170 von Moskau entfernt. Unter den 39.000 Einwohnern befanden sich nur wenige hundert Juden, denn seit einem Erlass Katarina II. im Jahr 1791 existierten Ansiedlungsbezirke im europäischen Teil Russlands, die speziell für die jüdischen Bevölkerung geschaffen worden waren und in denen, trotz sukzessiver Rücknahme dieser Siedlungsbestimmungen unter Alexander II., noch immer die meisten Juden lebten.

Moisei Ivanovitch war ein Kantonist oder, wie man es heute ausdrücken würde, ein Kindersoldat. Entsprechend der von Nikolei I. erlassenen Kantonistendekrete wurde Ivanovitch bereits im Kindesalter zur Armee eingezogen und musste dann einen Wehrdienst von 25 Jahren ableisten. Dies berechtigte ihn schätzungsweise auch zur Niederlassung in Kaluga, wo er nach dem Militärdienst zuerst als Polizist und dann in einem Sägewerk arbeitete. Die Mutter Edelstadts, Katerina Fiodorovna, ernährte insgesamt sieben Kinder. Da in Kaluga nur die Sprösslinge wohlhabender Eltern das Gymnasium oder die Realschule besuchten und es für die Kinder niederer Klassen lediglich einige Grundschulen gab, wurde Edelstadt zusätzlich durch Privatlehrer in Russisch und Hebräisch unterrichtet. In dem Gedicht Familien-portret, geschrieben um 1885, beschreibt Edelstadt seine Eltern:

Hier ist die Mutter, die Leidende und Gute –
ich erinnere mich an deine Gestalt:
dein klarer Kopf, die Liebe deine,
umflochten voller Sorge und Leid.

[…]

Und du mein Vater, in Gedanken verloren,
grau und getreu,
atmest von deinem Bild voll Zärtlichkeit,
voll ehrlichem Patriarchat. [1]

In Kaluga beginnt Edelstadt auch seine Laufbahn als Dichter: "Ich war damals 15 Jahre alt und wohnte bei meinen Eltern in der Stadt Kaluga. Schon damals nannten mich meine Freunde und Bekannte „Poet“. Ich schrieb russische Gedichte. Meine Leidenschaft für Poesie, insbesondere für die russischen Dichter Nikitin und Nekrassow, wurde schon früh in meinem Herzen entfacht. Ich verbrachte viele Tage und Nächte über ihren meisterhaften Schilderungen über das Leiden und die Sorgen des russischen Volkes."[2]

Von Kiew nach Amerika

Als Jugendlicher geht Edelstadt nach Kiew, wo er in der Schusterei eines seiner älteren Brüder arbeitet. Es ist eine Zeit in welcher die zaristische Regierung die revolutionäre Bewegung bekämpft indem sie chauvinistische und antisemitische Einstellungen fördert. Am 8. Mai 1881 organisieren Regierungsstellen ein antijüdisches Pogrom in Kiew, das der junge Edelstadt miterlebt. Er wird daraufhin krank und muss in einem Spital behandelt werden. Die antisemitische Stimmung in Land nimmt in den Folgejahren zu. Die Stürme des Südens, wie die Pogrome in Kiew und Odessa später von jüdischen Autoren genannt werden sollten, veranlassten eine Auswanderungswelle unter der jüdischen Bevölkerung Russlands. Auch Edelstadt gehört dazu. Er schließt sich einer Studentengruppe an, die plant eine landwirtschaftliche Kolonie auf Basis des Kommunismus zu gründen und er will seinen Brüdern nahe sein, von denen bereits zwei in Vereinigten Staaten von Amerika leben.

Am 30. Mai 1882 erreicht Edelstadt Philadelphia. Noch am gleichen Tag reist die Gruppe nach New York und nachdem sie am Bahnhof ausgestiegen sind, stellen sie sich in einer Reihe auf und singen revolutionäre Lieder. Es ist der Memory Day, an dem die amerikanische Bevölkerung ihren Gefallenen gedenkt und Umzüge abgehalten werden. Zuerst glauben die Neuankömmlinge, man hätte ihre Ankunft zum Anlass genommen eine Parade zu veranstalten, doch als sie von einheimischen Kindern mit Steinen beworfen werden, klärt sich dieses Missverständnis auf.

