Wir empfehlen:


Spielwiese: Unterschied zwischen den Versionen

Aus DadAWeb
Wechseln zu: Navigation, Suche
Zeile 27: Zeile 27:
  
 
==Besprechung==
 
==Besprechung==
<big><big>"Die Wahrheit ist kein Handelsartikel"</big></big>  
+
<big><big>Stirner hatte keine Chance, aber er hat sie genutzt</big></big>  
  
<big><big>Proudhons Überlegungen zum Urheberrecht</big></big>
+
<big><big>170 Jahre Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“</big></big>
  
Pierre-Joseph Proudhon (1809-1865) hat sich so intensiv wie wohl wie kein anderer Anarchist nach ihm mit der Frage des Eigentums beschäftigt. 1862 veröffentlichte Proudhon als Beitrag zur zeitgenössischen Debatte über den Begriff des "Geistigen Eigentums" seine Schrift "Les Majorats litteraires" (Die literarischen Majorate"), die 2014 in neuer deutscher Übersetzung von Lutz Roemheld im Metropolis Verlag erschienen ist. Eine erste deutsche Übersetzung war bereits 1862 anonym in Leipzig veröffentlicht worden und macht deutlich, dass Proudhons Schrift recht bald auch im Ausland auf Interesse gestoßen war. Zu der nun vorliegenden Neuveröffentlichung des Werkes hat Dr. Albrecht Goetz von Olenhusen, einer der renommiertesten zeitgenössischen Experten in Fragen des Urheber-, Verlags- und Medienrechtes, eine kenntnisreiche Einleitung beigesteuert, die die Bedeutung der Proudhon-Schrift im Kontext der seinerzeitigen Entwicklung des Urheberrechts aufzeigt.
+
Im Oktober 1844 erschien in Leipzig das Buch von Max Stirner "Der Einzige und sein Eigentum", ein Buch, an dem sich bis heute die Geister scheiden, und das zu Anfang des 20. Jahrhunderts das philosophische Fundament für den sich auf Stirner berufenden individualistischen Anarchismus bildete.  
  
Seit es gedruckte Bücher gibt, gibt es auch Raubdrucke, worunter man unberechtigte Nachducke durch Konkurrenzverlage versteht, die gewöhnlich ihre Identität verschleiern. Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hat es in Europa - insbesondere im Buchhandel -  Bestrebungen zum Schutz des geistigen Eigentums gegeben, die in Deutschland durch einen Beschluss der Bundesversammlung des Deutschen Bundes am 9. November 1837 zur Einführung eines Urheberrechtes führten.
+
Max Stirner (d.i. Johann Casper Schmidt, 1806-1856) verstand sich selbst allerdings niemals als Anarchist, und er gebrauchte den Begriff „Anarchie“ nur äußerst selten. Dort wo er ihn wie in seiner Kritik des Liberalismus benutzte, hat er ihn in seiner negativen Bedeutung verwandt. Statt der Anarchie propagierte Stirner in seinem Hauptwerk "Der Einzige und sein Eigentum" einen radikalen Egoismus, der allerdings unverkennbar anarchistische Züge trägt.
  
Die in Europa geführte Debatte über die Frage des geistigen Eigentums hatte zu Proudhons Lebzeiten, insbesondere seit dem internationalen Kongress im Jahr 1858 in Brüssel, einen starken Auftrieb erhalten. Proudhon versuchte auf diese Diskussion über die Gestaltung des Urheberrechts mit seiner Schrift Einfluss zu nehmen.  
+
Während die akademische Forschung zu Stirner und seinem Werk in den letzten Jahren durchaus eine gewisse Renaissance erlebte, ist es um den organisierten individualistischen Anarchismus im deutschen Sprachraum still geworden. 2013 stellte die individualanarchistisch „angehauchte“ Zeitschrift „Espero“ ihr Erscheinen ein. Im Jahr darauf starb mit Uwe Timm ihr Mitherausgeber und einer der letzten Vor68er Repräsentanten des in der Tradition von John Henry Mackay stehenden deutschen Individualanarchismus. Auch die 2002 in Hummeltal bei Bayreuth gegründete Max-Stirner-Gesellschaft, die der akademisch ausgerichteten Max-Stirner-Forschung über ein Jahrzehnt als Plattform gedient hat, löste sich Ende 2013 auf.
  
Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen betrachtet Proudhon das geistige Eigentum nicht als vergleichbar mit dem Eigentumsrecht an Grund und Boden. Literarische und künstlerische Produkte sind für ihn das Ergebnis einer Art gewerblichen, industriellen Produktion, die damit "unvollkommen, kurzlebig und nur zum Dienste für eine gewisse Zeit tauglich" sind. Die "produzierte Form" wird aber kein produktives Vermögen, kein Renten abwerfendes Kapital. Der Autor bzw. Künstler ist für Proudhon ein "öffentlicher, auf eigene Gefahr handelnder Unternehmer". Das zeitliche Verkaufsprivileg zwischen Schriftsteller, Künstler und Gesellschaft ist kein "ewiges Recht". Proudhon bemisst die durchschnittliche Dauer eines Buches auf nicht mehr als 30 Jahre. Mit der Veröffentlichung geht das Werk in den Gesamtbesitz, in den öffentlichen Reichtum über. Der Urheber kann nur einen bloßen Entgeltanspruch geltend machen und auch das in einem nur eingeschränkten Sinne. Denn für Proudhon sind Werke der Literatur und Kunst keine Produkte der Verkäuflichkeit, die Wahrheit ist kein Handelsartikel. Schriftsteller, Künstler und Erfinder haben lediglich einen Anspruch auf die Sicherheit der Belohnung, während die Gesellschaft einen Anspruch auf das geistige Produkt hat, alles andere ist für ihn ein Rückfall in früheres Lehnswesen und eine Sklaverei des Geistes.  
+
Parallel zum Niedergang des deutschsprachigen organisierten Individualanarchismus konnte man innerhalb der libertären Linken beobachten, wie sich die Diskussion über das Verhältnis zwischen Anarchismus und Marxismus neu belebte. Zum einen hatte dies seine Ursache in der tlw. Rehabilitierung des Anarchismus durch die nach dem Niedergang des staatssozialistischen Modells nach ideologischer Neuorientierung suchenden marxistischen Linken. Zum anderen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten auch in der libertären Linken vermehrt Stimmen laut, die das traditionell antagonistische Verhältnis von Marxismus und Anarchismus kritisch hinterfragten. Charakteristisch für diese Diskussion innerhalb der libertären Linken ist die von Philippe Kellermann herausgegebene Schriftenreihe „Begegnungen feindlicher Brüder. Zum Verhältnis von Anarchismus und Marxismus in der Geschichte der sozialistischen Bewegungen“, die der historischen Aufarbeitung und dem Versuch einer ideologischen Neuorientierung dient.  
  
Bereits 1840 hatte sich Proudhon in seinem international beachteten Werk "Qu'est-ce que la propriété?" ("Was ist das Eigentum?") mit der Frage nach einer gerechten Vergütung der Kunst- und Literaturschaffenden auseinandergesetzt:
+
Als Beitrag für die Reihe „Begegnungen feindlicher Brüder“ hat Jochen Knoblauch den Essay „Marx versus Stirner“ verfasst, der jedoch für die Veröffentlichung abgelehnt wurde. Soweit wollte man die „neue Brüderlichkeit“ zwischen Marxismus und Anarchismus nun doch nicht ausufern lassen, zumal Max Stirner und mit ihm der Individualanarchismus auch in der libertären Linken selbst nicht unumstritten ist.
  
''"Die Künstler, Gelehrten und Dichter empfangen ihre gerechte Belohnung allein dadurch, dass die Gesellschaft ihnen gestattet, sich ausschließlich der Wissenschaft und Kunst zu widmen, so dass sie in Wirklichkeit nicht für sich arbeiten, sondern für die Gesellschaft, die sie geschaffen hat und die sie von jeder anderen Mitwirkung entbindet."''
+
Knoblauchs Essay ist im Oktober 2014 in einer erweiterten Fassung als eigenständiges Buch im Verlag Edition AV erschienen. Der Autor des Buches, Jochen Knoblauch, kommt aus dem früheren Umfeld der individualanarchistischen Mackay-Gesellschaft und hat mit Uwe Timm die Zeitschrift „Espero“ herausgegeben. So ist es nur konsequent, dass sein Essay als ein leidenschaftliches Credo zugunsten von Max Stirner und seiner Weltanschauung ausfällt. Mit Stirner und seinen Kritikern Marx und Engels treffen für Knoblauch Welten aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: „Individuum gegen Masse, Personenkult gegen Selbstbewusstsein, eine weitestgehende Freiheit gegen ein Heilsversprechen (egal ob religiös oder Partei geprägt)“.
  
