Traven, B.: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg)geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist. | |
− | Über die frühen Lebensjahre Travens kann | + | Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftsvertreter tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen. |
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''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´ | ''`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´ |
Version vom 13. Juli 2012, 13:07 Uhr
Lexikon der Anarchie: Personen
B. Traven (Geb. 23. Februar 1882 in Schwiebus; gest. 26. März 1969 in Mexiko-Stadt) ist das Pseudonym des deutschsprachigen Schauspielers, Regisseurs, individualanarchistischen Journalisten und Schriftstellers Ret Marut, unter dem er ab 1924 in Mexiko lebte. Er wurde durch sozialkritische Romane im Arbeiter- und Indianermilieu Mexikos bekannt.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Biografie und politische Entwicklung
- 2 Von Ret Marut zu B. Traven
- 3 B. Traven und die "Wobblies"
- 4 Travens mexikanisches Werk
- 5 Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus"
- 6 Schwierige Zeiten
- 7 Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges
- 8 Ein Anarchist als Bestsellerautor
- 9 Werke:
- 10 Eine Auswahl von Literatur über B. Traven:
Biografie und politische Entwicklung
B. Traven wurde unter dem Namen Herrmann Albert Otto Max Feige am 23.02.1882 als Sohn eines Töpfers und einer Fabrikarbeiterin in Schwiebus (Preußische Provinz Brandenburg)geboren. Ab 1907 begann der zweite Lebensabschnitt Travens unter einem neuen Namen: Gegenüber Meldebehörden hatte er angegeben, Ret Marut zu heißen und als Sohn von William und Helene Marut, geb. Ottarent, 1882 in San Francisco geboren zu sein. In den 1940er Jahren kursierte eine Version, nach der er als Sohn von Burton und Dorothy Torsvan, geb. Croves 1890 in Chicago zur Welt gekommen ist.
Über die frühen Lebensjahre Travens vor 1907 ist inzwischen bekannt, dass er eine Maschinenschlosserlehre absolviert hat und später neben diesem Beruf in Gelsenkirchen als Gewerkschaftsvertreter tätig war. In dieser Funktion war er Mitbegründer und Schauspieler an einer Bühne im Rahmen der gängigen Arbeiterbildungsbestrebungen. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass er darüber seinen nächsten - künstlerischen - Lebensabschnitt als Schauspieler begonnen hat. Die erste derartige biografische Informationen entstammt dem "Neuen Theater-Almanach" des Jahres 1908. Darin wird Ret Marut für die Spielzeit 1907 / 08 als Schauspieler und Regisseur genannt. Er versuchte sich in diesem Zeitraum auch als Autor von Kurzgeschichten und Erzählungen in kleineren Zeitungen.
Angesichts des Ersten Weltkrieges radikalisierte sich Marut politisch und gab seit dem ersten September 1917 die individualanarchistische und pazifistische Zeitschrift "Der Ziegelbrenner" heraus. Der Titel "Der Ziegelbrenner" symbolisierte das sozialpolitische "Baumaterial", was er in seiner Zeitschrift für die nach-wilhelminische Zeit liefern wollte. Nach dem Krieg - während der revolutionären Zustände in Deutschland - geriet Marut ins Rampenlicht, als er in aktiver Position und in Zusammenarbeit mit Ernst Toller, Kurt Eisner, Erich Mühsam und Gustav Landauer an der bayerischen Räterepublik beteiligt war:
