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Uwe Timm - Gedenkseite

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Version vom 1. April 2014, 08:08 Uhr von Rolf R (Diskussion | Beiträge) (Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit (Titel seiner Autobiografie). Von Rolf Raasch)
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Uwe Timm, 2009 als Redner auf einer Veranstaltung

Wir trauern um Uwe Timm

Am 7. März 2014 ist Uwe Timm (geb. 05.02.1932) im Alter von 82 Jahren in Barcelona gestorben. Uwe Timm gehörte zum Urgestein des neueren Anarchismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ende der 1940er Jahre war er über die Genossenschaftsjugend Hamburg in Kontakt mit Anarchisten wie Otto Reimers gekommen, die das 3. Reich überlebt hatten. In den 1950er und 1960er Jahren Jahren beteiligte er sich aktiv am Widerstand gegen die Notstandsgesetze, Wehrpflicht und atomare Aufrüstung und wurde Mitglied der Internationale der Kriegsdienstgegner (IDK), denen er bis zum Schluss verbunden blieb. Zusammen mit Kurt Zube gründete er 1974 die Mackay-Gesellschaft, die in Anlehnung an John Henry Mackay einen individualanarchistischen Anarchismus vertrat. In deren Nachfolge gab Uwe Timm ab 1994 bis 2013 gemeinsam mit André Siegenthaler und Jochen Knoblauch die Zeitschrift "espero" heraus. 1987 wurde Uwe Timm ausgezeichnet mit dem von Johannes Maria Simmel gestifteten Friedenspreis des Liebknecht-Kreises.

Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des Lexikons der Anarchie trauern um einen Mitstreiter, der sich mit seiner publizistischen Arbeit große Verdienste um die libertäre Bewegung im deutschen Sprachraum erworben hat.

Wer seine Erinnerungen an Uwe Timm mit uns teilen möchte, kann sie auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die Uwe-Timm-Gedenkseite.

Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.

Jochen Schmück
Redaktion DadAWeb.de





"Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit". Die 2007 im Oppo-Verlag erschienene Autobiografie von Uwe Timm

Verlorene Kindheit - Errungene Freiheit

Lieber Uwe,

leider habe ich erst verspätet, nach meiner Reise, von deinem Tod erfahren. Ich werde dich sehr vermissen und ich trauere um einen echten Freund der Freiheit.

Mit Uwe Timm ist ein prägnanter Vertreter und Gestalter des Nachkriegsanarchismus gestorben, der eine schmerzliche, nicht zu füllende Lücke hinterlassen hat. Uwe Timm war für mich, der ich Anfang der 1970er Jahre mit dem Anarchismus bekannt wurde, ein Vorbild.

Er zählte nicht zu den „Altanarchisten“ wie Willy Huppertz oder Fritz Scherer, die noch den Anarchismus bzw. Anarchosyndikalismus der Weimarer Republik erlebt und den Nationalsozialismus überlebt hatten, und einen kämpferischen Arbeiter- und Revolutionsanarchismus vertraten. Er vertrat einen pragmatischen Ansatz, weil er der Unwirksamkeit des zeitgenössischen Anarchismus durch eine Hinwendung zu den konkreten Problemen der modernen Industriegesellschaft begegnen wollte, wie z.B. dem Wohnungs- und Städtebau, dem Umweltschutz oder dem Bildungswesen.

Beispielhaft suchte er die Normalität und Praktikabilität seiner Ideen zu beweisen, indem er anarchistische Theorien mit den modernen Erkenntnissen der Soziologie, Psychologie, Anthropologie, Erziehungs- und Kommunikationswissenschaft bis hin zur Kybernetik zu verbinden suchte. Leider stieß er damit sowohl bei den alten als auch bei den jungen Genossen vielfach auf keine große Resonanz.

Vielleicht lag das an der - psychologisch betrachtet - historischen Position seiner Generation: Er zählte zur mittleren Generation, die den Nationalsozialismus „nur“ als Kinder und Jugendliche erlebt hatten. Diese Generation hatte ihr Überleben in der Zeit des Nachkriegselends aus der Notwendigkeit heraus entwickelt, auf eigenen Beinen ohne staatliche oder väterliche Hilfe zu stehen. Uwe Timm war solch ein ausgeprägter Autodidakt, der alles - Haltung, Bildung und beruflichen Werdegang - sich selbst zu verdanken hatte. Daraus resultierten folgerichtig die Vorstellungen eines Libertären: Er vertrat weniger einen „freiheitlichen Sozialismus“ sondern war vielmehr der Vertreter einer individualanarchistischen „gleichen Freiheit aller“ in einer Zivilgesellschaft, frei von autoritär-patriacharlicher und staatlicher Gängelung. Insofern werden seine Kernthesen auch weiterhin immer noch frisch und modern bleiben.

In diesem Sinne möchte ich zum Abschluss einem Satz des gewaltfreien Humanisten Uwe Timm zitieren:

„Mehr Glück und Freiheit sollte die Maxime für jeden Menschen sein.“

Rolf Raasch


Uwe Timm ist tot. Ein unerbittlicher Kämpfer für die Freiheit ist von uns gegangen. Von Jochen Knoblauch

Am 7.3.2014 ist Uwe Timm in einem Krankenhaus in Barcelona an den Folgen eines Gehirntumors verstorben, einem Monat nach seinem 82. Geburtstag.

