War Resisters' International (WRI): Unterschied zwischen den Versionen
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− | M. Randle: Der Befreiung entgegen, in G.Lakey / M.Randle: Gewaltfreie Revolution. Beiträge für eine herrschaftslose Gesellschaft, Hg. W.Beyer, Berlin 1988; | + | *M. Randle: Der Befreiung entgegen, in G.Lakey / M.Randle: Gewaltfreie Revolution. Beiträge für eine herrschaftslose Gesellschaft, Hg. W.Beyer, Berlin 1988; |
− | H. Stöcker: Kriegsdienstverweigerung, in: K.Lenz/W.Fabian. Die Friedensbewegung, Berlin 1922 (Reprint: Köln 1985). | + | *H. Stöcker: Kriegsdienstverweigerung, in: K.Lenz/W.Fabian. Die Friedensbewegung, Berlin 1922 (Reprint: Köln 1985). |
Dieser Artikel erschien zuerst im "Lexikon der Anarchie" (Hrsg. H.J.Degen) - überarbeitet und aktualisiert, Juli 2006 | Dieser Artikel erschien zuerst im "Lexikon der Anarchie" (Hrsg. H.J.Degen) - überarbeitet und aktualisiert, Juli 2006 |
Version vom 1. August 2006, 09:04 Uhr
Internationale der Kriegsdienstgegner/innen - Internationale des Résistant(e)s à la guerre - Internacional de resistentes a la guerra - Internacio de militrezistantoj
5 Caledonian Road, London N1 9DX, Britain Tel: +44 171 278 4040 Fax: +44 171 278 0444
Website: http://www.wri-irg.org
Inhaltsverzeichnis
Historischer Hintergrund
Die Verweigerung des Kriegsdienstes war Anlaß und Begründung einer Bewegung, die sich u.a. in der WRI organisierte. Religiöse Gruppen waren die traditionellen TrägerInnen einer Kriegsdienstverweigerung (KDV) aus Gewissensgründen (engl. Concientious Objection). Erst als die sozialen Bewegungen, besonders die Arbeiterbewegung, Ende des 19 Jahrh. stärker wurde, erhielten die Diskussionen um Verweigerung einen breiten sozialen und politischen Stellenwert. Aktiver Pazifismus und revolutionärer Antimilitarismus entstehen.
Der 1.Weltkrieg und die wachsende internationalen Opposition gegen diesen Krieg führte zur WRI-Gründung. Der revolutionäre Antimilitarismus ist zurückzuführen auf Kontroversen in der 2.Internationale (ab 1889 bis zum 1.Weltkrieg). Hier sprachen die Sozialdemokraten in allgemeinen Beschlüssen davon, daß die Überwindung des Kapitalismus das Verschwinden der Kriege zur Folge habe. Dagegen wurden von anarchistischer Seite auf den Konferenzen der 2.Internationale 1891 und 1893 Resolutionen vorgelegt, die vorsahen, bei Kriegserklärungen das Volk zur allgemeinen Arbeitsniederlegung aufzurufen und die Dienstverweigerung der Militärpflicht zu propagieren. Der Antimilitarismus kann hier als eine historische Erscheinung der Arbeiterbewegung zugeordnet werden.
Aus dem Zusammenhang der 2.Internationale heraus gründete Domela Nieuwenhuis 1904 die Internationale Antimilitaristische Vereinigung (IAMV). Der innere Zusammenhang von Staat und Kirche, Gewaltherrschaft und Verdummung sollte durch die Selbstbefreiung der Menschen aus Patriotismus und Staatlichkeit überwunden werden.
Das Fatale der sozialdemokratischen Position der 2. Internationale lag in der Unterstützung des 1. Weltkrieges durch Patriotismus und Vaterlandsverteidigung.
Dagegen gab es oppositionelle Kreise in der Arbeiterbewegung, die dennoch in vielen Ländern den Kriegsdienst verweigerten. Sie können als Linkssozialisten, Syndikalisten, Anarchisten aber auch als christliche Sozialisten und Linksliberale bezeichnet werden. Die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer wurde zu einer gesellschaftlichen relevanten Kraft und war nicht mehr eine Randerscheinung von religiösen Gruppen, wie etwa den Baptisten, Mennoniten, Quäkern oder Adventisten etc.