Der Vergütungsanspruch des Urhebers werde durch den gesellschaftlichen Nutzen und die materiellen Möglichkeiten der Kollektivprodukte begrenzt. Das angemessene Honorar richtet sich nach der von Saint-Simon aufgestellten Formel: "Jedem nach seiner Fähigkeit, jeder Fähigkeit nach ihren Werken." Mit der Idee eines öffentlichen Gesamteigentums wollte Proudhon den Gefahren der Einschränkungen des freien geistigen Austausches durch Rechtsnachfolger oder durch staatliche Restriktionen vorbeugen.  
+
Minutiös zeichnet Knoblauch den Konflikt zwischen Marx/Engels und Max Stirner nach, der ein ziemlich einseitiger Konflikt gewesen ist, denn zu einer offen geführten Auseinandersetzung zwischen Stirner und seinen Kritikern Marx und Engels ist es niemals gekommen. Ihre Kritik an Stirner, die sie am deutlichsten in ihrer Abhandlung "Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten" formulierten, erschien erst posthum 1932, bzw. ein Teil der Stirner-Kritik war bereits unter dem Titel "St. Max" 1903/04 erschienen. Wer Freude an Polemik und Schmäh hat, für den ist der Text vom Marx und Engels sicher ein „Leckerbissen“. So wird Stirner in dem Text nur in Anführungszeichen geschrieben, oder er wird als "Sankt -" oder "Heiliger Max" oder eben als (Sankt) Sancho (in Anlehnung an Sancho Pansa, den Weggefährten des Don Quichote) bezeichnet. In der Endkonsequenz ist Stirner für die beiden Begründer des autoritären Kommunismus "Der hohlste und dürftigste Schädel unter den Philosophen . . ." , dessen "Musik", "wie die der Wischnupriester nur eine Note kennt . . ."
  
Mit seinen Vorschlägen steht Proudhon in der Tradition der französischen Frühsozialisten, die die Rechte der Urheber, Künstler und Verleger in einen sozialen Zusammenhang gestellt haben. Seine Kritik richtete sich vor allem auf das von einer Vielzahl von Autoren propagierte ewige Recht. Mit seiner Schrift "Les Majorats litteraires" gehört Proudhon zu denjenigen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in die Urheberrechtsdiskussion den Gedanken eingebracht haben, dass die Schöpfungen selbst einen erheblichen gesellschaftlichen Anteil in sich tragen, dass aber im Bereich des Urheberrechts nur zeitlich begrenzte Rechte Sinn machen.
+
Dem setzt nun Knoblauch seine eigene Polemik gegen Marx/Engels und den Marxismus jeder Spielart entgegen, und er schlägt mit Hilfe von eingestreuten Zitaten von Musikern wie Bob Dylan, The Doors, Leonard Cohen und Patty Smith Brücken von der philosophischen Revolte Max Stirners hin zur Revolte der Beat- und Punk-Generation, denen Knoblauch in seiner Jugend angehörte und die sein Anarchismusverständnis geprägt haben.  
  
Proudhons Schrift ist nicht nur aus historischer Perspektive interessant, sondern sein Werk enthält Überlegungen, die durchaus als interessanter Beitrag zur aktuellen Diskussion über das Urheberrecht gelesen werden können.
+
Für Knoblauch repräsentiert Marx das 19. Jahrhundert, während Stirner über seine Zeit hinaus gewiesen hat. Und das ist für ihn der entscheidende Unterschied:
 +
 
 +
„Aber, ohne Erbsen zählen zu wollen, geht es im Konflikt Marx gegen Stirner in erster Linie um Bürgertum gegen Punk, Massenauflauf gegen Individualismus, Mitläuferrevoluzzer gegen Empörerinnen bis hin zum langweiligen Staatssozialismus gegen Pogotänzerinnen. Marx hatte seine Chance - und er hat sie vertan. Stirner hatte keine Chance, aber er hat sie genutzt.“
 +
 
 +
Ein mit Leidenschaft geschriebenes Buch über die Gegensätze zwischen Marxismus und Anarchismus, wie er sich von Max Stirner ableiten lässt – eine grimmige Dissonanz im Konzert der neuen „Brüderlichkeit“ zwischen Marxisten und Anarchisten, die aufhorchen lässt.
  
