Libertäres Recht: Unterschied zwischen den Versionen
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Es gibt Anarchisten, die sagen: „Als Anarchist bin ich gegen alle Regeln, vor allem wenn sie schriftlich fixiert sind“. Es bleibt diesen Anarchisten unbenommen, dies so zu sehen, und das gilt auch für alle anderen, die das so sehen. Diese Anarchisten mögen denken, dass sie mit ihrer Ansicht [http://dadaweb.de/wiki/Bakunin,_Michail_Aleksandrovi%C4%8D Michael Bakunin] auf ihrer Seite haben. Doch da sie irren sich. | Es gibt Anarchisten, die sagen: „Als Anarchist bin ich gegen alle Regeln, vor allem wenn sie schriftlich fixiert sind“. Es bleibt diesen Anarchisten unbenommen, dies so zu sehen, und das gilt auch für alle anderen, die das so sehen. Diese Anarchisten mögen denken, dass sie mit ihrer Ansicht [http://dadaweb.de/wiki/Bakunin,_Michail_Aleksandrovi%C4%8D Michael Bakunin] auf ihrer Seite haben. Doch da sie irren sich. | ||
− | Mit dieser Frage konfrontiert, schreibt Bakunin: „Um zwischen den ernsthaftesten Leuten, die dasselbe wollen, eine meiner Meinung nach notwendige gewisse Gleichartigkeit des Vorgehens herzustellen, braucht man gewisse Bedingungen, gewisse für alle gleich obligatorischen Regeln, eine Verständigung, oft erneuerte Abmachungen — sonst handelt jeder auf seine Weise [. . .] Es wird Disharmonie geben, nicht Harmonie und die ''Ruhe'', die wir alle wünschen.“!<ref> Zit nach dem Brief von Michail Bakunin an Albert Richard am 4. Dezember 1868, in: Michael Bakunin, ''Gesammelte Werke,'' Band III, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, S. 94.</ref> | + | Mit dieser Frage konfrontiert, schreibt Bakunin: „Um zwischen den ernsthaftesten Leuten, die dasselbe wollen, eine meiner Meinung nach notwendige gewisse Gleichartigkeit des Vorgehens herzustellen, braucht man gewisse Bedingungen, gewisse für alle gleich obligatorischen Regeln, eine Verständigung, oft erneuerte Abmachungen — sonst handelt jeder auf seine Weise [. . .] Es wird Disharmonie geben, nicht Harmonie und die ''Ruhe'', die wir alle wünschen.“!<ref> Zit. nach dem Brief von Michail Bakunin an Albert Richard am 4. Dezember 1868, in: Michael Bakunin, ''Gesammelte Werke,'' Band III, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, S. 94.</ref> |
Eine Untersuchung des positiven Verhältnisses von Anarchismus und Recht kann u.a. dann fruchtbar sein, wenn man sich an dem hier diskutierten Kontrastmodell zum modernen Recht orientiert. | Eine Untersuchung des positiven Verhältnisses von Anarchismus und Recht kann u.a. dann fruchtbar sein, wenn man sich an dem hier diskutierten Kontrastmodell zum modernen Recht orientiert. |
Aktuelle Version vom 12. März 2021, 10:53 Uhr
Lexikon der Anarchie: Sachthemen
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Wer in der von Sébastian Faure (1858-1942) herausgegebenen Encyclopédie anarchiste die Artikel „Recht” und „Gerechtigkeit” konsultiert, erhält von mehreren Autoren Informationen, was unter diesen beiden Begriffen zu verstehen ist. Und wenn man das Alter dieser Texte berücksichtigt, so sind sie auch heute noch gut verständlich. Wer unter „Pjotr A. Kropotkin” nachschlägt, der findet dort den Hinweis auf seine Broschüre La loi et l'autorité[1] (1892, sechste Auflage). Dies ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Funktion des Rechts in einer kapitalistischen Gesellschaft, die auf dem Privateigentum (an den Produktionsmitteln) basiert. Ich will die Kritik daran nicht schmälern. Aber es ist wichtig, im Gegensatz dazu das libertäre Modell des Rechts zu berücksichtigen. Ein solches Modell, so glaube ich, führt eine für Anarchisten akzeptable Konzeption des Rechts ein.