Die Zentren der Theorie und Praxis des Kriegs-Widerstandes erstreckten sich besonders auf die Länder Großbritannien, die Niederlande, Deutschland und Österreich. In der anarchistischen und syndikalistischen Arbeiterbewegung wurden seit der Jahrhundertwende wesentliche Beiträge zu einer Theorie der gewaltlosen Konfliklösung geleistet.
Nach dem 1. Weltkrieg entstanden in vielen Ländern Massenbewegungen unter der Erklärung "Nie wieder Krieg". Die russische Oktoberrevolution 1917 und andere räterepublikanischen Bewegungen in Europa weckte die Hoffnung vieler für eine grundsätzliche Umgestaltung der kapitalistischen Gesellschaft.
Der 1. Weltkrieg und die Erfahrungen im Kriegs-Widerstand führte zur Gründung der WRI. Sie wurde im März 1921 in Bilthoven, Niederlande unter dem Namen PACO, dem Esperanto-Wort für Frieden, gegründet. Ende März fand in DenHaag ein internationaler antimilitaristischer Kongreß der IAMV (s.o.) statt, der die Gründung des Internationalen Antimilitaristischen Büros (IAMB) vorsah. Hier waren die WRI-Gründungsmitglieder ebenfalls anwesend, da viele auch der IAMV angehörten.
Helene Stöcker (zit.: in Lenz) schrieb zu diesem Kongreß, daß weder ein Land noch eine Klasse das Ideal des konsequenten Antimilitarismus erreicht habe. Auch die politischen Strömungen – Sozialismus, Kommunismus, Liberalismus, "bürgerlicher Vorkriegspazifismus" und "verstaatlichtes Christentum" – zogen keine Konsequenzen aus dem 1.Weltkrieg. Es gehe darum, neben der Änderung "der äußeren Formen und öffentlichen Einrichtungen", auch das Gewissen und die Verantwortung jedes Einzelnen in Hinsicht auf die "Pflicht zur Abwehr des Mordgeistes" zu verändern. In dieser Hinsicht haben sich einige "ethische Revolutionäre, syndikalistische und anarchistische Arbeiter und andere Menschen aus verschiedenen sozialen Schichten zusammengeschlossen. Der Unterschied von IAMB und WRI bestand darin, daß sich die WRI-Mitglieder grundsätzlich zur Gewaltfreiheit bekannten, während das IAMB hierin mehr eine taktische Frage sah. Grundsätzlich wollte man kameradschaftlich zusammenarbeiten .
Die Organisation
Die WRI verabschiedete folgende Erklärung als eine gemeinsame Plattform aller WRI-Sektionen.
"Der Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und an der Beseitigung aller seiner Ursachen mitzuarbeiten."
Diese Sätze sind die Kernaussage, die bis in die Gegenwart beibehalten wurde und auf der sich jedes Mitglied individuell verpflichten muß.
Die WRI ist in erster Linie eine international, transnational arbeitende Bewegung. Die WRI hat sich auch Arbeitsstrukturen geschaffen: Büro und Vorstand, Rat, Dreijahreskonferenz
Charakteristisch für die WRI ist also an erster Stelle die Idee:
die Verpflichtung gegen Krieg und Gewalt zwischen Nationen und Menschen einzutreten und gewaltlose Strukturen zu schaffen.
Die WRI ist dann auch eine soziale Bewegung:
Individuen und Gruppen wollen die Idee in praktische Politik und eine philosophische Aussage mit Grundlegenden sozio-ökonomischen Implikationen für die Gesellschaft umsetzen.
Die WRI ist letztendlich auch eine Organisation:
Dieser Apparat ist ein Kommunikations- und Koordinationssystem auf basisdemokratischer Grundlage einerseits, aber auch andererseits eigenständig agierend und Initiativkraft in der WRI-Bewegung. Das Londoner WRI-Büro mit dem WRI-Vorstand ist diese Initiativkraft. Die Vollversammlung (Dreijahreskonferenz) aller autonomen WRI-Mitgliedsorganisationen, die jeweils in verschiedenen Ländern durchgeführt wird, diskutiert und beschließt alle drei Jahre internationale und regionale Aktivitäten der Bewegung. Das Delegiertentreffen der WRI-Mitgliedsorganisationen (Rats-Treffen) tagt jährlich.
