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Bernd Kramer - Gedenkseite

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Version vom 10. September 2014, 21:58 Uhr von WikiSysop (Diskussion | Beiträge) (Das ist ja wie ein ganz schlechter Traum, dass nun auch Bernd nicht mehr unter uns ist!)
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DIE BEERDIGUNG VON BERND KRAMER

findet statt am Freitag, den 19. September 2014, in Neukölln auf dem Neuen St. Thomas Friedhof/Luise Kirchhof, Hermannstr. 186, 12049 Berlin um 11.00 Uhr.


Bernd Kramer 1997

Bernd Kramer ist tot

Am 5. September 2014 ist in Berlin der anarchistische Verleger Bernd Kramer im Alter von 74 Jahren gestorben.

Bernd Kramer, am 22. Januar 1940 in Remscheid geboren, war acht Jahre Schriftsetzer und Buchdrucker, bevor er in Berlin 1967 Mitherausgeber der ersten anarchistischen Underground-Zeitung linkeck wurde. Zusammen mit seiner (im März 2014 verstorbenen) Frau Karin hatte Bernd Kramer seit Anfang der 1970er Jahre den Karin Kramer Verlag in Berlin-Neukölln betrieben, der für viele seiner Leserinnen und Leser zum Synonym für anarchistische Literatur werden sollte.

Über vier Jahrzehnte haben Bernd und Karin mit ihren Buchveröffentlichungen maßgeblich dazu beigetragen, dass auch im deutschen Sprachraum neu und vermehrt über Anarchie und Anarchismus nachgedacht und diskutiert wurde.

Die Autorinnen und Autoren des DadAWeb sowie des Lexikons der Anarchie trauern um einen lieben Freund und kämpferischen Weggefährten.

Bernd, wir vermissen Dich!


Wer seine Erinnerungen an Bernd Kramer mit uns teilen möchte, kann sie auf der Diskussions-Seite veröffentlichen. Wir übernehmen dann die Texte hier auf die Bernd-Kramer-Gedenkseite.

Falls jemand Probleme mit dem Schreiben auf der Diskussions-Seite haben sollte, der kann uns seinen Text und gerne auch Fotos zur Veröffentlichung auf der Gedenkseite per E-Mail schicken an: redaktion@dadaweb.de.

Jochen Schmück
Redaktion DadAWeb.de


Reaktionen, Nachrufe und Erinnerungen


Schwarze Bücher. Von Wolfgang Haug

Bernd und Karin Kramer haben mehr für die Renaissance des Anarchismus in Deutschland getan als Vielen bewusst ist, und sie übertrafen Viele, die dasselbe Interesse verfolgten. Ihre schwarzen Bücher gelangten in die entferntesten Ecken der ehemaligen Bundesrepublik und sicherlich auch in die Schweiz und nach Österreich und erreichten die Provinz genau zu dem Zeitpunkt als den frühen 70ern, die gerade 68 verpasst hatten, die entstandenen K-Gruppen suspekt vorkamen. Gegen deren Regelementierungen, deren sektenhaftes Auftreten, deren politische Rechthabereien und finanzielle Ausbeutung der Mitglieder gab es plötzlich diese Titel aus dem Kramer-Verlag, die damals zumeist noch unbekannte Namen in die Diskussion und wieder ins kollektive Gedächtnis zurück brachten: Erich Mühsams "Befreiung der Gesellschaft vom Staat", Errico Malatesta, Arschinoff, Kropotkin oder Gustav Landauers "Revolution" inspirierten zahllose durchdiskutierte Nächte und gewannen die Sympathie all derer, denen Freiheit wichtig war, auch und gerade die Freiheit von politischen Dogmen. Der Anarchismus bot den Raum zum Selbstdenken, Selbstentscheiden und Selbstorganisieren und brachte ganz nebenbei etwas zurück, was verfemt und verbrannt worden war. Und nachdem dieser Anarchismus gerade eben verstanden und verdaut worden war, kamen schon die nächsten schwarzen Bände, dieses Mal zur spanischen Revolution u.a. mit Augustin Souchy und man stand vor der neuen Herausforderung, nun den Anarchosyndikalismus verstehen zu wollen. Natürlich war die Hilfe vom "Verband linker Buchhändler" wichtig, ohne die es die Kramer Bücher von Berlin kaum bis in die verschiedensten Kleinstädte geschafft hätten, aber von diesen schwarzen Büchern selbst ging bereits eine Faszination aus, man/frau war gespannt auf das nächste....