Das westliche Rechtsmodell
Das von Anarchisten kritisierte Recht ist vom westlichen Rechtsverständnis geprägt. In diesem Modell sind Recht und Zwang miteinander verwoben. Kein „normaler” Jurist kann das Recht ohne Mittel zur Durchsetzung sehen. Schließlich muss das Recht durchgesetzt werden. Dazu braucht man staatlich organisierte Zwangsmittel (Regierung, Gerichtsvollzieher, Staatsanwaltschaft, Polizei, notfalls die Armee). Dieses westliche Modell ist durch Kolonisation und Imperialismus zum dominierenden in der Welt geworden. Es wird auch als das „moderne Recht“ bezeichnet, wie mehrere Autoren in der Encyclopédie anarchiste übereinstimmend schreiben.
Es ist zum Teil „modernes“ Recht, weil es zusammen mit der Entwicklung des „modernen“ Staates (etwa ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts) entstanden ist. In der Frühzeit trat das Recht vor allem als Gewohnheitsrecht auf und war in dörflichen und städtischen Zusammenhängen organisiert (kommunale Selbstverwaltung). Die zentripetale Wirkung, die durch die Entwicklung des Nationalstaates ausgeübt wurde, drängte alles in Richtung Zentrum. Das „alte“ Recht (Gewohnheitsrecht, kommunales und regionales Recht) wurde als Hindernis betrachtet und musste dem nationalen Recht weichen, das mit nationalen Regelungen versehen wurde. In dieser Entwicklung könnte also der Gedanke wurzeln: Recht = legislatives Recht. Dieses Recht wird den Bürgern von außen durch Gesetze aufgezwungen. Dies ist das „moderne Recht“ nach dem westlichen, hierarchisch auferlegten und durchgesetzten Modell. Ich spreche hier von heteronomen Recht (heteronom = fremdbestimmt).
Das charakteristische Merkmal des heteronomen Rechts ist, dass es von anderen geschaffen wird als von denen, für die es gilt. Dies steht im Gegensatz zu dem autonomen Recht, das von denjenigen geschaffen wurde, für die es gelten soll. Im täglichen Leben begegnet uns dieses z.B. in Form eines Vereinsstatuts, einer Vereinbarung (Vertrag) zwischen zwei oder mehreren Personen (ich übergehe hier das Problem des Arbeitsvertrages, also eines Knebelvertrages). Modelltechnisch kommt es darauf an, dass heteronomes Recht prinzipiell in einer vertikalen Konstruktion (Staatlichkeit) und autonomes Recht in einer horizontalen Konstruktion zu finden ist. Diese Einführung war erforderlich, um das Kontrastmodell zum modernen Recht zu erklären.
Das Kontrastmodell
Wie wir bei Kropotkin und von anderen Autoren erfahren, werden das Gewohnheitsrecht und bestimmte Formen des Vertrags- und Gesellschaftsrechtes von den Anarchisten nicht als Problem verstanden. Das heißt aber nicht, dass „Gewohnheiten“ unhinterfragt hingenommen werden. Denn sie können sich im Laufe der Zeit durch abweichendes Verhalten verändern. Gewohnheiten sind nicht auf Dauer angelegt. Auch andere Handlungsweisen oder veränderte Umstände können Verträge oder Satzungen im Laufe der Zeit unbrauchbar machen. Die Personen, die Verträge abgeschlossen haben, oder die Mitglieder eines Vereins können dann entscheiden, das zu ändern oder anzupassen, was von ihnen und für sie vereinbart wurde. Schließlich handelt es sich um ein autonomes Recht. Dies ist und bleibt im Übrigen ein begrenzter Teil des omnipräsenten, heteronomen Rechtsbestandes, für den die Durchsetzung durch staatliche Intervention als notwendig erachtet wird. Diese allgemein vorherrschende Auffassung macht es für die meisten von uns fast unmöglich, uns das Recht außerhalb der Präsenz des Staates vorzustellen. Dies gilt auch für Ethnologen und Anthropologen, die sich erstmals mit einer staatslosen gesellschaftlichen Situation konfrontiert sahen.