"Während der ersten Räterepublik war Marut Mitglied des Propagandaausschusses bzw. der Aufklärungskommission, in der er eine Plan zur Sozialisierung der Presse erarbeitete. In seinem eigenen Blatt `Der Ziegelbrenner´, in welchem er bereits während des Krieges die bürgerliche Presse als `öffentliche Hure´ scharf attackiert hatte, rührte Marut eifrig die Werbetrommel für seinen Sozialisierungsplan. Neben dem bürgerlichen Journalismus im allgemeinen waren Marut besonders die beiden Berliner Verlagshäuser Scherl und Ullstein ein Dorn im Auge, deren publizistischen `Pesthauch´ er seit dem März 1918 in einer in jeder folgenden Nummer des `Ziegelbrenners´ abgedruckten Anzeige bis zu den Münchner Revolutionsereignissen anprangerte. Unter dem Eindruck der Revolution steigerten sich Maruts Attacken auf die bürgerliche Presse von Nummer zu Nummer. Seit dem Januar 1919 propagierte er im `Ziegelbrenner´ den radikalen `Vernichtungskampf gegen die Presse´, in dem `jedes Mittel so gut und recht (sei) wie die Mittel, mit deren Hilfe man sich giftiger Reptilien erwehrt´. In einem am 10. März 1919 im `Ziegelbrenner´ veröffentlichten Artikel `Meine Forderung´ umriß er sein Presseverständnis wie folgt:
`Die Presse ist eine der wirksamsten Waffen des revolutionären Proletariats, das um seine Macht kämpft. Der dauernde Besitz dieser Waffe ist unumgänglich notwendig, um dem Proletariat den Befreiungskampf zu erleichtern und den Gegner bis zur völligen Kampfunfähigkeit zu schwächen. (...) Was das Bürgertum und ein großer Teil des Proletariats unter Presse-Freiheit versteht, ist nicht das Recht, seine Meinung frei äußern zu können, sondern diese Presse-Freiheit ist nichts anderes als Gewerbe-Freiheit. Ein Gewerbe jedoch, das der Verbreitung der Wahrheit hinderlich ist und die Verbreitung der Lüge und die Verhetzung der Menschen um des Profites willen zu einem Geschäft erniedrigt, ist unsittlich. Und ein derartig unsittliches Gewerbe zu beseitigen, ist Pflicht aller ehrlichen Menschen, ist insbesondere Pflicht des revolutionären Proletariats. Die Menschheit hat das Recht und die Pflicht, sich gegen jede Seuche zu schützen. Der im kapitalistischen Sinne tätige Journalismus ist eine Seuche, von der die Menschheit befreit werden muß. Presse-Freiheit ist nur möglich, wenn die Presse nicht mehr um des Geschäfts willen ihre Tätigkeit ausübt. Die Grundlagen für eine wahrhafte Presse-Freiheit zu schaffen, blieb dem kämpfenden Proletariat vorbehalten.´
Aber ungeachtet seiner im `Ziegelbrenner´ abgedruckten militant pressefeindlichen Erklärungen und Parolen war Maruts eigentlicher Sozialisierungsplan - so wie er ihn als Antrag im Revolutionären Zentralrat vorlegte - eher `realpolitisch´ konzipiert."
(Aus Jochen Schmück: "Der deutschsprachige Anarchismus" und seine Presse. Von ihren Anfängen in den vierziger Jahren des 19. Jahrh. bis zu ihrem Niedergang im Zweiten Weltkrieg, S. 144ff. Magisterarbeit an der FU Berlin 1986)
Am ersten Mai 1919 wurde das Gesellschaftsexperiment durch den Einsatz konterrevolutionärer Truppen im Auftrag der sozialdemokratisch geführten Reichsregierung gewaltsam beendet. Marut konnte erst im letzten Augenblick einem Erschießungskommando entkommen und musste untertauchen.
Die folgenden Jahre verbrachte er im Untergrund in Deutschland und anderen europäischen Ländern, bis er schließlich 1923 / 24 in London bei der Ausländerpolizei aktenkundig wurde.
Von Ret Marut zu B. Traven
Am 14. Februar 1924 wurde er von dort aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann verlor sich seine europäische Spur. Er heuerte wahrscheinlich, wie sein Alter Ego Gales in seinem Roman "Das Totenschiff", als Kohlenschipper an, bis er endlich 1924 per Schiff in Mexiko landete. In seiner neuen Heimat machte sich Ret Marut daran, zukünftig unter dem Pseudonym B. Traven Romane und Kurzgeschichten zu schreiben, die er Zeitschriften und Buchverlagen zur Veröffentlichung anbot.