Cincinnati

Edelstadt bleibt nicht lange in New York. Er trennt sich von der Siedlergruppe und fährt zu seinen Brüdern nach Cincinnati. Dort erlernt er die Arbeit an einer Knopflochmaschine und gerät in das berüchtigte Sweatshop-System. Einer seiner Brüder, der eine gut bezahlte Stelle als Buchmacher hat, unterstützt ihn finanziell, denn Edelstadts normales Gehalt reicht zum Leben nicht aus. In Cincinatti macht Edelstadt die Bekanntschaft mit einer Reihe russischen Schneider. Unter ihnen befinden sich Radikale verschiedener ideologischer Richtungen, darunter Hilel Zolotarov (1865-1921), den späteren Mediziner und Theoretiker des nationalistischen Anarchismus. Noch sind die Arbeitsverhältnisse in diesen Kreisen kein besonderes Thema. Man streitet sich vor allem um Fragen der russischen, revolutionären Literatur und Bewegung.

Die Hinrichtung der Haymarket Märtyrer und der Kampf um den acht Stunden Arbeitstag katalysieren die radikalen Impulse innerhalb der jüdischen Arbeiterbewegung in Amerika und auch Edelstadt wird vom Kampf der amerikanischen Arbeitermassen und den Ereignisse in Chicago erfasst. Seine ideologischen Präferenzen ändern sich. Zuvor hatte er sich unter dem Einfluss seiner russischen Freunde in Cincinnati zum Folkisten entwickelt, der an die allgemein menschliche Gerechtigkeit und das allgemeine menschliche Gewissen glaubt. Die Hinrichtung der Haymarket Märtyrer treibt den 21 jährigen Edelstadt allerdings zur Verzweiflung, denn ein Großteil der amerikanischen Bevölkerung begrüßt die Todesstrafe gegen die unschuldig Angeklagten, obwohl sie, in den Augen Edelstadts, lediglich für eine gerechte Sache kämpften. Mit Freunden gründet Edelstadt eine Gewerkschaft für Knopflocharbeiter, wofür er entlassen wird und als er sich für die inhaftierten Arbeiterführer in Chicago einsetzt, verhaftet man ihn. Die folgende Arbeitslosigkeit ist für Edelstadt sehr schwer, denn er ist erneut auf die Hilfe seiner Brüder angewiesen. Langsam verschwindet sein Traum vom besseren Leben in den Vereinigten Staaten und da er ein Cincinatti keine Anstellung findet, zieht er nach New York.

New York

Im November 1888 erreicht Edelstadt New York, wo zu jener Zeit eine Vielzahl politischer und ökonomischer Kämpfe toben. Einen Monat zuvor hatten sich die jüdischen Gewerkschaften in den „Fareynigte yidishe geverkshaftn“ zusammengeschlossen und somit an Schlagkraft gewonnen. Der Streit zwischen Sozialdemokraten und Anarchisten nimmt in jener Zeit zu und es beginnen die scharfe Debatten zwischen beiden ideologischen Gruppierungen. Edelstadt schließt sich der anarchistischen Gruppe Pionern der frayheyt an, zu denen auch der bekannte jiddische Dichter Morris Rosenfeld (1862-1932) gehört.

Die Pionern der frayheyt, gegründet am 6. Oktober 1886, waren die erste jiddisch sprechende, anarchistische Gruppe in den Vereinigten Staaten von Amerika. Wenige Jahre nach ihrer Gründung, Anfang der 1890er, existierten bereits Ortsgruppen in mehr als sechs Großstädten. Neben Edelstadt und Rosenfeld gehören Emma Goldmann (1869-1940) und Saul Yanovsky (1864-1939) zu den prominenten Mitgliedern der Gruppe.

Edelstadt ist begeistert von New York. In einem Brief vom 11. November schreibt er: „In New York lebt es sich merkwürdig schnell. [...] An einem Tag in New York kann man so viel erleben, wie in fünf Jahren in der ruhigen, friedlichen Stadt Cincinnati.“[3] In New York fühlt er „neues Leben, neue Kraft, die Lehre der Wahrheit, Selbstbildung und ein energisches Streben zum Licht“ - „besonders in jüdischen Kreisen.“ Edelstadt hört den sozialdemokratischen Redner Sergei Shevitch (1847-1911) und ist zu Tränen gerührt. Der Enthusiasmus der Masse gibt ihm das Gefühl „dass der Sozialismus kein Traum ist, keine Illusion, sondern die reale Zukunft des Volkes“[4] Doch von der Begeisterung alleine kann Edelstadt nicht leben. Er findet keine Arbeit und durchlebt schwere Zeiten. In seinem Lid fun a proletarier dichtet er zu jener Zeit:

Hast du keine Arbeit – schlecht!
Es erstickt dich die Not.
Hast du Arbeit – schlecht,
denn sie ist schwer wie der Tot. [5]

Die Not und Arbeitslosigkeit veranlassen Edelstadt zur Introspektion: Wofür bin ich auf der Welt, fragt er sich. Es ist „eine sehr schwere Frage mit einem Bart [...] Für einen Arbeiter ist sie schwer zu beantworten, doch noch schwerer ist es nicht zu verstehen für was, warum oder für wen man lebt.“ [6] In einem zweiten Lied, Fartseykhnungen fun a proletarier, schreibt er:

Ich bin nicht geboren für süße Arien,
für Rosen-Liebe oder für Glück.
Ich bin auch kein Dichter, sondern Proletarier,
ein Kind des Kampfes und der Fabrik. [7]

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Eine der Ursachen für Edelstadts Krankheit war ein Besuch bei Johann Most, den man auf Blackwell Island inhaftiert hatte. Auf dem offenen Schiff, windig und naß, erkältete sich Edelstadt so stark, dass er in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste. Dort wird ihm Tuberkolose attestierte. Er wird nach Denver im Bundeststaat Kolorado gebracht, wo das Klima für Lungenkranke besser ist als in New York. Von dort schreibt er noch etliche Texte, die in der Fraye arbeter shtime veröffentlicht werden, bis die Herausgabe des Blattes im Juni 1892 für einen gewissen Zeitraum eingestellt wird.

Die letzten Tage

Foto: John J. Altman

Die Bergluft Kolorados tut dem lungenkranken Edelstadt nicht in dem Maße gut, wie er und seine Freunde hoffen. Am 25. Dezember 1891 schreibt er in einem Brief an H. Veynberg: „um meine Gesundheit steht es immer noch nicht zum Besten.“ Er „hustet und fühlt sich schwach.“ Zwei Monate später, am 20. Februar 1892, schreibt er dem gleichen Veynberg: „Ich habe ihnen bis jetzt nicht geschrieben, denn ich habe mich gesundheitlich sehr schlimm gefühlt. Doch jetzt fühle ich mich etwas besser und hoffe auf den Frühling und dass ich mich im Sommer von meiner Krankheit erhole.“ Auch um Edelstadts materielle Lage steht es nicht gut, jedoch nicht so schlecht „wie bei jenen Tausend, die kein Brot und kein Fleisch haben.“ Und am meisten plagt ihn in jener Zeit „das Leben ohne Tätigkeit, ohne Freunde, weit ab der lebendigen Welt.“


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Nach seinem Tod wird Edelstadt in einem Massengrab für Pauper auf dem Riverside Friedhof beerdigt. Später bringt man ihn auf den Golden Hill Friedhof, wo der Workmen's Circle einen Grabstein stiftet. Darauf stehen, unter dem Bild und seinem Namen, die Verse des Gedichts Meyn tsvah (dt.: Mein letzter Wille).

Oh guter Freund! Wenn ich sterben werde,
tragt zu meinem Grab unsere Fahne -
die freie Fahne mit roter Farbe,
bespritzt mit Blut vom Arbeitsmann.
Und dort, unter dem roten Banner,
singt mir mein Lied, mein Freiheitslied!
Mein Lied "Im Kampf", was klingt wie Ketten
des versklavten Christ und Yid.
In meinem Grab will ich auch hören,
mein freies Lied, mein Sturmeslied,
auch dort will ich Tränen vergießen,
für den versklavten Christ und Yid.
Und wenn ich die Schwerter klingen höre
im letzten Kampf voll Blut und Schmerz -
zum Volk will ich vom Grabe singen
und will begeistern ihr Herz![8]

Werk

Poetik

Einflüsse

Antireligiöse Propaganda

Journalistische Tätigkeiten

Di vahrheyt

Di varheyt

Di vahrheyt, deren erste Ausgabe am 15. Februar 1889 erschien, war die erste jiddische Zeitung in den Vereinigten Staaten von Amerika, die von einer Arbeiterorganisation, den „Pionern der frayheyt“, herausgegeben wurde. Als Chefredakteur war ursprünglich der Vater der radikalen, politischen, jiddischen Dichtung Morris Winchevsky vorgesehen, als dies jedoch nicht klappte, übernahmen Joseph Jaffa (1853-1915), der Jiddisch Übersetzer von Die Gottespest, Onkel Toms Hütte und Der Graf von Monte Christo das Amt. Zwei weitere Redaktionsmitglieder wurden ausgewählt: Hilel Zolotarov und David Edelstadt.