Englische Anthropologen wurden um 1930 in Teilen Afrikas mit ihr konfrontiert. Sie waren nicht in der Lage, die nicht-staatliche Form der sozialen Organisation zu identifizieren und sprachen von „regulierter Anarchie“ oder von „gescheiterten Staaten“. Es konnte kein zentrales Regierungssystem identifiziert werden. Schon früh erkannten libertäre Ethnologen und Anthropologen jedoch, dass hier eine Möglichkeit bestand, eine bestehende soziale Situation zu beschreiben, die Merkmale aufwies, die mit anarchistischen Ideen übereinstimmten. Ich will hier nur zwei von ihnen erwähnen: den deutschen Ethnologen Christian Sigrist (1935-2015) mit seiner Studie Regulierte Anarchie (1967) und den französischen Ethnologen Pierre Clastres (1934-1977) mit seinem Werk La Société contre l'État (1974)[2].
Ihre Beschreibungen liefern Beispiele für Gesellschaftstypen, die in ihren Fachbereichen als „segmentäre Gesellschaften“ bekannt sind. Dabei handelt es sich um Gesellschaften mit einer Bevölkerung, die über gemeinsame Merkmale (Sprache, Kultur, Religion usw.) verfügt und in denen gleichberechtigte Institutionen nebeneinander bestehen. Die Segmente werden als ein soziales Agglomerat gleichen Niveaus betrachtet. Sie sind frei von dem Phänomen der Herrschaft. Dies ist ein Grund, warum viele Forscher (Ethnologen, Anthropologen) damit begonnen haben, dafür den Begriff Anarchie zu verwenden, oft mit einer ergänzenden Bezeichnung.
Da es in segmentären Gesellschaften keinen Staat gibt, bedeutet dies, wie wir bereits gesehen haben, dass es auch keine zentrale Autorität gibt. Auf deren Abwesenheit weist der von Ethnologen dafür verwendete Begriff akephal (von altgriechisch aképhalos = „ohne Haupt“) hin, man könnte auch „kopflos“ sagen. Aber in Gesellschaften ohne Staat lassen sich viele verteilte „Verwaltungsfunktionen“ erkennen. Viele = „poly“', woraus sich der Begriff polykephale Gesellschaften ableitet. Um zu verhindern, dass Menschen in diesen Gesellschaften versuchen, Macht auszuüben, wird das Recht eingesetzt (Normierung, Strukturierung, Kommunikationsverfahren). Das Recht muss verhindern, dass sich die Macht in den Händen einiger weniger Personen konzentriert. Auf diese Weise bildet das Recht ein Bollwerk der Herrschaftslosigkeit. Hier liegt die Originalität der Studie Das Recht als Hort der Anarchie (2016) des deutschen Anthropologen Hermann Amborn. Seine Studie zeigt, wie das Recht als Garant der Anarchie dienen kann. Wir haben es hier mit einer völligen Umkehrung des westlichen Rechtsmodells zu tun, bei dem gerade das Recht verhindern muss, dass die größte untergeordnete, ausgebeutete Schicht der Bevölkerung Zugriff auf die oberste, kleinste Schicht erhält[3]. Diese Rechtsauffassung bildet also ein Gegenmodell zum modernen Recht.
Libertäres Recht
Das Gegen- oder Kontrastmodell bezieht sich auf das, was ich das „libertäre Recht“ nenne. Es ist ein Kontrastmodell, um aufzuzeigen, dass es eine effektive „libertäre“ Alternative gibt. Allerdings erwarten weder ich noch Amborn, dass sie in einer unveränderten kapitalistischen Gesellschaft wie der westlichen realisiert werden kann. Obwohl sie in Teilen Afrikas funktioniert – und damit ihre Leistungsfähigkeit in der dortigen sozialen Realität beweist –, bietet sie in einer westlichen Gesellschaft nur einen „Gegenentwurf“ zur Unterstützung des antikapitalistischen Kampfes.
Die Gruppengröße der von Amborn untersuchten Gesellschaften ist variabel. Sie reichen von kleinen lokalen Netzwerken (Südäthiopien) bis hin zu einer großen Bevölkerungsgruppe, die ein ausgedehntes Gebiet von 1000 km² (Nordkenia) besiedelt. Obwohl die Unterschiede beträchtlich sind, weisen diese Gruppen bestimmte gemeinsame Merkmale auf. Man könnte sie als „idealtypisch“ im Weberschen Sinne bezeichnen. Um diese Merkmale zu verdeutlichen, zitiere ich einige von ihnen aus meiner der Amborn-Studie gewidmeten Broschüre, die unter dem Titel Volken zonder staat [Völker ohne Staat] (2018)[4] erschienen ist. Diese Merkmale sind:
- Ihre Mitglieder verfolgen gemeinsame Interessen durch kooperatives Handeln; das soziale Zusammenleben wird kollektiv geregelt; dennoch zeichnen sich diese Gesellschaften durch ein hohes Maß an persönlicher Autonomie ihrer Mitglieder aus.