Nachdem Traven am 24. Februar 1924 in Mexiko eingetroffen war, hielt er sich zunächst in der Hafenstadt Tampico auf und benutzte fortan gegenüber den Meldestellen den Namen Traven Torsvan. Ab Juli 1924 lebte er in der Nähe von Columbus bei Tampico am Golf von Mexiko. Dies geht aus seinen persönlichen Notizen hervor, ebenso, dass er sich als Gelegenheitsarbeiter auf Baumwollplantagen und Erdölfeldern mehr schlecht als recht durchschlagen musste. Mithin kannte er die von ihm in seinem Werk beschriebenen Verhältnisse aus eigener Anschauung. Es kann angenommen werden, dass Traven in Tampico in den dortigen linksradikalen Kreisen verkehrte.
B. Traven und die "Wobblies"
Tampico war in den 1920er Jahren ein Zentrum der radikalen Gewerkschaft I.W.W. ("Industrial Workers of the World"), in der auch Hafenarbeiter und Seeleute organisiert waren. Zur Zeit der Ankunft Travens führte sie dort eine Reihe erfolgreicher Streiks durch. Im Volksmund wurden die Mitglieder der I.W.W. "Wobblies" (sinngemäß: "Unruhestifter") genannt und in der ersten Buchausgabe von 1926 erschien Travens Roman "Die Baumwollpflücker" unter dem Titel "Der Wobbly". Auch der Seemann im Roman "Das Totenschiff", Gerald Gale, ist ein us-amerikanischer "Wobbly". Der Name "Gale" taucht regelmäßig als Ich-Erzähler in den frühen Romanen und Erzählungen auf, in denen immer wieder auf Aktivitäten der "Wobblies" hingewiesen wird. Die revolutionäre Gewerkschaft I.W.W. (1905 in Chicago gegründet), bemühte sich, vor allem um die Organisierung der ungelernten Saison- und Wanderarbeiter. Im Sinne des Anarchosyndikalismus lehnte sie die Beteiligung am politisch-parlamentarischen Spiel konsequent ab und propagierte die direkte ökonomische Aktion: Streik, Boykott und, Sabotage.
Nach dem Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg wurden einige tausend „Wobblies“ als Kriegsdienstverweigerer verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Viele "Wobblies" emigrierten deshalb ab 1917 nach Mexiko und nahmen Kontakt zur dortigen ihnen nahestehenden Arbeiterbewegung auf. Im Jahre 1918 erfolgte die Gründung der mexikanischen Sektion der I.W. W.
Eine treibende Kraft der mexikanischen Organisation war der im Sommer 1918 ebenfalls aus den USA geflüchtete Linn A. E. Gale (geb. 1892, Todesdatum unbekannt. Gemeinsam mit seiner Frau Magdalena E. Gale hatte er 1917 in New York die Monatszeitschrift: "GALE´s International Monthly for Revolutionary Communism" herausgegeben (es war offensichtlich kein Zufall, dass B. Traven den Namen "Gale" – oder "Gales" – für eine der Hauptfiguren seiner frühen Romane und Erzählungen benutzte). Durch das Entgegenkommen der mexikanischen Regierung Carranza konnte das Blatt ab Oktober 1918 von Mexiko-Stadt aus wieder erscheinen. Regelmäßig wurden dort in Aufrufen "Radikale" aller Länder eingeladen, nach Mexiko zu kommen. Nach der Wahl des Generals Obregón zum neuen mexikanischen Präsidenten im Jahr 1920 wurde verstärkter Druck auf die radikale Arbeiterbewegung ausgeübt und die "Wobblies" verloren an Einfluss.