Edelstadt hatte bis dahin nur russische Gedichte geschrieben. Die Mitarbeit in der Zeitung markiert Edelstadts Einstieg in die jiddische Literatur, denn er beginnt nun Gedichte in Jiddisch zu schreiben. Er beschreibt diesen Einstieg Jahre später so: „Für mich persönlich war das eine doppelte Herausforderung: Zusammen mit der Vahrheyt wurde auch meine jiddische Muse geboren, mein erstes jiddisches Gedicht. Als ich meine erste Begrüßung im Jargon für die Vahrheyt geschrieben habe, wusste ich noch nicht, dass meine russische Muse zu einer Jiddischen umgetauft wird und ich Israeliten zum Kampf aufrufen werde. Doch so bescherte es mir der Gott der Poesie, der golden gelockte Apollo, der, wie mir scheint, auch ein großer Antisemit sein muss, da er mir keine jiddische Muse gab.“ [9]48

Edelstadts erstes Gedicht in Jiddisch ist Tsuruf tsur varheyt. Es erscheint in der ersten Ausgabe der Vahrheyt am 15. Februar 1889. Da er noch keine Erfahrung mit jiddischer Dichtung hat, nimmt er Winchevskys Tsuruf tsum arbeter fraynd als Muster. Doch Edelstadt findet sich in der jiddischen Sprache gut zurecht und in seinem dritten Lied In kamf orientiert er sich formal an den russischen Liedern, die er bis dahin geschrieben hatte. Das Lied wird ein Erfolg. Ein Jahr später stellt Morris Rozenfeld, der erfolgreichste jiddische Arbeiterdichter jener Zeit, das Lied in eine Reihe mit Winchevskys Marselieze und bezeichnet beide Gedichte als proletarische Musterlieder. Rosenfeld bezieht sich auch intertextuell auf die beiden Gedichte:

Singt uns jetzt das Lied „Im Kampf“!
Donnern soll die „Marsellaise“! [10]

Edelstadts Tätigkeit für Di vahrheyt beschränkte sich nicht nur auf Dichtung. Er erledigt anfallende redaktionelle Arbeiten und die Post. Als die Herausgabe des Blattes am 12. Juli 1889 eingestellt wird, zieht Edelstadt nach Cincinatti.

Di arbeter tsaytung

Fraye arbeter shtime

Fraye arbeyter shtime (alte Schreibweise)

Die erste Ausgabe der Fraye arbeter shtime erschien am 4. Juli 1890. Erste organisatorische Schritte zur Veröffentlichung der FAS wurden am 12. Januar 1890 eingeleitet, als sich 200 Mitglieder der Internatsionale arbeter-federatsie trafen und beschlossen eine unparteiische Zeitung herauszugeben. Ursprünglich war der Name Der arbeter angedacht, doch drei Wochen später entschied man sich für den Namen Fraye arbeter shtime um die Unparteilichkeit der Zeitung hervorzuheben. Entsprechend dieses Grundsatzes wurde ein sozialdemokratischer und ein anarchistischer Redakteur benannt. Im Gegensatz zur sozialdemokratischen Arbeter tsaytung tendiert die FAS jedoch innerhalb kürzester Zeit zum anarchistischen Spektrum. Das Blatt hatte von Anfang an mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Schuld daran war vor allem der Erfolg anderer jiddischer Wochenzeitungen, dann war die jiddische Sprachkompetenz der frühen Schreiber eher begrenzt und die Hurra-revolutionäre Haltung der Anarchisten begeisterte nur wenige.

Am 25. Dezember kam es zur einer zweiten Konferenz. Edelstadt, der bis dahin regelmäßig Artikel und Gedichte beigesteuert hatte, wurde von der Redaktion dazu aufgefordert, teilzunehmen und dann bei der Neubesetzung der Redaktion, neben dem sozialdemokratischen Y. Aranovitsh, zum anarchistische Redakteur des Blattes ernannt. Entgegen seinen Überzeugungen - „Ikh ferkoyf nit meyn muze far gold!“[11] - stimmt er einer Bezahlung von 5 Dollar pro Woche zu, doch er bekommt sie höchstens alle drei Wochen ausgezahlt.