 
Jochen Schmück<br>
 
Jochen Schmück<br>
Potsdam, im März 2015
+
Potsdam, im April 2015
 
<br><br>
 
<br><br>
  

Version vom 6. April 2015, 19:35 Uhr

Die DadA-Buchempfehlung

Buchcover: 978‐3868411201 Knoblauch-Marx vs Stirner.jpg
Autor/en: Jochen Knoblauch
Titel: Marx vs. Stirner
Untertitel: Oder: Ein Versuch über dieses & jenes
Verlag: Verlag Edition AV
Erscheinungsort: Lich
Erscheinungsjahr: 2014
Umfang, Aufmachung: 96 Seiten, Broschur.
ISBN: (ISBN-13:) 978‐3868411201
Preis: 14,80 EUR
Direktkauf: bei aLibro, der Autorenbuchhandlung des DadAWeb

Besprechung

Stirner hatte keine Chance, aber er hat sie genutzt

170 Jahre Stirners „Der Einzige und sein Eigentum“

Im Oktober 1844 erschien in Leipzig das Buch von Max Stirner "Der Einzige und sein Eigentum", ein Buch, an dem sich bis heute die Geister scheiden, und das zu Anfang des 20. Jahrhunderts das philosophische Fundament für den sich auf Stirner berufenden individualistischen Anarchismus bildete.

Max Stirner (d.i. Johann Casper Schmidt, 1806-1856) verstand sich selbst allerdings niemals als Anarchist, und er gebrauchte den Begriff „Anarchie“ nur äußerst selten. Dort wo er ihn wie in seiner Kritik des Liberalismus benutzte, hat er ihn in seiner negativen Bedeutung verwandt. Statt der Anarchie propagierte Stirner in seinem Hauptwerk "Der Einzige und sein Eigentum" einen radikalen Egoismus, der allerdings unverkennbar anarchistische Züge trägt.

Während die akademische Forschung zu Stirner und seinem Werk in den letzten Jahren durchaus eine gewisse Renaissance erlebte, ist es um den organisierten individualistischen Anarchismus im deutschen Sprachraum still geworden. 2013 stellte die individualanarchistisch „angehauchte“ Zeitschrift „Espero“ ihr Erscheinen ein. Im Jahr darauf starb mit Uwe Timm ihr Mitherausgeber und einer der letzten Vor68er Repräsentanten des in der Tradition von John Henry Mackay stehenden deutschen Individualanarchismus. Auch die 2002 in Hummeltal bei Bayreuth gegründete Max-Stirner-Gesellschaft, die der akademisch ausgerichteten Max-Stirner-Forschung über ein Jahrzehnt als Plattform gedient hat, löste sich Ende 2013 auf.

Parallel zum Niedergang des deutschsprachigen organisierten Individualanarchismus konnte man innerhalb der libertären Linken beobachten, wie sich die Diskussion über das Verhältnis zwischen Anarchismus und Marxismus neu belebte. Zum einen hatte dies seine Ursache in der tlw. Rehabilitierung des Anarchismus durch die nach dem Niedergang des staatssozialistischen Modells nach ideologischer Neuorientierung suchenden marxistischen Linken. Zum anderen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten auch in der libertären Linken vermehrt Stimmen laut, die das traditionell antagonistische Verhältnis von Marxismus und Anarchismus kritisch hinterfragten. Charakteristisch für diese Diskussion innerhalb der libertären Linken ist die von Philippe Kellermann herausgegebene Schriftenreihe „Begegnungen feindlicher Brüder. Zum Verhältnis von Anarchismus und Marxismus in der Geschichte der sozialistischen Bewegungen“, die der historischen Aufarbeitung und dem Versuch einer ideologischen Neuorientierung dient.

Als Beitrag für die Reihe „Begegnungen feindlicher Brüder“ hat Jochen Knoblauch den Essay „Marx versus Stirner“ verfasst, der jedoch für die Veröffentlichung abgelehnt wurde. Soweit wollte man die „neue Brüderlichkeit“ zwischen Marxismus und Anarchismus nun doch nicht ausufern lassen, zumal Max Stirner und mit ihm der Individualanarchismus auch in der libertären Linken selbst nicht unumstritten ist.