In den letzten 20 Jahren waren wir durch das Projekt "espero" stark verbunden, mit allen Höhen und Tiefen. Zu den Tiefen zählt u.a., dass ich im Herbst letzten Jahres espero verlies, und Uwe zu meiner Überraschung das Projekt nicht mehr weiterführen wollte. Es waren keine Diskrepanzen zwischen mir und Uwe, die zum Ende des Projektes "espero" führten, sondern mein Grenzen der Toleranz Uwe zu folgen (neben anderen Menschen, die Uwe nicht das Wasser reichen können, aber große Töne spucken).

Uwe Timm, wie Kurt Zube lernte ich Anfang der 1980er Jahre kennen, als ich mich intensiver mit dem anarchistischen Dichter John Henry Mackay (1864-1933) und Max Stirner (1806-1856) beschäftigte und Kontakte mit der Mackay-Gesellschaft hatte. Auch als Buchvertrieb – zuerst bei Regenbogen, dann bei AurorA – hatte ich mit dem Verlag, und somit auch mit Uwe Timm zu tun.

Nach dem Tod von Kurt Zube (1905-1991) stand die Frage im Raum, was aus dem Verlag der Mackay-Gesellschaft werden sollte, bzw. vordergründig, was aus der Gesellschaft, der Idee weiter werden sollte. Daraufhin wurde im März 1994 von uns beiden die kleine Zeitschrift espero gegründet, zuerst als "Rundbrief der Mackay-Gesellschaft", dann ab 1996 als "Forum für libertäre Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung". Dabei war Uwe immer die redaktionell treibende Kraft.

Für mich war es nicht immer einfach mit Uwe übereinzustimmen, aber wenn ich eines von Uwe gelernt habe, dann war es ein Teil seiner Toleranz, dass Menschen nicht immer gleicher Meinung sein müssen, aber sich gegenseitig respektieren sollten. Seine Geduld sich andere Meinungen erst einmal anzuhören war groß – für einige vielleicht zu groß.

Uwe Timm gehörte zu den den wenigen Libertären, die am eigenen Leib noch die Nazi-Diktatur kennengelernt haben. Wenn ein Schmock, wie Peter Bierl versuchte Uwe zu diskreditieren, als er in einem Schmähartikel ihn als Hitlerjungen bezeichnete, beweist nur, dass Bierl keine historischen Kenntnisse hat, und vor allem zwischen Menschen, die sich entwickeln können wie Uwe Timm, und etwa einen wie Günter Grass, der Wasser predigt und Wein trinkt, nicht unterscheiden kann. (Ich möchte wahrlich nicht wissen, was ein Peter Bierl im Dritten Reich wohl gemacht hätte, aber ich kann es mir vorstellen). Aber geschmerzt hat es ihn immer, wenn AnarchistInnen solchen Menschen auch noch nachliefen.

Uwe Timm war konsequent. Eine freie Gesellschaft braucht Menschen, die sich frei entscheiden können, und während selbst AnarchistInnen sich oftmals der marxistischen Linke anschließen, und nach mehr staatlicher Reglementierung trachten, wenn es etwa um die Wirtschaft geht, bedeutet dies eher ein Armutszeugnis für die AnarchistInnen. In der Anarchie werden sich die Menschen für die Formen, etwa wie sie wirtschaften wollen selbst entscheiden. Oft scheitern wir an Begriffen: Globalisierung ist nicht schlecht, sondern ein anarchistisches Ziel ohne Grenzen zu leben; Liberalisierung ist ein Stück mehr an Freiheit und eigentlich nichts Negatives usw. Die AnarchistInnen müßten sich nicht nur die Begriffe zurück erobern, sondern auch deren Inhalte.

Uwe war in seiner lebenslangen pazifistischen Haltung, seiner kompromislosen Freiheitsliebe eigentlich konsequenter als so manche AnarchistInnen, aber weil wir alle keine Heiligen sind, hat sich Uwe u.U. auch manchmal in Sachen verrannt. Wir können immer nur versuchen den richtigen Weg zu finden. Als unbequemer Querdenker war er bereit sich ins Abseits zu stellen. Für seine Persönlichkeit, seine Hilfsbereitschaft, seine Solidarität könnten hier noch zahlreiche Beispiele angeführt werden. Die politische Szene ahnt nicht, was ihr an einem Menschen wie Uwe Timm verloren gegangen ist. Ich weiß es.

Jochen Knoblauch


Sein Motto war: Sag Nein zu Krieg und Militär. Von Wolfram Beyer (IDK)

Wir gedenken Uwe Timm. Er war der Internationale der Kriegsdienstgegner/innen (IDK) bis zu seinem Tod verbunden und unterstützte die politische Arbeit der IDK. Sein antimilitaristisches Motto entnahm er Wolfgang Borchert: „Sag Nein“ ... „gegen alle und jeden Widerstand zu leisten, die Menschen uniformieren wollen, um sie zum Töten und zum Morden zu zwingen.“ [1] Wir trauern.

Wolfram Beyer,
Vorsitzender der IDK e.V.
www.idk-berlin.de

Anmerkungen

  1. Uwe Timm: Gegen Krieg und Militär: „Den Regierungen das Geld entziehen.“ Ein Interview. In: Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern - Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo Verlag 2011, S. 136ff



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