Programm und Politik
Für die WRI-Gründungsmitglieder war es 1921 selbstverständlich, auch "irgendeinen von der Regierung geforderten Dienst als Ersatz für Waffendienst" zu verweigern (WRI-Prinzipienerklärung von 1921). Diese Aussage wurde jedoch auf der 1.WRI-Dreijahreskonferenz 1925 gestrichen. Man wollte Rücksicht nehmen auf die später hinzugekommenen verschiedenen Anschauungen der angeschlossenen Mitgliedsorganisationen und auch auf die unterschiedlichen Situationen in den Ländern, und deshalb keine allgemeingültigen Regeln zum Alternativdienst aufstellen. Die Konferenz betonte aber, daß kein Staat das Recht habe, jemanden zum Kriegsdienst zu zwingen. In Kriegszeiten sei es jedoch erforderlich, den Alternativdienst zu bekämpfen, weil dann jeder derartige Dienst zum Teil der Kriegsorganisation wird.
Auf Initiative der WRI wurde 1925 eine Kampagne in Form eines internationalen Manifestes gegen die Wehrpflicht begonnen. Durch Appelle an Regierungen und den Völkerbund sollte die Abschaffung der Wehrpflicht erreicht werden. 70 Persönlichkeiten aus 15 Ländern unterzeichneten das "Internationale Manifest gegen die Wehrpflicht". Der staatliche Zwangsdienst sei eine Entwürdigung der freien menschlichen Persönlichkeit, und der militärische Geist würde schließlich den Krieg als unvermeidlich, bzw. erstrebenswert ansehen.
Auf der VI. WRI-Dreijahreskonferenz in England 1934 wurde der von Bart. De Ligt vorgelegte "Plan einer Kampagne gegen jede Art von Krieg und jede Art von Kriegsvorbereitung" umfassend diskutiert. Jeder einzelne sollte seinem Gewissen gemäß handeln. Der Anti-Kriegs-Plan war bestimmt, die Menschen dazu anzuregen, das Höchstmaß an Energie, Hingabe und Mut in diesem Kampf einzusetzen. Die Mittel des gewaltlosen Widerstandes können zusammengefasst werden als Propaganda-, Verweigerungs- und Sabotageformen direkter und indirekter Art, individuell und kollektiv durchführbar, bezogen auf intellektuelle und praktische Bereiche in der Gesellschaft. Die Vorstellungen DeLigts basierten auf einem individuellen und sozialen Erziehungssystem, dessen Ziel die Förderung der freien menschlichen Persönlichkeit ist. Er bezog sich u.a. auf die Pädagogik von Maria Montessori und Bertrand Russel, sowie auf die Psychologie von Freud, Adler und Jung.
Die Diskussionen in der WRI nach dem 2.Weltkrieg waren dadurch gekennzeichnet, daß versucht wurde, innerhalb der sozialen Kämpfe eine Orientierung auf der Grundlage der Gewaltfreiheit zu formulieren.
1954 wurde von dem Amerikaner A. J. Muste auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Paris ein "Dritter Weg" formuliert, der die Blockkonfrontation aufbrechen und eine Alternative zu den verhärteten politischen Systemen darstellen sollte.
1960 auf der WRI-Dreijahreskonferenz in Indien wurde die Idee ausformuliert, daß weder die kapitalistische Idee des Privateigentums, noch die kommunistische des Staatseigentums an den Produktionsmitteln und der staatlichen Verteilung dem Ideal der Gewaltlosigkeit entsprechen könne. Für den Aufbau einer gewaltlosen Gesellschaft sei die Dezentralisierung politischer und wirtschaftlicher Macht notwendig.
Die WRI definierte sich 1968 als eine Freiheitsbewegung, die für eine umfassende, gewaltfreie Revolution arbeitet.
Die theoretischen Aussagen wurden auch zu dieser Zeit, wie bei den Debatten der 20er Jahre, begleitet von sozialpsychologischen Fragestellungen in Bezug auf Befreiung. Die Überwindung der psychischen Hemmnisse der Menschen sei eine wichtige Voraussetzung zur Freiheit.