Angesichts der redaktionellen Vorgaben nimmt Edelstadt gegenüber der Sozialdemokratie vorerst eine versöhnliche Haltung ein und ruft zur Geschlossenheit auf. Innerlich lehnt er diese Haltung jedoch ab; er vertritt sie als pflichtbewusster Delegierter der Herausgebergruppe. Seine theoretischen Artikel sind jedoch streng anarchistisch. Einer seiner ersten Texte trägt den Titel Radikale tetigkeyt. Darin macht er aus dem bekannten Marx/Engels Zitat „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“ den Satz „Proletarier aller Länder bewaffnet euch!“. In dem Artikel Anarkhizm un komunismuz, der kurze Zeit später erscheint, lehnt er, im Gegensatz zu der Lehre von Marx, jede Staatsform ab und negiert ausdrücklich die revolutionäre Rolle des Staates in Händen des Proletariats. Die Beseitigung des Kapitalismus muss durch eine Revolution erfolgen, der Kapitalismus „wird seine geraubten Reichtümer nicht freiwillig, sondern nur durch einen blutigen Kampf hergeben“ [12]. Der Streik scheint das geeignete Mittel für ihn zu sein - vor allem der letzte große Streik, der Generalstreik und damit verbunden die soziale Revolution. In seinem Lied „Der letster shtreyk“ proklamiert er nicht „Brot oder Arbeit!“ sondern „Tot oder Freiheit!“ und:

Für diesen großen allweltlichen Streik,
vereinigt euch Arbeitermassen -
wenn ihr gewinnt erst das Sklaven-Brot,
bleibt noch hungriger auf den Gassen!

Die redaktionellen Arbeiten erledigte Edelstadt sehr gewissenhaft. Er beschäftigte sich mit jedem eingehenden Text und wählte sie sorgfältig aus. In der Ausgabe vom 17. April beschreibt er seine Tätigkeit: "Es ist keine Kleinigkeit einen ganzen Stapel Artikel, eine ganze Wagenladung mit Gedichten und einen Berg von Gewerkschaftsnachrichten, Dankesbriefe und Beschwerdebriefe durchzulesen. Heute wieder Kopf zerbrechende, philosophische Fragen, wie z.b.: „Über uns sind die Wolken, über den Wolken ist der Himmel, was ist über dem Himmel?“[13]

Die Beschwerden stammen nicht selten von Anarchisten, die mit der unparteiischen Haltung der Fraye arbeter shtime unzufrieden sind und welche die Auffassung vertreten, dass der Kampf gegen die Sozialdemokratie und die Arbeter tsaytung in das Zentrum des Blattes gehört. Man beschimpft ihn als „Gentlemen“, als „poetischer Aristokrat“ und „weichherzigen Träumer“ [14]. Diese Beschwerden machen Edelstadt schwer zu schaffen, doch nicht nur das, er leidet unter Hunger und Kälte. Ab dem Herbst 1891 erscheinen keine Artikel mehr von ihm und wenig später auch keine Gedichte mehr. Am 23. Oktober erscheint ein Hilferuf für Edelstadt vom Verwalter der Zeitung Kopolev: „David Edelstadt hat alles gegeben – Zeit, Mühe, Gesundheit und Leben für die unterdrückten Arbeitermassen. Jetzt ist dieser Leib schwer verwundet. Er ist schwach, machtlos, im Ganzen zerbrochen. Er liegt und wartet auf sein trauriges Ende.“ [15]

Einige Gedichte

Wir werden gehasst und vertrieben

Wir werden gehasst und vertrieben,
wir werden geplagt und verfolgt,
und alles nur, denn wir lieben
das arme und leidende Volk.
Wir werden erschossen und gehenkt,
man raubt uns das Leben und Recht
und alles nur, denn wir fordern
die Freiheit für den armen Knecht.
Aber wir werden uns nicht fürchten
vor Gefängnissen und vor Tyrannei;
wir werden die Menschheit erwecken;
wir machen sie glücklich und frei.
Schmiedet uns in eiserne Ketten,
so blutig ihr uns auch reißt,
ihr mögt unsere Körper töten,
doch niemals unseren heiligen Geist.[16]


