Wir empfehlen:


Donatien Alphonse François de Sade

Aus DadAWeb
Version vom 10. Oktober 2008, 07:06 Uhr von WikiSysop (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: '''Donatien-Aldonze-François de Sade '''(Marquis de Sade), geb. am 2. Juni 1740 in Paris, gest.: 2. Dezember 1814 in Paris. '''Äußere Daten''' Donatien-Aldonze-Fran...)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Wechseln zu: Navigation, Suche

Donatien-Aldonze-François de Sade (Marquis de Sade), geb. am 2. Juni 1740 in Paris, gest.: 2. Dezember 1814 in Paris.

Äußere Daten Donatien-Aldonze-François de Sade – besser bekannt als Marquis de Sade - wird in ein alt-eingesessenes, französisches Altersgeschlecht hineingeboren. Er wächst z.T. bei seinem Onkel, dem Abbé de Sade auf, bei dem er mit aufklärerischen Gedankengut von Voltaire, Jean-Jacques Rousseau und den Enzyklopädisten in Kontakt kommt. Es folgt eine vierjährige Schulausbildung am Jesuitenkolleg und eine für Adlige obligatorische Zeit beim Militär. Kurz nach der Heirat mit Renée-Pelagie, Tochter einer Familie des Geldadels, die von den Eltern arrangiert wurde, erfolgt 1763 die erste Inhaftierung de Sades aufgrund eines Skandals Blasphemie. Eine Prostituierte sagt aus, daß er sie aufgefordert habe gotteslästerische Flüche von sich zu geben und auf ein Kruzifix zu urinieren. Weitere Skandale, die sich um seine sexuellen Ausschweifungen drehen, folgen diesem in den kommenden Jahren(1768, 1773, 1775) und begründen die Mystifizierung des Marquis de Sade als „sexuelles Monster“. Insgesamt verbringt er über 30 Jahre in Gefängnissen und Nervenheilanstalten – die meiste Zeit davon ohne gerichtliche Verurteilung – und desweiteren wird er zweimal zum Tode verurteilt. Seine große Liebe gilt dem Theater, die er bereits in seiner Jugend entdeckt und die sich bis zu seinem Tod in Charenton wie ein roter Faden durch sein Leben zieht. Diese Leidenschaft findet auch ihren Widerhall in seinem literarischen Schreibstil. Er steht selber wiederholt auf der Bühne, schreibt eine Reihe von Theaterstücken, von denen lediglich zwei auf regulären Bühnen aufgeführt wurden, und führt Regie. Im Zuge der französischen Revolution ist er als Sekretär und Richter in der Sektion der Piquets aktiv, jener Sektion, der auch Robespierre angehört. Allerdings weigert er sich in der Funktion als Richter Todesurteile zu verhängen, was ihn suspekt macht für die herrschenden Machthaber und zu seiner zweiten Verurteilung zum Tode führte, dessen Ausführung er durch einen glücklichen Zufall entkommt. Während der französischen Revolution schwankt er in seiner politischen Haltung und gerät somit zwischen die Fronten. Seine Auseinandersetzung mit der französischen Revolution findet sich in seinem zweibändigen Briefroman „Aline und Valcour“ (1793 / 1795) und in dem Exkurs „Franzosen, eine Anstrengung mehr, wenn ihr Republikaner sein wollt“, der in die „Philosophie im Boudoir“ (1795) integriert ist. In diesen Texten äußert er sich im erstgenannten Text in literarischer Inszenierung, im zweiten Text in Form eines politischen Aufrufs über die Möglichkeiten einer Fortführung der französischen Revolution hin zu einer absoluten Befreiung des Individuums umreißt. 1801 wird er ein letztes Mal inhaftiert und wird bis zu seinem Tod am 2. 12. 1814 in der Nervenheilanstalt Charenton inhaftiert bleiben, in der er weiterhin mit den Insassen – sogenannten Geisteskranken und einer Reihe von politisch unliebsamen Personen – Theaterstücke aufführt, die sich in der französischen Oberschicht großer Beliebtheit erfreuten. Die schon zu Lebzeiten begonnene Mystifizierung seiner Person setzte sich auch nach seinem Tod fort. Von seinem Namen wurde der Begriff des „Sadismus“ abgeleitet und sein Werk fand eine, bis heute ungebrochen breite Rezeption in der Kunst (u.a. Surrealismus), Literatur (Bataille, Baudelaire, Zola), Sexualwissenschaft (Krafft-Ebing, Albert Eulenburg) bis hin zur Philosophie (Adorno, Foucault).