- Die Grundprinzipien des Zusammenlebens sind Reziprozität und horizontale Netzwerke von Menschen, die die gleichen Rechte genießen. Da die Beziehungen in diesen Netzwerken flexibel sind und auf dem Prinzip des Gemeinwohls beruhen, kommt es häufig zu Spaltungen – nicht nur in Konflikten –, aber auch zu neuen Zusammenschlüssen.
- Die grundlegenden wirtschaftlichen Ressourcen befinden sich in kollektivem Besitz oder sie unterliegen der gesellschaftlichen Kontrolle; eine Anhäufung von Reichtum ist unerwünscht, Geiz und Neid werden verachtet, stattdessen besteht die Pflicht zum Teilen.
Bei der Beschreibung verschiedener gemeinsamer Kerneigenschaften tauchen immer wieder bestimmte Begriffe auf. So stoßen wir in den Beschreibungen herrschaftsloser ethnischer Gruppen, auf die Amborn Punkt für Punkt eingeht, auf folgende charakteristische Begriffe: Reziprozität, Solidarität und Machtbalance. Diese Begriffe verleihen den beschriebenen Phänomenen eine bestimmte Bedeutung. Gemeinsam verweisen sie auf ein semantisches Feld.
Die Semantik befasst sich mit der Erforschung der Bedeutung, die Wörtern gegeben wird. Es ist bekannt, dass eine Gruppe von Wörtern aus einem bestimmten semantischen Feld eine Relevanz für verschiedene menschliche Beziehungen haben kann. Zum Beispiel können die verwendeten Begriffe einerseits zur Beschreibung von herrschaftsfreien ethnischen Gruppen dienen und andererseits können es die Begriffe sein, die von Anarchisten verwendet werden, wenn sie von positiver Anarchie sprechen. Diese beiden Seiten können miteinander verbunden werden. Dies führt dazu, dass in der Beschreibung von herrschaftsfreien ethnischen Gruppen der Begriff „Anarchie“ verwendet wird, ohne dass die Gruppen selbst sich darauf beziehen. Umgekehrt ermöglicht dies libertär gesinnten Forschern, wie z.B. vielen Anthropologen und Ethnologen, „anarchistische Elemente“ in den oben erwähnten Gruppen zu identifizieren.
Wann immer Begriffe wie Reziprozität, Solidarität und Machtbalance für die Beschreibung einer Gruppenorganisation auftauchen oder verwendet werden, deutet dies auf eine horizontale gesellschaftliche Schichtung hin. Eine vertikale – hierarchische – Schichtung scheint es nicht zu geben. Es gibt auch keinen zentralisierten Kern innerhalb der gesellschaftlichen Organisation, der über Zwangsmittel verfügen würde, und diese Organisation kennt auch keine übertragbare politische Befehlsgewalt.
Nun verstehen wir auch, warum Amborn von polyzephalen Gesellschaften spricht. Im Idealfall bestehen diese aus verbundenen, reziproken Sektoren gleichen Ranges. Die Wechselseitigkeit dieser Sektoren zeigt sich am besten in ihren gegenseitigen Beziehungen und ihrer Gleichrangigkeit. So treten sie auch gesellschaftlich und politisch gegenüber dem einzelnen Gesellschaftsmitglied auf. Auf der Grundlage dieser Kriterien und der bewussten Abgrenzung von autoritären Gesellschaften lassen sich diese Merkmale dieser Gesellschaften in einen breiteren Kontext einordnen: in das semantische Feld der Anarchie. Die von Amborn untersuchten Gruppen haben alle diese Wahl getroffen: das Recht zu nutzen, um die Ausübung von Macht und das Entstehen von Machtgruppen zu verhindern. Vermutlich weil ihnen das bisher gelungen ist, hört man im Westen kaum etwas davon. Dies sollte Anarchisten jedoch nicht davon abhalten, sich mit dem Thema „Anarchismus und Recht“ zu beschäftigen.