An einen Freund

Das Schiff läuft zwischen rauschenden Wellen;
der Sturm wird stärker mit jeder Minute;
der Weg ist gefährlich... doch stark ist das Segel -
ehrlicher Schiffer, verlier nicht den Mut!
Es werden als böser die kämpfenden Ströme:
sie werfen das Schiff herauf und herab;
etwas bewegt sich und hässliche Monster
stecken die Köpfe heraus aus dem Nass.
Sie reißen auf ihre blutigen Mäuler,
doch schnell trägt der Sturm das Schiff weiter weg.
Es blitzt und es donnert, es spannt sich das Segel,
zwischen den Felsen liegt der schreckliche Weg.
Siehst du von weitem die roten Signale?
Bald kommt dir zu Hilfe die heilige Zeit!
Der Morgen geht auf – verlass nicht das Ruder!
Kämpf mit dem Sturm! Der Strand ist nicht weit. [17]


Anarchie

Eine Welt ohne Herrscher, ohne Ketten, ohne Tränen,
eine Welt voller Liebe und Harmonie,
wo des einen Glück wird des Zweiten nicht stören;
das ist Anarchie!
Eine Welt in der niemand regiert
über des anderen Arbeit und Müh;
frei werden die Herzen und Seelen sein;
das ist Anarchie!
Eine Welt in der Freiheit jeden beglückt,
den Schwachen und Starken, den Er und die Sie,
deins und meins wird niemanden drücken;
das ist Anarchie!
Eine Welt in der die Liebe nichts weiß,
vom schändlichem Handel, frei wird
eine liebende Brust sie glücklich genießen;
das ist Anarchie!
Eine Welt wo Kirchen und Synagogen,
verwandelt werden in Ställe fürs Vieh,
alle Galgen und Kerker werden zerschlagen;
das ist Anarchie!
Eine Welt wo der freie Geist aufbricht
den finsteren Turm der Theologie,
vernichten die Ursache aller Verbrechen;
das ist Anarchie!
Eine Welt wo Gewehre, Kanonen und Kronen,
alle blutigen Zeichen der Monarchie,
verlassen in Museen stehen;
das ist Anarchie!
Eine Welt wo die Sonne erhebt,
die Kunst, die Wissenschaft und die Industrie,
eine Welt voller Wissen – nicht Glauben;
das ist Anarchie!
Geschätzt wird sein jedes menschliche Wesen,
wie die ganze Menschheit, heilig wie sie,
Freiheit wird alles erquicken, erlösen;
das ist Anarchie! [18]

Gedichte über Edelstadt

Die folgende Liste enthält eine Auswahl an Gedichten, die anlässlich des Todes oder in Bezug auf David Edelstadt entstanden sind. Das bekannteste dürfte Bovhovers Tsum andenkung fun dovid edelshtat sein, dass sich am Anfang zahlreicher postumer Gedichtsammlungen Edelstadts findet. Einige Gedichte, wie die von Rosenfeld und Winchevsky, beziehen sich kritisch auf Edelstadt und entstanden aus einem ideologisch gesteuerten Streit um die richtige Poetik. Literaturhistorisch bemerkenswert sind sicherlich die Gedichte von Glatshteyn und Leyeles, zwei Vertreter der modernistischen Gruppe In zikh, denn während sie auf der einen Seite Edelstadt produktiv rezipieren, zeigen die Gedichte auf formaler Ebene den Bruch mit der literarischen Ästhetik für welche der anarchistische Arbeiterdichter steht.

  • N. M. Babad: Tsum poet. Gevidmet d. edelshtat
  • N. M. Babad: In Memoriam of D. Edelstadt
  • Moris Wintchevsky: Drey polemishe lider. Tsu dovid edelshtat
  • Moris Rosenfeld: Tsu meyne kritiker
  • Moris Hikvit: Oykh a vanderer
  • Josef Bovshover: Tsum andenkung fun dovid edelshtat. Geshribn in dem tog fun zayn toyt
  • S. Kohn: In shturem
  • Y. Zeylin: Di frayheyt un die velt. Tsum andenk fun d. edelshtat
  • Y. Zeylin: Tsum poet
  • Y.Sh.Prenovits: Tsum ershte yortseyt
  • Yitsok Reyngold: Troyer-lid
  • H. Leyvik: Di balade fun denver sanatorium
  • H. Leyvik: O, gute freynd
  • N.A. Sul: Foroys vi di fon hot geflatert deyn lid
  • Jakob Stodolski: Dovid edelshtat
  • Kalmon Heyzler: Y. bovshover – dovid edelshtat
  • L. Feynberg: Di tsavoe fun a antoyshtn komunistn
  • A. Almi: Edelshtats letste minutn
  • Z. Veynper: Oyfn keyver fun dovid edelshtat
  • Yankev Glatshteyn: Mit frume hent
  • Yankev Glatshteyn: Dovid edelshtat
  • A. Leyeles: Dovid edelshtat
  • N. Gros: In oyfgang fun a neyes morgn
  • Jacob Isaac Sigal: Dovid edelshtat