Werke De Sades Werk umfaßt eine Reihe von Texten unterschiedlicher Couleur. Es reicht von den libertinen Romanen „Die 120 Tage von Sodom“, „Justine“, „Juliette“ und „Philosophie im Boudoir“ – über eine Reihe patriotischer Theaterstücke, Kurzgeschichten, tagespolitischen Texten, Erziehungsdialogen, Märchen bis hin zu einer eigenständigen Romantheorie. Der rote Faden, der sich durch dieses Werk zieht, läßt sich mit folgenden Begriffen fassen: - integraler Atheismus - konsequenter Materialismus - unbedingte Betonung der Freiheit des Individuums. Sehr prägnante Inhaltsangaben seiner Werke bieten die Biographien von Gilbert Lely (2001) und Geoffrey Gorer (1959).


Stellenwert innerhalb des libertären Spektrums

Die Einordnung des Marquis de Sade in ein libertäres Spektrum ist sicherlich vor dem Hintergrund seiner Biographie und einzelner Aspekte seiner Philosophie problematisch. Sie wurde dennoch u.a. von Roel van Duyn (1965; hier: 2005) und Horst Stowasser (1995) thematisiert. Die Einordnung läßt sich anhand folgender Aspekte nachvollziehen: 1. Es lassen sich grob Verbindungslinien von de Sade als einem Frühsozialisten zum Anarchismus finden. Sowohl in seinem semiautobiographischen Briefroman „Aline und Valcour“ als auch in der Argumentation seiner Libertine Madame Dubois in der Novelle Justine lassen sich frühsozialistisches, stark an Charles Fourier erinnernde Gedankengänge finden. 2. Es gibt eine Reihe von vergleichenden Studien, die Übereinstimmungen zwischen seinem Denken und dem von William Godwin, Pierre-Joseph Proudhon (Drach), Michael A. Bakunin (Carter) und Max Stirner (vgl.: u.a.: Schuhmann 2007) nachgewiesen haben. Die Übereinstimmungen beruhen u.a. auf einer Kritik der Verteilung des Privateigentums und der daraus resultierenden Ungerechtigkeit, einer Betonung des Individuums bei gleichzeitiger Anerkennung des Ideals der Gleichheit sowie der Gewichtung des Konzepts der Revolte. 3. Eine Reihe von anarchistisch-orientierten Kulturschaffenden waren von Marquis de Sade beeinflußt – u.a. die französischen Surrealisten und der spanische Regisseur Luis Buñuel, die in Übereinstimmung mit Denkern wie de Sades Biographen Geoffrey Gorer, der französischen Feministin Simone de Beauvoir und dem amerikanischen Philosophen Herbert Marcuse de Sade als einen Denker der Befreiung rezepiert haben.


Maurice Schuhmann


Werke: de Sade, Marquis: Œuvres Complètes du Marquis de Sade, herausgegeben von Annie Le Brun und Jean-Jacques Pauvert, 16 Bände, Paris 1986-1991.

Literatur und Quellen: Beauvoir, Simone de: Soll man de Sade verbrennen?, Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 1997. Buñuel, Luis: Mein letzter Seufzer. Erinnerungen, Athenäum Königstein / T. 1983. Carter, Angela: Sexualität ist Macht: Die Frau bei de Sade, Rowohlt Verlag Reinbek bei Hamburg 1981. Drach, Albert: In Sachen de Sade. Nach dessen urschriftlichen Texten und denen seiner Kontaktpersonen, Claasen Verlag Düsseldorf 1974. Duyn, Roel van : De Sade und Max Stirner, in: Der Einzige, 6. Jg., Nr. 4, Leipzig 2004, S. 10-15. Gorer, Geoffrey: Marquis de Sade. Schicksal und Gedanke, Limes Verlag Wiesbaden 1959. Lely, Gilbert: Leben und Werk des Marquis de Sade, Albatros Verlag Düsseldorf 2001. Schuhmann, Maurice: Die Lust und die Freiheit. Marquis de Sade und Max Stirner – Ihr Freiheitsbegriff im Vergleich, Karin Kramer Verlag Berlin 2007. Stowasser, Horst: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie. Geschichte und Zukunft. Eichborn Verlag Frankfurt am Main 1995.