Damit fanden auch die Ausführungen des Theoretikers des algerischen Befreiungskampfes Frantz Fanon ("Die Verdammten dieser Erde") Beachtung. In Forschungsarbeiten über verschiedene Formen geistiger Erkrankungen durch koloniale Unterdrückung hatte Fanon herausgefunden, daß die Erkrankungen nachgelassen hätten, nachdem der Patient begonnen habe, am Befreiungskampf teilzunehmen. Die Gewalt, so Fanon, sei deshalb eine befreiende Kraft, auch auf geistiger Ebene, gewesen. WRI-Mitglieder stimmten Fanons Ausführungen zu, meinten aber, daß überall bei Fanon das Wort Gewalt ersetzt werden könne durch "radikale gewaltfreie Aktion", da die Aktivitäten, zu denen Fanon auffordert, auch gewaltfrei sein könnten. Die Philosophie des Existentialismus von J.P.Sartre hatte einen bedeutsamen Einfluß auf die Diskussionen zur Gewaltlosigkeit in den 50er Jahren. Sartres Beiträge wurde in der WRI-Diskussion auch als neue Impulse für die Gewaltfreie Aktion diskutiert. Libertär orientierte WRI-Positionen orientierten sich allerdings stärker an Albert Camus ("Weder Opfer noch Henker" und "Der Mensch in der Revolte") und entwickelten Positionen zur revolutionären Gewaltfreiheit. In den 60er Jahren folgte in der WRI eine umfangreiche Debatte um ein "Manifest für eine gewaltfrei Revolution".
Es gab differenzierte Diskussionen z.B. zur jeweiligen gesellschaftlichen Situation, in der Gewalt auftritt. Michael Randle kritisierte die dogmatische Gewaltfreiheit dahingehend, daß diese Position in Situationen unerträglicher struktureller Gewalt (z.B. Hunger, Krankheiten) und direkter Gewalt (z.B. Folter, Justizmorde), einen Teil der Verantwortung für das Fortbestehen der Not trage.
"Wir wollen nicht sagen, waffenloser Widerstand sei in jeder Lage wirksam; wir wollen auch jene nicht verurteilen, die mit spontaner oder sorgfältig geplanter Gewalt auf unerträglich gewordenen Druck antworten. Im Gegenteil, wir geben zu, daß Töten in einer solchen Situation ein Menschenrecht ist, eine Geltendmachung der Würde und des Wertes des Menschen." (zit.in.: Lakey/Randle)
Der Prozeß einer umfassenden kulturellen und sozialen Revolution soll sich gegen alle Spielarten autoritärer, hierarchisch aufgebauter Systeme mit ungleich angelegten Machtverhältnissen richte. Als beispielhaft für autonomes menschliches Handeln werden angeführt: die Pariser Kommune 1871, Katalonien 1936, Budapest 1956, der Pariser Vorort Nanterre 1968 und Free Derry 1969.
Spektrum der WRI-Aktivitäten
In den 60er Jahren sah die WRI einen Bedarf an internationalen Weltfriedensbrigaden, und rief solche ins Leben. In jüngster Zeit hat sie erneut bei den internationalen Friedensbrigaden (Peace Brigades International – PBI) mitgearbeitet, Arbeitsgruppen, die in Konfliktgebieten Untersuchungen durchführen und versuchen, gewaltfreie Unterstützung für die Menschen zu leisten. Einsatzgebiete waren u.a. Mittelamerika oder Sri Lanka. Es ging u.a. um den Schutz von Bürgerrechtlern durch vielfältige Öffentlichkeitsarbeit. Aktuell unterstützt die WRI die Arbeit des "Balkan Peace Team", das versucht gewaltlose Handlungsmodelle in konkreten Kriegsgebieten in Ex-Jugoslawien einzubringen.
Die WRI und ihre Sektionen unterstützen Menschen, die sich weigern, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten oder Steuerzahlungen verweigern, die sich nicht an militärischer Indoktrination und Propaganda beteiligen, und sich für gewaltfreie Alternativen zu militärischen "Lösungen" einsetzen.
Die WRI hilft Einzelpersonen und Gruppen, die von autoritären politischen Systemen bedrängt werden. Sie setzt sich für Minderheiten ein, deren Kultur und Lebensart in Gefahr ist: z.B. für die Sache der Sami in Nordnorwegen, die sich gegen einen Staudamm wehrten, oder den Tamilen auf SriLanka oder den nordamerikanischen Indianern.
Die WRI sucht nach Möglichkeiten, konkrete und praktische Hilfe für die Opfer von Krieg und Unterdrückung zur Verfügung zu stellen. Während des Spanischen Bürgerkrieges und des 2.Weltkrieges, sowie in der Zeit danach, waren die WRI und ihre Sektionen aktiv an der Arbeit mit Flüchtlingen beteiligt. In den frühen 70er Jahren unterstützte die WRI gemeinsam jene "Operation Omega", mit der Lastwagenladungen mit Medikamenten über die geschlossenen Grenze von Indien nach Bangladesch befördert wurden.