Knoblauchs Essay ist im Oktober 2014 in einer erweiterten Fassung als eigenständiges Buch im Verlag Edition AV erschienen. Der Autor des Buches, Jochen Knoblauch, kommt aus dem früheren Umfeld der individualanarchistischen Mackay-Gesellschaft und hat mit Uwe Timm die Zeitschrift „Espero“ herausgegeben. So ist es nur konsequent, dass sein Essay als ein leidenschaftliches Credo zugunsten von Max Stirner und seiner Weltanschauung ausfällt. Mit Stirner und seinen Kritikern Marx und Engels treffen für Knoblauch Welten aufeinander, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: „Individuum gegen Masse, Personenkult gegen Selbstbewusstsein, eine weitestgehende Freiheit gegen ein Heilsversprechen (egal ob religiös oder Partei geprägt)“.

Minutiös zeichnet Knoblauch den Konflikt zwischen Marx/Engels und Max Stirner nach, der ein ziemlich einseitiger Konflikt gewesen ist, denn zu einer offen geführten Auseinandersetzung zwischen Stirner und seinen Kritikern Marx und Engels ist es niemals gekommen. Ihre Kritik an Stirner, die sie am deutlichsten in ihrer Abhandlung "Die deutsche Ideologie. Kritik der neuesten deutschen Philosophie in ihren Repräsentanten Feuerbach, B. Bauer und Stirner, und des deutschen Sozialismus in seinen verschiedenen Propheten" formulierten, erschien erst posthum 1932, bzw. ein Teil der Stirner-Kritik war bereits unter dem Titel "St. Max" 1903/04 erschienen. Wer Freude an Polemik und Schmäh hat, für den ist der Text vom Marx und Engels sicher ein „Leckerbissen“. So wird Stirner in dem Text nur in Anführungszeichen geschrieben, oder er wird als "Sankt -" oder "Heiliger Max" oder eben als (Sankt) Sancho (in Anlehnung an Sancho Pansa, den Weggefährten des Don Quichote) bezeichnet. In der Endkonsequenz ist Stirner für die beiden Begründer des autoritären Kommunismus "Der hohlste und dürftigste Schädel unter den Philosophen . . ." , dessen "Musik", "wie die der Wischnupriester nur eine Note kennt . . ."

Dem setzt nun Knoblauch seine eigene Polemik gegen Marx/Engels und den Marxismus jeder Spielart entgegen, und er schlägt mit Hilfe von eingestreuten Zitaten von Musikern wie Bob Dylan, The Doors, Leonard Cohen und Patty Smith Brücken von der philosophischen Revolte Max Stirners hin zur Revolte der Beat- und Punk-Generation, denen Knoblauch in seiner Jugend angehörte und die sein Anarchismusverständnis geprägt haben.

Für Knoblauch repräsentiert Marx das 19. Jahrhundert, während Stirner über seine Zeit hinaus gewiesen hat. Und das ist für ihn der entscheidende Unterschied:

„Aber, ohne Erbsen zählen zu wollen, geht es im Konflikt Marx gegen Stirner in erster Linie um Bürgertum gegen Punk, Massenauflauf gegen Individualismus, Mitläuferrevoluzzer gegen Empörerinnen bis hin zum langweiligen Staatssozialismus gegen Pogotänzerinnen. Marx hatte seine Chance - und er hat sie vertan. Stirner hatte keine Chance, aber er hat sie genutzt.“

Ein mit Leidenschaft geschriebenes Buch über die Gegensätze zwischen Marxismus und Anarchismus, wie er sich von Max Stirner ableiten lässt – eine grimmige Dissonanz im Konzert der neuen „Brüderlichkeit“ zwischen Marxisten und Anarchisten, die aufhorchen lässt.

Jochen Schmück
Potsdam, im April 2015

INHALT

Teil 1: Die Alten

  • Einleitung (I)
  • Vorab (II)
  • Schneeballschlacht (III)
  • Zur Rezeptionsgeschichte von Stirners "Einzigen" und Marx/Engels' "Die deutsche Ideologie"
  • Marx / Engels und ihre Apologeten (Eine Auswahl)
  • Noch was literarisch-künstlerisches
  • (Vorläufige) Schlußbetrachtung


Teil 2: Die Jungen

  • Schöne Aussichten hier
  • Über das geniale Scheitern
  • Vom Schluss zum Schulterschluss
  • Nachtrag
  • John Henry Mackay, An Max Stirner. Ein Gedicht

Anhang

Abbildungsnachweis


Die DadA-Buchempfehlung