Der 1980 vom Karin-Kramer-Verlag zum (offiziell) zehnjährigem Bestehen des Verlages herausgegebene Verlangsalmanach.

Ich habe Bernd und Karin erst Jahre später, im Jahr 1979 auf der Gegenbuchmesse und Buchmesse in Frankfurt persönlich kennengelernt, und von da an Jahr für Jahr wieder dort zu Gesprächen getroffen. Jedes Jahr konnte ich nun ihre neusten Bücher gegen unsere Trotzdem-Verlagsbücher eintauschen und kam beglückt nach Reutlingen zurück, auch wenn die Büchereinbände zumeist nicht mehr schwarz waren, was ich innerlich immer etwas bedauerte. Die Kramer-Bücher wurden ein wesentlicher Teil unseres anarchistischen Büchertischs für Tübingen/Reutlingen und Umgebung und später natürlich auch für den Anares Vertrieb, der möglichst viele verschiedene anarchistische Titel unters Volk bringen wollte. Um so entsetzter war ich, als der Buchvertrieb der Kramers eines Tages meinte, wir dürften keine Kramerbücher mehr erkaufen, weil es in Reutlingen ja einen linken Jacob-Fetzer-Buchladen gäbe. Nun Verbote passten natürlich gar nicht zu einem anarchistischen Selbstverständnis und die wichtigsten anarchistischen Bücher nicht mehr verkaufen zu dürfen, ein Unding, das sofort böse Briefe an den Buchvertrieb auslöste und mit den Kramers direkt geklärt werden musste und natürlich dazu führte, dass wir weiter Bücher anbieten konnten.

Nun bleibt mir das Bild vom Pfeife rauchenden Bernd, der interessiert zuhören konnte und durch sein markantes Profil quasi als Prototyp eines Bakunisten durchgehen konnte. Mir bleibt auch, dass er kein Kostverächter war..., deshalb salud, cheers, prost! Bernd, bleib so lebendig in unserer Erinnerung!

Wolfgang Haug,
Grafenau, 10. September 2014


Persönlicher Nachruf auf einen Verleger. Von Albrecht Götz von Olenhusen

Der Tod von Bernd Kramer löst bei mir und seinen Freunden und Weggefährten große Trauer aus. Bernd gehörte in meiner Wahrnehmung zu den aufrechten unbeugsamen Vertretern einer verlegerischen Haltung und Praxis, die von mir seit Beginn des Verlages und seiner diversen Vorläufer und Ableger sehr geschätzt und hoch geachtet worden ist. Schon die heute rar gewordene Bibliografie seines frühen offiziellen, offiziösen und untergründigen Verlagsprogramms zeugte immer von einem direkten Bezug zu Autoren, Lesern und der politischen Richtung, der er sich zeitlebens verpflichtet gefühlt hat. Viele der in seinem Verlag veröffentlichten Werke haben die Zeitläufte gut überdauert, waren keine Eintagsprodukte und vielmehr wichtige Neuerscheinungen und Nachdrucke, die für die Diskussion und Rezeption unentbehrlich waren und blieben. Auch als Zeugnisse einer unorthodoxen Einstellung, die keiner ephemeren Moderichtung nachlief oder anhing

Schon 1973 und auch in der Folgezeit wurde seine Verlagsproduktion fürs "Handbuch der Raubdrucke" von wesentlicher Bedeutung und das wird auch in den späteren Auflagen von 2002 und 2005 sichtbar, aber erst recht in der erweiterten Auflage, die 2015 erscheinen soll.

Bernd war aber auch ein wichtiger Kenner der politischen Bewegungen und deren Historie, ob nun des 19. und 20. Jahrhunderts oder der unmittelbaren Gegenwart, vor allem auch im Bereich dessen, was gemeinhin unter "oral history" läuft.