Travens mexikanisches Werk
In seiner einfachen Holzhütte im tropischen Busch entstanden die ersten Erzählungen und Romane unter dem Pseudonym B. Traven, die er Zeitschriften und Buchverlagen anbot. Travens Suche nach einem Verlag hatte schließlich Erfolg bei der sozialdemokratischen Tageszeitung "Vorwärts", die seinen Roman "Die Baumwollpflücker" als Fortsetzungsgeschichte abdruckte, ebenso bei der gewerkschaftseigenen Buchgemeinschaft "Büchergilde Gutenberg", die diesen Roman in erweiteter Fassung 1926 als Ausgabe des "Buchmeister-Verlages" unter dem Titel "Der Wobbly", veröffentlichte. In den folgenden Jahren sollte sich die Zusammenarbeit mit der "Büchergilde Gutenberg" zu einer großen Erfolgsgeschichte entwickeln. Die "Büchergilde" war erst 1924 durch den "Bildungsverband der deutschen Buchdrucker" als gewerkschaftliche Buchgemeinschaft gegründet worden, mit der Absicht, den Arbeitern und ihren Familien Zugang zu Bildung und Kultur zu eröffnen. Traven, der sich mit diesem Anliegen bestens identifizieren konnte, fand durch die „Büchergilde“ Zugang zum bildungs- und geschichtsbewussten Teil der deutschen Arbeiterschaft. Sie machte ihn als Autor bekannt und sie garantierte ihm hohe Startauflagen. Der Unbekannte, der jede Beziehung zu Deutschland abstritt (wo man ihn seit 1919 unter dem Namen Ret Marut steckbrieflich suchte) sollte schließlich unter dem Schutz-Pseudonym B. Traven weltberühmt werden.
Traven führte jahrelang ein einfaches und von materiellen Einschränkungen geprägtes Leben. Mehrere Expeditionen in den südlichen und damals noch wenig erschlossenen mexikanischen Bundesstaat Chiapas verschlangen einen Großteil seiner Autorenhonorare. Angestoßen durch seinen Anfangserfolg "Die Baumwollpflücker", bzw. "Der Wobbly", sollte sich bis 1930 diese Situation jedoch radikal verändern: Innerhalb von vier Jahren erschienen weitere vier Romane, ein Band Erzählungen und ein Reisebericht bei der "Büchergilde": "Das Totenschiff" (1926); es schlossen sich an "Der Schatz der Sierra Madre" (1927), "Der Busch" (1928) und "Die weiße Rose" (1928), "Das Land des Frühlings" (1928) sowie "Die Brücke im Dschungel" (1929).
Das Revolutions- und Hauptwerk: Der "Caoba-Zyklus"
Anfang der 1930er Jahre konzentrierte sich Traven auf eine Aufgabe, die er bis Ende des Jahrzehnts nicht aus den Augen lassen sollte: Als Folge mehrerer Erkundungsreisen in den Bundesstaat Chiapas entstand sein Hauptwerk, der sechsbändige "Mahagoni- oder Caobazyklus": "Der Karren" (1931), "Regierung" (1931), "Der Marsch ins Reich der Caoba" (1933), "Trozas" (1936), "Die Rebellion der Gehenkten" (1936) und "Ein General kommt aus dem Dschungel" (1940). Die beiden ersten Teile des "Mahagoni-Zyklus" waren die letzten Bücher Travens, die in Deutschland erscheinen konnten. Die weiteren Bände dieses Epos´ mussten bei der Züricher "Exil-Büchergilde" erscheinen. Mit großem Verständnis für die Situation der indianischen Urbevölkerung schildern diese Romane episch breit den Vorabend und die Anfänge der Mexikanischen Revolution von 1910-1920, die Ausbeutung und schließlich den Befreiungskampf der indianischen Arbeiter in den „Monterías“ (Holzfällerlagern), im abgelegenen und feuchtheißen Dschungel des Südens. Mit dem "Caoba-Zyklus" verwandelte sich Traven endgültig vom Abenteuerschriftsteller zu einem Chronisten des modernen Mexiko, dessen revolutionäre Geburtswehen er in diesen Bänden beschrieben hat.
