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Camus, Albert

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Camus im Jahre 1957

Äußere Daten

Albert Camus, * 7. November 1913, Mondovi (Algerien); † 4. Januar 1960 (Autounfall). Camus Familie waren spanische und französische EinwandererInnen in Algerien. Camus verbrachte seine Kindheit in Belcourt, einem ärmlichen Stadtviertel Algiers. Sein Vater starb 1914, im I. Weltkrieg. 1934 kurzzeitige Heirat mit Simone Hié. 1933 - 1936 Philosophiestudium an der Universität in Algier. Der Ausbruch der Lungentuberkulose (1931) bestimmten Camus Leben: 1942 Kuraufenthalt in Südfrankreich; 1949 erneuter Krankheitsausbruch. 1935 - 1940 Theatergründungen und Kulturarbeit in Algier. 1935 - 1937 Mitglied der Kommunistischen Partei (KP). In dieser Zeit unterstützte die KP antikoloniale Bestrebungen. Die KP Frankreichs (KPF), ebenso die SozialistInnen, betrachteten Algerien als französisches Land. Lediglich am Rande und aus taktischen Gründen gab es Bündnisse mit dem algerischen Nationalismus; denn unter den europäischen Siedlern in Nordafrika gab es eine Anzahl Kommunisten, die alle "Eingeborenen" tief verachteten und auf deren Stimmung die Parteiführung Rücksicht nehmen mußte (vgl. F. Ansprenger 1981, S. 102 u. 232). Camus organisierte die Zusammenarbeit mit moslemischen Nationalisten. Als die KP aufgrund von staatspolitischen Interessen der Sowjetunion und Frankreichs die Anti-Kolonial-Politik aufgab, machte Camus diesen Wechsel nicht mit; er wurde aus der KP ausgeschlossen. 1938 - 1940 arbeitete er als Journalist beim "Alger Républicain". 1940 Umzug nach Paris und Arbeit bei der Zeitung "Paris Soir". Heirat mit Francine Faure; zwei Kinder. Trotz der deutschen Besetzung Frankreichs gab es in der Illegalität kulturelle Entfaltungsmöglichkeiten: Einige Werke Camus erschienen, mit großem Erfolg z.B. "Der Fremde" 1942. 1943 - 1947 Journalist und Leiter der Widerstandszeitung ,,Combat". 1952 Veröffentlichung von ,,Der Mensch in der Revolte"; 1957 Nobelpreis fur Literatur ("Der Fall").

Camus Bedeutung für den Anarchismus

... Algerien 1938 – 1940

1937 arbeitete Camus bei der kleinen linken Tageszeitung "Alger Républicain". Er berichtete dort u.a. über das Elend und die koloniale Ausbeutung in Algerien, besonders über die der BerberInnen in der Kabylei, aber auch über die Verfolgung der muslimischen Arbeiterlnnen um Messali Hadj. Bald wurde Camus zusammen mit seinem Freund Pascal Pia Herausgeber der Zeitung. Als 1939 der II. Weltkrieg begann, radikalisierten sich beide in anarchistischer Richtung - eine Reaktion auf die Militärs, die die Zeitung zensieren wollten. Nach dem finanziellen Ruin des "Alger Républicain" gaben Camus und Pascal Pia die zweiseitige Nachmittagszeitung "Le Soir Républicain" heraus, Über die der Camus-Biograph Herbert R. Lottmann schreibt: "Die Zeitung war ein reines Meinungsblatt geworden; die beiden Unruhestifter Pia und Camus hatten aus ihr bald ein anarchistisches Organ gemacht" (H. R. Lottmann 1986, S. 184). Dort veröffentlichten sie zu Beginn des Krieges ein politisches "Glaubensbekenntnis": "Wir sind durch und durch Pazifisten. Wir verurteilen die strafrechtlichen Verfolgungen und die von der Regierung getroffenen diktatorischen Maßnahmen, auch die gegen Kommunisten" (ebd., S. 186). In dem Artikel "Notre Position" verteidigten sie unter Hinweis auf einen anerkannten Kriegsdienstverweigerer in England das Recht auf Kriegsdienstverweigerung in Kriegszeiten. Am 10. Januar 1940 verboten die französischen Kolonialbehörden den "Soir Républicain". Camus Antikriegsposition unterschätzte zwar die nationalsozialistische Bedrohung, wie auch nahezu die gesamte politische Öffentlichkeit; dennoch kann aber Camus dem offiziellen Appeasement nicht zugerechnet werden: zu eindeutig hatte er sich 1938 im "Alger Républicain" gegen das Münchner Abkommen ausgesprochen. Dieses Abkommen war das Appeasement von oben, wonach ein Krieg mit Deutschland nahezu als ausgeschlossen galt. 1939 meldet sich Camus zum Kriegsdienst, wird aber aufgrund seiner Krankheit abgelehnt. Das Verbot des "Soir Républicain" bedeutete das vorläufige Ende der politischen Aktivitäten Camus in Algerien.

...in Frankreich; Zeit der Résistance

Nach dem "Blitzkrieg" der deutschen Wehrmacht im Mai 1940 und der Besetzung Frankreichs schloß sich Camus der Résistance an und gab seine grundsätzlich pazifistische Position auf. Doch seine Kritik an der kommunistischen Attentatspolitik innerhalb der Résistance, seine Bemühungen um geringstmögliche, maßvolle Gewalt, seine Gewaltkritik nach der Befreiung (vgl. A. Camus, 1991) lassen sich ohne seine pazifistisch-anarchistische Phase in Algier von 1938 bis 1940 nicht verstehen. Die Résistance kämpfte nicht ,"um der Macht, sondern um der Gerechtigkeit willen, nicht um der Politik, sondern um der Moral willen, nicht um der Herrschaft über das Land, sondern um seiner Größe willen" (A. Camus 1987, S. 10). Camus schrieb als Leitartikler von 1942 bis 1946 für die Résistance-Zeitung ,"Combat", deren Herausgeber er auch war. Der "Combat" war eine der wichtigsten und auflagenstärksten Zeitungen des befreiten Paris (ab August 1944). Nach der Befreiung von der deutschen Besatzung warnte Camus vor Trägheit und Gleichgültigkeit und stellte sich gegen die Rache an KollaborateurInnen des deutschen Faschismus; denn Camus wollte Freiheit, nicht Terror für Terror. Nach Auschwitz darf revolutionäre Politik nicht die Opferung von Menschen sein, sondern muss die unmittelbare Rettung von Menschen in den Mittelpunkt stellen. In einem Leitartikel prägte er den späteren Untertitel des "Combat": Vom Widerstand zur Revolution - der Kampf geht weiter.

Fortsetzung folgt

Normann_Stock und Wolfram_Beyer


Quelle: Dieser Artikel erschien erstmals in: Lexikon der Anarchie: Encyclopaedia of Anarchy. Lexique de l'anarchie. - Hrsg. von Hans Jürgen Degen. - Bösdorf: Verlag Schwarzer Nachtschatten, 1993-1996 (5 Lieferungen). - Loseblattsammlung in 2 Ringbuchordnern (alph. sortiert, jeder Beitrag mit separater Paginierung). Für die vorliegende Ausgabe wurde er überarbeitet.

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