Es wird viele geben, die ihn viel besser gekannt und erlebt haben und ihn besser würdigen können. Aus meiner Perspektive bleibt er in seiner Eigenart und als ausgeprägter Charakter und einzigartiger Verleger unvergessen: ein Radikaler im besten Sinne und im nichtöffentlichen Dienste wie für die aufnahmebereite Öffentlichkeit. Für die Verlagsgeschichte vieler Bereiche, vor allem aber des Anarchismus war er unentbehrlich. und eine interessanter, ungemein anregender und kenntnisreicher Gesprächs- und Korrespondenz-Partner.

Albrecht Götz von Olenhusen,
Freiburg, Düsseldorf, im September 2014


Genialer Dilettant. Ein Nachruf auf Bernd Kramer von Klaus Bittermann

Bernd Kramer war einer der liebenswürdigsten Dilettanten, die ich kannte. Und als Anarchist muss man Dilettant sein, sonst wäre man ja kein Anarchist. Wäre er ein hochprofessioneller Anarchist gewesen, hätten wir uns nie kennengelernt. Bernd hat u.a. als Schriftsetzer gearbeitet. Seinen Büchern hat man das nie angesehen. Aber wer achtet schon auf Ästhetik, wenn er ein anarchistisches Buch in der Hand hält? Neben den anarchistischen Klassikern, die in seinem Verlag erschienen sind und die den nicht dogmatischen Teil der Linken über die Jahre hinweg begleitet haben und die in den linken Buchläden ein eigenes Regal einnahmen, wo sie mit der Zeit Staub ansetzten, hat Bernd Kramer Autoren entdeckt, die dann bei anderen Verlagen bekannt wurden, u.a. Funny van Dannen und Thomas Kapielski.

Von dem von Hans Peter Duerr herausgegebenen legendären Periodikum »Unter dem Pflaster liegt der Strand« habe ich alle 14 Nummern. Natürlich folgte diese Zeitschrift auch dem linken Zeitgeist wie z.B. den Hexen, weil die mal eine verfolgte Minderheit waren und weil man auf deren Geheimwissen scharf war. Wenn man z.B. den ganzen Körper mit einer aus bestimmten Kredenzien zusammengerührten Salbe einschmierte, konnte man tatsächlich fliegen. Wurde da jedenfalls behauptet. Gleich in der Nummer 2 kam ein Daniel Giraud zu Wort:

»Es steht fest, daß es Anarchos gibt, die sind so klein, daß sie in die Luft springen müssen, um auf dem Boden spucken zu können. Und was hat die Anarchie damit zu tun? Das heißt, die geniale Unordnung eines Herzens in voller Auflösung? Sie wird im Namen der Hierarchie der pseudolibertären Werte mit Etiketten versehen. Das heißt, daß ich wissen möchte, wie man nach dem gewaltsamen Tode des Anarcho-Pißpotts in den Wänden der sozialen Vernunft, die das Museum der Ideen leitet, die allesamt mit dem Stroh von Opas Anarchismus ausgestopfte alte Ärsche sind, libertär sein kann und dabei sozial(istisch)en Realitätssinn haben.« 

Dieses wirre Zitat gefiel mir so gut, dass ich heute noch genau weiß, wo es zu finden ist. Für all das war Bernd Kramer verantwortlich, dem keine Buchidee zu abseitig war, um sie nicht zu verwirklichen. Sein letztes Buch »Mit dem Flachmann auf Tuchfühlung. Tagebuchnotizen eines Tresenphilosophen« erschien dann bei Tiamat. Absurde und schräge Geschichten, die man nur in Kneipen erleben und sich auch nur dort ausdenken kann. Viel zu schräg, als dass sich viele Leute der Lektüre aussetzen wollten.

Am besten gefielen mir seine Postkarten, die er mir schickte, wenn er sein Kommen ankündigte, um Bücher abzuholen, Postkarten, die mit viel Liebe hergestellte großartige Kunstwerke waren. Zuletzt traf ich ihn im »Goldenen Hahn«, wo ich anlässlich der Premiere und als Beiträger der von ihm herausgegebenen Anthologie »Schwarzbuch Kreuzberg« zwei kurze Stücke vortrug. Er saß an einem Tisch auf der »Bühne« und wunderte sich, wenn Leute das Buch kaufen wollten. Das fand ich so hinreißend, dass ich es eine schreiende Ungerechtigkeit finde, wenn solche liebenswürdigen und schrulligen Leute schon mit 74 abtreten müssen.