In den meisten Mexiko-Büchern Travens werden die Ursachen und Wirkungen der Mexikanischen Revolution verarbeitet. Die von Traven in einigen Romanen als Handlungshintergrund skizzierten sozialen Unruhen bildeten die Vorboten und Anfänge dieser Revolution. Sie stellte die zweite Revolution des zwanzigsten Jahrhunderts dar (nach der ersten Russischen Revolution von 1905) und gilt als die erste Anti-imperialistische überhaupt. Bei der Entwicklung einer revolutionären Land- und Industriearbeiterschaft in Mexiko spielten anarchistische Ideen und ihre Protagonisten, wie z.B. Ricardo Flores Magón, eine herauragende Rolle. Im Zuge der Mexikanischen Revolution agierten die vom Anarchismus beeinflussten Landarbeiterbewegungen, wie die unter Führung Emiliano Zapatas, schließlich als das konsequentste radikaldemokratische Element der Revolution. Traven war sich dieser Tatsache sehr bewusst und ein volles Verständnis seines Werkes erscheint ohne die Kenntnis dieses Hintergrundes schwierig.
Die Dynamik seiner Mexiko-Romane ist so angelegt, dass die Motive der Akteure und ihre Handlungsweisen aus der revolutionären Stimmung des Landes erklärbar sind. Mit dem Blick des Fremden bringt der Flüchtling B. Traven den Lesern die Zerstörung der indianischen Welt durch die Kolonisation nahe. Er beschreibt aber auch ihre Grenzen. Die Wirkung der Kolonisierung ist als grundsätzliches Problem in Travens Mexiko-Werk stets vielgestaltig präsent, besonders deutlich sichtbar in allen Arbeitsverhältnissen und in den Beziehungen wirtschaftlicher Abhängigkeiten. Aber auch bis in das Selbstgefühl und die alltäglichen Äußerungen der Protagonisten hinein. Travens individualanarchistisch motivierte Herrschaftskritik kommt in den Handlungsmotiven seiner Romanfiguren sowie in den analytisch-politischen Betrachtungsweisen dieser Bücher regelmäßig zum Ausdruck.
Schwierige Zeiten
Außenpolitisch antifaschistisch orientiert, unterstützte die mexikanische Regierung die Spanische Republik mit Waffenlieferungen gegen die Franco-Putschisten im Bürgerkrieg von 1936-1939. Nach dem Sieg Francos nahm Mexiko spanische Emigranten auf und die republikanische Exilregierung hatte ihren Sitz in Mexiko-Stadt. Zu diesem Zeitpunkt kann wahrscheinlich nicht mehr - wie im frühen mexikanischen Werk - von einer Übereinstimmung Travens mit den politischen Zielen der selbst ernannten mexikanischen "Arbeiterregierungen" ausgegangen werden. Unabhängig davon machte er jedoch keinen Hehl aus seiner Sympathie für die Spanische Republik und besonders für die spanischen Anarchisten, die im republikanischen Lager eine herausragende Rolle spielten. Als Geste bot er ihnen Teile seiner Bibliothek an. Traven war in dieser Zeit als Autor nicht mehr so produktiv wie in früherer Zeit. Warum seine literarische Kreativität um 1940 scheinbar nachließ, wurde von manchen Biografen so interpretiert als habe der alte Anarchist aus Enttäuschung über die "institutionalisierte Revolution" in Mexiko keinen Sinn mehr darin gesehen, weitere Bücher zu schreiben. Jedoch meldete er sich – wie früher als Ret Marut mit dem "Ziegelbrenner" gegen Ende des Ersten Weltkrieges – im letzten Jahr des Zweiten Weltkrieges als Verfasser von Zeitungsartikeln zum politischen Zeitgeschehen zu Wort.
