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Freie Liebe

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Definition

Die Wortzusammenstellung "Freie Liebe" wurde im 19. Jahrhundert geprägt als Bezeichnung für Sexualität, sexuelle Beziehungen sowie Formen des Zusammenlebens mit einer (mutmaßlichen) sexuellen Komponente, die sich jenseits von hegemonialen Moral-Vorstellungen, wie z.B. dem bürgerlichen Eheideal oder dem damaligen viktorianischen Puritanismus in Sexualfragen, bewegten. Dabei war in der Bezeichnung Freie Liebe je nach politischem, religiösem und moralischem Standort des Benutzers immer ein Werturteil mit enthalten, das von dem Verdikt der Zügellosigkeit, Dekadenz und moralischen Entartung bis zur Rückkehr nach vermeintlich "natürlichen" Verhältnissen und der Etablierung einer selbst bestimmten Sexualität, frei von äußeren Eingriffen und rückständigen, überholten, irrationalen Normierungen reichte. Wurde in konservativen Kreisen Freie Liebe gerade in Verbindung mit "Anarchismus" als "sexuelle Anarchie" verstanden, die unter anderem in der konservativen Presse dem männlichen Leser mit der Mär vermeintlicher Frauenkollektivisierung als Programmpunkt linksradikaler revolutionärer Bestrebungen schmackhaft gemacht wurde, so knüpfte die anarchistische Verwendung des Terminus Freie Liebe am anderen Ende der Wertskala an.

Vor dem Hintergrund der pejorativen Verwendung der Bezeichnung Freie Liebe, (und sich gegen konservative Kritik immer wieder verteidigend) wurde Freie Liebe im anarchistischen Diskurs um die letzte Jahrhundertwende zum festen Begriff für alternative, libertäre Theorien und Praktiken von Liebe und Sexualität sowie von - überwiegend auf heterosexuellen Beziehungen basierenden - Formen des Zusammenlebens. Anarchistische Freie Liebe in erster Linie zwischen Männern und Frauen gedacht, sollte sich frei von Einschränkungen einer als autoritär kritisierten, weil von Staat und Kirche regulierten. Sexual- und Ehemoral gestalten. Außerdem dürften wirtschaftliche Überlegungen, die Liebe und Sexualität in der bestehenden bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft zur "Prostitution" machen würden, bei der Freie Liebe, verstanden als freie, natürliche Entfaltung von Liebe und Sexualität, keine Rolle spielen. Realisieren sollte sich die Freie Liebe zum einen unter den vorhandenen Verhältnissen als direkte Aktionsform, als privat verwirklichter Anarchismus im Kleinen, zum anderen wäre Freie Liebe als neues Regulativ auf breiter gesellschaftlicher Ebene erst nach der bzw. im Rahmen einer anarchistischen Revolutionierung sozialer Strukturen und durch Beendigung staatlicher und kirchlicher Einflussnahme möglich.