Klaus Bittermann, Berlin


Das ist ja wie ein ganz schlechter Traum, dass nun auch Bernd nicht mehr unter uns ist!

Vor wenigen Tagen, Anfang September, gab es in Wien eine Gedenkveranstaltung für Michail Bakunin anlässlich seines 200. Geburtstages. Als Einleitung las ich einen im Karin Kramer Verlag erschienenen und von Bernd Kramer herausgegebenen Text, wobei ich auf das Verlegerpaar noch kurz würdigend einging. Zu diesem Zeitpunkt lag aber der Gedanke fern von mir, dass uns Bernd so bald nach Karin verlassen würde. Seine oft vor Witz sprühenden Briefe haben nun für mich einen besonderen Stellenwert erhalten …

Sehr bedrückt

Gerhard Senft,
Wien 9. September 2014


Traurig, traurig...

Erst Karin, nun Bernd. Die Originale sterben aus, übrig bleiben die Erbsenzähler. Kleingeister statt Charakterköpfe. Öde wird die "Szene", trostlos. Die Nachricht erreicht mich 2 Tage nachdem ich Bernd noch eine mail schrieb mit einem Buchprojekt-/ Kooperationsvorschlag, nun mitten auf einem anarchistischen Sommercamp.

War dereinst bei Horst Stowasser kaum anders - der allerdings noch zum antworten kam. Einen Teil der Verlags- und Vertriebsarbeit scheint nun die Nachrufeschreiberei einzunehmen. Was für triste Zeiten. Ich trink´nen Schnaps auf Euch!

Viva la Anarchia!

Gerald Grüneklee / Der Ziegelbrenner (ehem. Anares),

Bremen, 7. September 2014


Wir sind bestürzt

Mit Bestürzung haben wir gerade den Tode von Bernd Kramer vernommen. Bernd war für uns nicht nur ein langjähriger Freund und ein verlegerisches Vorbild, sondern mit seinem Werk und seinem Leben ein Teil unserer politischen Sozialisation. So wie wir Karin, werden wir auch Bernd schmerzlich vermissen. Sie reißen eine Lücke, die nicht gefüllt werden kann.

Wir werden an euch denken.

Verlag Edition AV
Andreas W. Hohmann

Lich, 6. September 2014


Fassungslos

Liebe Freundinnen und Freunde,
Liebe Genossinnen und Genossen.

Eine schreckliche Mitteilung erreicht mich gerade von den FreundInnen, die sich um Bernd Kramer gekümmert haben.

Gestern, am Freitag, den 5.9.2014 gegen 22 Uhr ist unser Freund und Genosse Bernd Kramer im Krankenhaus, im Beisein einiger FreundInnen, friedlich gestorben.

Die Trauer wiegt schwer. In so kurzer Zeit, zwei so wunderbare Menschen, wie Karin und Bernd Kramer zu verlieren, ist fast unerträglich.

Unsere Gedanken sind im Moment bei Daniel Kramer und seiner Familie.

Fassungslos.

Knobi

Berlin, 6. September 2014



Werke (eine Auswahl)


Weblinks

  • Christoph Ludszuweit: Anarchie war machbar, Frau Nachbar. Zum Tod des Verlegers Bernd Kramer, in: Berliner Zeitung von Montag, 8. September 2014, S. 24 (noch nicht online)
  • Homepage des Karin Kramer Verlages
  • "Das A im strahlendem Kreis" (Interview von Bernd Drücke mit Karin und Bernd Kramer, graswurzelrevolution, Nr. 302, Oktober 2005)
  • Statt Turnen. Eine zeitgenössische SPIEGEL-Reportage aus dem Jahr 1968 über Sex, Pornographie und Anarchie. Erwähnt wird dort u.a. die von dem 28jährigen Schriftsetzer Bernd Kramer und Genossen herausgegebenen Zeitschrift "linkeck".




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