Travens "Wiedergeburt" nach Ende des Zweiten Weltkrieges
Während der Zeit des Zweiten Weltkriegs geriet Traven in eine schwierige Finanzlage wegen der ausbleibenden Honorarzahlungen aus Europa, seit er sich 1939 von der "Büchergilde" getrennt hatte. Nach Kriegsende erschienen seine Werke in den deutschsprachigen Ländern nun aber wieder in vielen Verlagen. Er erlebte in den 1950er und 1960er Jahren ein großes Comeback mit bisher nie da gewesenen (überarbeiteten) Auflagen, gerade in der BRD und der DDR. Selbst in den USA lief es jetzt besser als in früheren Jahren.
Einige Bücher Travens wurden verfilmt, wie z.B. "Das Totenschiff" und "Die Rebellion der Gehenkten" Die wohl bekannteste Verfilmung ist der "Der Schatz der Sierra Madre" durch John Huston von 1948, mit Humphrey Bogart als Goldsucher Dobbs in der Hauptrolle. Traven selbst trat bei den Dreharbeiten unter dem Pseudonym Hal Croves als Berater auf.
Die von Traven neu bearbeiten Nachkriegsausgaben seiner Romane sind besonders interessant in Hinsicht auf seine Strategie der Identitätsverschleierung. In diesen Ausgaben wurden alle Hinweise auf deutsche Verhältnisse, Orte und geschichtliche Daten entfernt, in dem Bestreben, als Amerikaner zu gelten, der die deutschen Verhältnisse nur oberflächlich kennt.
Im Jahr 1958 war Travens erster Roman ("Aslan Norval", deutsch 1960) seit 1940 erschienen. Das Buch wurde vielfach als Fälschung betrachtet und wurde vor allem wegen seiner vermeintlichen "pornographischen Natur" und "Trivialität" geschmäht. Einmal mehr war er wegen seiner Geheimniskrämerei den Anfeindungen schutzlos ausgeliefert, da er persönlich nicht öffentlich als B. Traven Stellung beziehen konnte. Die Geschichte handelt von der schwierigen Liebe einer steinreichen, schönen, mit einem alternden Geschäftsmann verheirateten nordamerikanischen Frau namens Aslan Norval, zu einem jungen Mann. Aslan verfolgt das Projekt eines Kanals quer durch die Vereinigten Staaten, das als sozial sinnvolle Alternative zur atomaren Aufrüstung und Weltraumprogrammen dargestellt wird.
Neben eigener Ruhmes- und Nachlassverwaltung ist an Travens letztem Wohnsitz in Mexiko-Stadt, abgesehen von "Aslan Norval", literarisch wenig passiert. Neu erschienen sind Übersetzungen von Geschichten ins Englische, die aber auf Deutsch schon längst vorlagen. Von neuen Ideen und Skizzen zu Kurzgeschichten wurde nur die Geschichte "Macario" realisiert.
Ein Anarchist als Bestsellerautor
Doch sein Weltruhm war inzwischen eine feste Größe und machte dem scheuen alten Mann zu schaffen. Als weltbekannter Autor mit Millionenauflagen wurde er regelrecht von Journalisten belagert, die sein Geheimnis lüften wollten.
Neben den sensationsfixierten Veröffentlichungen von Enthüllungsjournalisten kam es jetzt endlich auch zu seriösen literaturwissenschaftlichen und biografischen Forschungen, die zunächst wegen des anhaltenden Versteckspiels noch recht unvollständig bleiben mussten. Hervorzuheben ist hier besonders Rolf Recknagels Pionierarbeit "B. Traven. Beiträge zur Biografie" von 1965, die noch unter der Schwierigkeit, nicht auf Dokumente aus dem Nachlass zugreifen zu können, entstanden ist. Immerhin lag hier zum ersten Mal ein fundiertes Werk der Travenforschung vor, das seine Stärken darin besitzt, Travens Biografie aus dem literarischen Werk herauszufiltern. Besonders auffällig ist, mit welch großer Kenntnis hier der philosophische bzw. individualanarchistische Traven herausgestellt wird. Genau dies muss für den Leipziger DDR-Forscher Recknagel eine knifflige Gratwanderung gewesen sein, da Travens herrschaftskritische Position den realsozialistischen Prämissen extrem entgegenstand. Recknagel hatte bei seiner Arbeit ein besonderes Augenmerk auf den Beweis der Identität von Ret Marut und B.Traven gelegt, was ihm auch gelungen ist und zu der Zeit noch von aktuellem Interesse war.