Kalmon Heyzler: Josef Bovshover – David Edelstadt

In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
über Josef Bovshover und David Edelstadt.
Josef Bovshover war ein Poet,
David Edelstadt ein Feuerkomet,
der bloß alle hundert Jahr
wird ehrlich und wahr.
Gleich einem Feuerschweif in der Nacht,
ruft er zum Kampf und ruft er zur Schlacht.
In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
über Josef Bovshover und David Edelstadt.
So hat David Edelstadt mit seinen Gedanken
und Josef Bovshover mit seinem Gesang -
angezündet die Welt von allen vier Seiten
angezündet ein Licht auf ewige Zeiten,
für die, die stolz zum Galgen gehen
mit dem Arbeiterschwur stolz auf den Lippen.
In der Geschichte steht geschrieben ein Blatt
über Josef Bovshover und David Edelstadt.
Das Blatt ist von Herzblut rot gefärbt
und prophetische Rede ist tief eingekerbt.
Es starren die Wörter und erzählen von weitem
die Nachricht von Regenbogenzeiten.
Wecken und trösten, trösten und wecken,
bis das Böse und Schlechte wird enden.

N. M. Babad: An den Poeten. Gewidmet David Edelstadt

Weine nicht, ich bitte dich, unglücklicher Bruder.
Wisch ab deine Tränen, vergiss deinen Schmerz.
Fühlst du, wie deine traurigen Lieder,
mir Stücke schneiden aus meinem Herz?
Oh, du hast auf deinem Weg viel gelitten,
schreckliches Unglück, viel Elend und Not.
Dich jagten und drückten die Parasiten;
du hast gekämpft auf Leben und Tot.
Ächzend, seufzend klingen die Saiten
auf deiner alten, zerbrochenen Fiedel.
Sie spielt uns Melodien – bitteren Jammer,
sie spielt uns ein jämmerlich, weinendes Lied.
Doch ich, ich bin jung und fang an zu leben.
Ich will die lichte Seite der Welt sehen.
Mein Herz will vor allem hoffen und glauben.
Lass mich, ich bitte dich, träumen vom Glück.
Hörst du, wie fröhlich die Vögel singen,
in rauschenden Wäldern, im blühenden Feld.
Siehst du wie Kinder tanzen und springen,
alles ist munter, freut sich und wächst.
Sing mir, wie sie, von dem Frühling, dem süßen.
Vergesse den Winter – er ist noch ganz weit.
Ich will in dem Leben von allem genießen,
denn ich bin noch jung und ich hab noch Zeit.

Bibliographie

Quellen

  • Battenberg, Friedrich: Das Europäische Zeitalter der Juden. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1990.
  • Basin, Morris: Antologye. Finf hundert yohr yidishe poezie. 2. Aufl. New York: Dos bukh, 1917.
  • Bialostotzky, B.J.: Dovid edelshtat gedenk bukh. New York: The Edelstat-Memorial-Committees, 1953.
  • Edelstadt, David: Edelshtat's folks-gedikhte. Naye folshtendige oysgabe fun alle zayne lieder, New York: Hebrew Publishing Company, 1907.
  • Marmor, Kalmon: Dovid Edelshtat. New York: Yidisher Kultur-Farband YKUF, 1950.

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Weblinks


Anmerkungen

  1. Marmor, S. 247
  2. Marmor, S. 19
  3. Marmor, S. 43
  4. Marmor, S. 44
  5. Marmor, S. 44
  6. Marmor, S. 44
  7. Marmor, S. 45
  8. MXXXXXXXXXXXXXXX
  9. Marmor, S. 48
  10. Marmor, S. 50
  11. Marmor, S. 90
  12. Marmor, S. 93
  13. Marmor, S. 104
  14. Marmor, S. 104
  15. Marmor, S. 148
  16. Basin, S. 36
  17. Basin, S. 36
  18. Edelstadt, S. 142



Autor: Marcel Gruber



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