Die Sektionen der WRI beteiligten sich aktiv an vielfältigen Demonstrationen gegen Atomwaffen, Atomenergie, Waffenhandel, Rassismus und Apartheid, Imperialismus und wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeiten. Als 1968 Truppen der Warschauer Vertragsorganisation (WVO) die CSSR besetzten, schickte die WRI Aktionsgruppen in vier Hauptstädte der WVO (Moskau. Budapest, Warschau und Sofia), um dort zu protestieren.
Wichtige Emanzipationsprozesse für die WRI sind: die Frauenemanzipation, die weitreichende Folgen für den westlichen Kapitalismus (Untergrabung der wichtigen Einheit Kernfamilie) mit sich bringt, der Kampf der Produzenten um Selbstverwaltung, der Kampf der 3.Welt um die Kontrolle über ihre Reichtümer, der freiheitliche sozialistische Widerstand in der ehemaligen Sowjetunion und in Osteuropa, die antimilitaristischen Widerstands- und Verweigerungsaktionen und schließlich die Subversion der staatlichen Unterdrückungsinstrumente. Die WRI ist Teil einer weltweiten Emanzipationsbewegung.
Die Handlungsaktivitäten bewegten sich im Spannungsverhältnis zwischen realpolitischen Kategorien, z.B. der juristischen Absicherung der Kriegsdienstverweigerung, und einem Politikverständnis, welches sich an gesellschaftlichen Alternativen und direkten Widerstandsaktionen orientiert. Die WRI umfaßt damit ein breites Spektrum an politisch unterschiedlichen Organisationen.
Deutsche WRI-Sektionen sind z.B. die traditionell pazifistische Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) oder die Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK), die mit anderen libertär-antimilitaristischen Gruppen zum Umfeld der Zeitschrift Graswurzelrevolution zu zählen ist. WRI-Mitglieder sind u. a. deutsche und belgische Sozialdemokraten, katalanische und baskische Anarchisten, Liberale aus Italien, amerikanische Quäker, Syndikalisten von der SACSchweden und Libertäre aus der indischen WRI-Sektion.
Ein wichtiges Anliegen der WRI war es, den Menschen als Individuum zu akzeptieren und zum eigenständig, verantwortlichen Handeln zu bewegen. Das Individuum, daß im konkreten Fall allein stehen kann, ist konstituierende Moment und Voraussetzung der Existenz der WRI. Im Zusammenschluß der WRI sollte eine besondere politische Ausdruckskraft erreicht werden.
Die in der WRI organisierten Kriegsdienstgegner sprachen deshalb von der "Selbstabrüstung durch Kriegsdienstverweigerung" oder "Abrüstung durch Beispiele". In diesem Sinn ist auch die grundsätzliche Kritik an der Wehrpflicht zu sehen. Hier haben die totalen Kriegsdienstverweigerer einen wichtigen Beitrag geleistet. In den 80er Jahren wurde die Ablehnung der Wehrpflicht zum breiten Konsens in der WRI.
Charakteristisch für die 90er Jahre ist sind die vielfältigen Kontakte der WRI in Asien, Afrika und Lateinamerika. Eine WRI-Dreijahreskonferenz fand erstmalig in Brasilien statt und gegenwärtig arbeitet eine Chilenin im Londoner WRI-Büro.
In ihrer langjährigen Geschichte hat die WRI einen großen Teil dazu beigetragen, dem Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung Geltung zu verschaffen. Sie war von jeher eine Bewegung für Freiheits- und Menschenrechte. Die Mehrheit der WRI-Mitgliedsorganisationen arbeiten im europäischen nordamerikanischen Raum. Seit den 70er Jahren entwickelten sich verstärkt Beziehungen zu Menschenrechtsorganisationen und ökologischen Organisationen in Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas.
Wolfram Beyer
Literatur:
- Wolfram Beyer (Hg.: Widerstand gegen den Krieg – Beiträge zur Geschichte der War Resisters‘ International (WRI), Kassel 1989;
- M. Randle: Der Befreiung entgegen, in G.Lakey / M.Randle: Gewaltfreie Revolution. Beiträge für eine herrschaftslose Gesellschaft, Hg. W.Beyer, Berlin 1988;
- H. Stöcker: Kriegsdienstverweigerung, in: K.Lenz/W.Fabian. Die Friedensbewegung, Berlin 1922 (Reprint: Köln 1985).
Dieser Artikel erschien zuerst im "Lexikon der Anarchie" (Hrsg. H.J.Degen) - überarbeitet und aktualisiert, Juli 2006