Die 1970er Jahre schließlich entdeckten Traven in der Nachfolge der "68er-Revolte", vorwiegend als politischen Autor: 1976 erschien das "B-Traven-Buch". Als Lesebuch für den politischen Schulunterricht konzipiert, verband es eine Fülle von Berichten, Dokumenten und Werkauszügen mit einem zeitgemäß sozialpädgogisch-emanzipatorischen Anspruch. Beim Berliner Alternativ-"Verlag Klaus Guhl" erschienen zwischen 1976 und 1978 eine Reihe von Nachdrucken . In der Bundesrepublik Deutschland bisher nicht erhältlich, stellten diese Ausgaben besonders Travens vormexikanischen Lebensabschnitt unter dem Pseudonym Ret Marut heraus.
Auch in den achtziger Jahren sollte sich das Interesse an Werk und Person in diversen Veröffentlichungen fortsetzen: Will Wyatts Buch "B. Traven. Nachforschungen über einen `Unsichtbaren´" ist weniger als eine Biografie, sondern eher als Bericht über die Suche nach den biografischen Ursprüngen anzusehen: Spannend geschrieben, jedoch mit einem inzwischen überholten Ergebnis. Die erste – und vorerst einzige – wirklich als solche zu bezeichnende Travenbiografie legte schließlich Karl S. Guthke mit seinem Buch "B. Traven – Biografie eines Rätsels" vor, erschienen 1987 bei der "Büchergilde Gutenberg". Als erster hatte Guthke die Möglichkeit, Travens Nachlass und das Archiv der "Büchergilde" auszuwerten. Diese Veröffentlichung kam parallel zur umfassenden Werkausgabe von 1978-1982 (Band 1-17) durch die "Büchergilde Gutenberg" auf den Markt, der die jeweils letzte Endfassung der Romane und Erzählungen Travens zugrunde lag.
Als Traven am 26. März 1969 zu hause starb, war sein Name für Intellektuelle und Arbeiter ein Begriff. Seine Asche wurde auf seinem Wunsch hin von einem Flugzeug über den Regenwäldern des Bundesstaates Chiapas verstreut. Der Leipziger Travenforscher Rolf Recknagel hatte 1965 die personelle Identität zwischen B. Traven und Ret Marut nachgewiesen, die Erich Mühsam schon in den 1920er Jahren vermutet hatte. Traven ermächtigte seine Witwe Rosa Elena Luján in seinem Testament, die Identität von Ret Marut und B. Traven endlich öffentlich zu bestätigen, nachdem er sie Zeit seines Lebens abgeleugnet hatte.
Werke:
- Marut, Ret: Der Ziegelbrenner. München / Köln 1917-1921. Faksimile-Nachdruck: Pinkus Genossenschaft Zürich / Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1967
- Traven, B.: Der Wobbly. Buchmeister-Verlag, Berlin / Leipzig 1926
- Traven, B.: Das Totenschiff. Die Geschichte eines amerikanischen Seemanns. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1926
- Traven, B.: Der Busch. Büchergilde Gutenberg Berlin 1928
- Traven, B.: Der Schatz der Sierra Madre. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928
- Traven, B.: Land des Frühlings. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1928
- Traven, B.: Die Brücke im Dschungel. Buchmeister-Verlag, Berlin 1929
- Traven, B.: Die Weisse Rose. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1929
- Traven, B.: Der Karren. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931
- Traven, B.: Regierung. Büchergilde Gutenberg, Berlin 1931
- Traven, B.: Der Marsch ins Reich der Caoba. Ein Kriegsmarsch. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Wien, Prag 1933
- Traven, B.: Die Troza. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936
- Traven, B.: Die Rebellion der Gehenkten. Büchergilde Gutenberg, Zürich, Prag 1936
- Traven, B.: Ein General kommt aus dem Dschungel. Allert de Lange, Amsterdam 1940
- Traven, B.: Der dritte Gast und andere Erzählungen. Verlag Volk und Welt, Berlin (DDR) 1958
- Traven, B.: Aslan Norval. Verlag Kurt Desch, Wien, München, Basel 1960
- Traven, B.: B.T. (B. Traven). Mitteilungen No. 1-36. Verlag Klaus Guhl, Berlin (West) 1978
- Traven, B.: Ich kenne das Leben in Mexiko. Briefe an John Schikowski 1925-1932. Limes Verlag, Frankfurt am Main / Berlin 1992
- Traven, B. / Marut, Ret: Khundar. Ein deutsches Märchen. Verlag Klaus Guhl, Berlin o.J.