Anarchismus und Recht
Bekanntlich wird Recht im Kontext des Anarchismus hauptsächlich als „staatliches Recht“ verstanden (Gesetze, als Produkte von Parlamenten, um Pflichten und Verbote durchzusetzen), mit dem Strafrecht als dem vorrangigen Element zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der kapitalistischen Gesellschaft. Gleichzeitig lässt sich aber auch eine beträchtliche Bandbreite an nicht-staatlichem Recht entdecken.
Anarchisten sind keine Gegner der Entscheidungsfindung. Was sie jedoch ablehnen, ist ein darin integriertes Ungleichgewicht. Um Entscheidungen zu fällen, treffen sie sich in Versammlungen und Vollversammlungen als Gleichberechtigte. Die Organisation des Versammlungssystems (ich spreche von: Systemen unter Gleichen) und die Prozesse der Entscheidungsfindung bilden das, was ich als „libertäres Verfassungsrecht“ bezeichnen möchte.
Handelt es sich bei den Entscheidungen um die Schaffung von Regeln oder Statuten innerhalb der besagten Vereinigungen von Gleichgestellten, führt dies zur Schaffung und Existenz von nichtstaatlichem Recht. Mit anderen Worten, die Existenz des Staates oder staatlicher Gesetze sind nicht unbedingt erforderlich für die Existenz von Recht.
Es gibt Anarchisten, die sagen: „Als Anarchist bin ich gegen alle Regeln, vor allem wenn sie schriftlich fixiert sind“. Es bleibt diesen Anarchisten unbenommen, dies so zu sehen, und das gilt auch für alle anderen, die das so sehen. Diese Anarchisten mögen denken, dass sie mit ihrer Ansicht Michael Bakunin auf ihrer Seite haben. Doch da sie irren sich.
Mit dieser Frage konfrontiert, schreibt Bakunin: „Um zwischen den ernsthaftesten Leuten, die dasselbe wollen, eine meiner Meinung nach notwendige gewisse Gleichartigkeit des Vorgehens herzustellen, braucht man gewisse Bedingungen, gewisse für alle gleich obligatorischen Regeln, eine Verständigung, oft erneuerte Abmachungen — sonst handelt jeder auf seine Weise [. . .] Es wird Disharmonie geben, nicht Harmonie und die Ruhe, die wir alle wünschen.“![5]
Eine Untersuchung des positiven Verhältnisses von Anarchismus und Recht kann u.a. dann fruchtbar sein, wenn man sich an dem hier diskutierten Kontrastmodell zum modernen Recht orientiert.
Thom Holterman
Literatur
- Amborn, Hermann, Das Recht als Hort der Anarchie. Gesellschaften ohne Herrschaft und Staat, Berlin: Matthes & Seitz, 2016.
- Holterman, Thom, L'anarchisme, c'est réglé, Un exposé anarchiste sur le droit, Lyon: Atielier de création libertaire, 2013.
Anmerkungen
- ↑ Dt. Übersetzung: Peter Kropotkin, Gesetz und Autorität, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1903.
- ↑ Deutsche Ausgabe: Pierre Clastes, Staatsfeinde. Studien zur politischen Anthropologie, Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1976.
- ↑ Diese Textpassage weicht im niederländischen Original von der französischen Ausgabe in der Encyclopédie anarchiste ab. Nach Rücksprache mit dem Autor haben wir uns für die Übernahme der im niederländischen Original gemachten Aussage „op verhaal komen“ entschieden, mit der der Autor eher auf eine „Prozesshandlung“ verweisen wollte, ohne jedoch die konkreten Formen und Inhalte des Prozesses zu beschreiben. (d. Übers.).
- ↑ Thom Holterman: Volken zonder staat. Antropologie en libertaire leerstukken, Utrecht: Kelderuitgeverij, 2018; in span. Übersetzung: Pueblos sin Estado. Antropología y Anarquismo, Madrid: La Neurosis o Las Barricadas Ed., 2020.
- ↑ Zit. nach dem Brief von Michail Bakunin an Albert Richard am 4. Dezember 1868, in: Michael Bakunin, Gesammelte Werke, Band III, Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, 1924, S. 94.
Quellenhinweis: Die Übersetzung aus dem unveröffentlichten niederländischen Original des Beitrages erfolgte im Abgleich mit der französischen Ausgabe des Textes durch Jochen Schmück. Die französische Fassung Droit libertaire findet sich in der Onlineversion der Encyclopédie Anarchiste.
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