Eine Auswahl von Literatur über B. Traven:
- Bauman, Michael L.: B. Traven. Una Intruducción. Lecturas Mexicanas No. 70, Fondo de cultura ecionómica, México D.F. 1978
- Beck, Johannes; Bergmann, Klaus; Boehncke, Heiner (Hrsg.): Das B. Traven-Buch. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 1976
- Brandstädter, Mathias; Schönberg, Matthias (Hg.): Neue "BT-Mitteilungen". Studien zu B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 2009
- Guthke, Karl S.: „Das Geheimnis B. Traven ist entdeckt“ – und rätselvoller denn je. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main 1983
- Guthke, Karl S.: B. Traven. Biographie eines Rätsels. Büchergilde Gutenberg. Frankfurt am Main 1987
- Guthke, Karl S.: Ein literarisches Geheimnis. In Hielscher, Martin (Hrsg.): Fluchtort Mexiko. Ein Asylland für die Literatur, S. 17ff. Luchterhand Literaturverlag, Hamburg / Zürich 1992
- Guthke, Karl S.: B. Traven "in einem fernen Land": Die Begegnung mit dem Fremden in den Busch-Novellen. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 461-484. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005
- Guthke, Karl S.: Im Niemandsland der Sprachen: Macario und seine Abenteuer. In Guthke, Karl S.: Die Erfindung der Welt. Globalität und Grenzen in der Kulturgeschichte der Literatur. S. 485-515. Narr Francke Attempo Verlag, Tübingen 2005
- Hauschild, Jan-Chistoph: B. Traven - Die unbekannten Jahre. Edition Voldemeer Zürich, Springer Wien New York, Zürich 2012
- Kramer, Bernd; Ludszuweit, Christoph (Hrsg.): Der Feuerstuhl und die Fährtensucher. Rolf Recknagel, Erich Wollenberg, Anna Seghers auf den Spuren B. Travens. Karin Kramer Verlag, Berlin 2004
- Ludszuweit, Christoph: B. Traven. Über das Problem der „inneren Kolonisierung“ im Werk von B. Traven. Karin Kramer Verlag, Berlin 1996
- Machinek, Angelika: B. Traven und Max Stirner. Der Einfluss Stirners auf das Werk von Ret Marut / B. Traven – eine literatursoziologische Untersuchung zur Affinität ihrer Weltanschauungen, Verlag Davids Drucke, Göttingen, 1986
- Ngouebeng, Ebol: Die Entwicklungsproblematik der mexikanischen Gesellschaft und die Indianerfrage in den Romanen von B. Traven. Centaurus, Pfaffenweiler 1996
- Raasch, Rolf: B. Traven und Mexiko. Ein Anarchist im Land des Frühlings – Eine politisch-literarische Reise. Oppo-Verlag, Berlin 2006
- Recknagel, Rolf: B. Traven, Beiträge zur Biografie. Verlag Philipp Reclam jun., Leipzig 1966
- Wyatt, Will: B. Traven. Nachforschungen über einen "Unsichtbaren". Papyrus Verlag, Hamburg 1982
Autor: Rolf Raasch
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