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„Zur kulturellen Selbstdarstellung alternativer Lebensformen während der Zeit der Weimarer Republik.“
 
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Version vom 6. Juli 2008, 13:46 Uhr

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Danke, Jochen Schmück

Projektbeschreibung

Arbeitstitel:

„Zur kulturellen Selbstdarstellung alternativer Lebensformen während der Zeit der Weimarer Republik.“


Zeitraum:

1918 bis 1933


Geographischer Raum:

Deutschland, ggf. Österreich


Inhaltliche Ziele / Projektbeschreibung:

1.: Problembereich. Jede Idee zur gesellschaftlichen und geistigen Veränderung, jede Utopie verlangt nach geeigneten Projektionsflächen ihrer Programmatik, mit der sich die Schöpfer und Anhänger dieser Alternativen an die Welt richten können. In politischer, sozialer, geistiger, ethischer und moralischer Hinsicht wird eine Umwälzung und damit Verbesserung der bestehenden Strukturen erst durch gesteigerte Öffentlichkeit ermöglicht. Diese Öffentlichkeit wird in Echtzeit durch das Kollektiv oder in reproduzierbarer, nachhaltiger Form hergestellt: nämlich in Form von Veranstaltungen der Protagonisten und Repräsentanten einer besonderen Vorstellung vom Leben, oder durch Druckerzeugnisse. Letztere Möglichkeit zur Selbstplatzierung in einem öffentlichen Bewusstsein, der Entwurf eines eigenen Printmediums, war zum Beispiel für die anarchistische Szene der 1920er Jahre die Hauptschlagader aller Kommunikation, sowohl nach innen gerichtet, als auch zu Akquisezwecken in möglichst viele Bevölkerungsschichten hineinwirkend. Dies sind also die beiden Eckpfeiler einer Selbstdarstellung, wie sie mit den Zeitschriften alternativer Lebensformen erscheint. Aus literaturhistorischer Sicht sind kommunikatorische, editorische, (sprach-)gestalterische und strukturelle Merkmale solcher Publikationen deswegen von wissenschaftlichem Interesse, weil sie ein gut abgrenzbares Genre formen, weil sie meistens stark von agitatorischen Techniken geprägt sind, und vor allem weil sie als Facette der Moderne Zeitgeschichte vor der Zäsur von 1933 repräsentieren. Außerdem kann den Zeitschriften aufgrund ihrer kommerziell-verlegerisch geringen Verwertbarkeit möglicherweise ein hoher Grad an Authentizität in der Sache journalistisches oder schriftstellerisches Ethos unterstellt werden – was zu überprüfen ist. Eventuell sind inhaltliche Widersprüche und Realitätsabweichungen aufzudecken. Die genauen textuellen Prinzipien und Bedeutungen der betreffenden Zeitschriften erstens zu identifizieren und zweitens analytisch nachzuvollziehen sind die Hauptanliegen dieses Dissertationsvorhabens. Darüberhinaus soll versucht werden, die der redaktionellen Arbeit zugrundeliegenden Organisations- und Sozialformen der individuellen Urheber- und Zielgruppen zu erforschen (Autor – Text – Leser), und diese als Personennetzwerke sichtbar zu machen. So werden auch die o.g. „experimentellen Orte“ als Kristallisationspunkte einer alternativen peformativen Praxis berücksichtigt. Die Auswertung wird insbesondere darüber Auskunft geben, ob eine spezielle Schnittmenge an Eigenschaften der ausgewählten Publikationen existiert, z.B. in ihrer individualistischen Motivik, und ob sich damit verallgemeinernde Aussagen zur kulturellen Selbstdarstellung alternativer Lebensformen treffen lassen. Die schon im Vorfeld antizipierbaren inhaltlich-thematischen Parallelen könnten also in der Ausformulierung eines konkreten, intertextuell orientierten Gesamtkonzeptes münden.


2.: Forschungsstand. Es ist geplant, aus dem Zeitfenster 1919-1933 vier Zeitschriften verschiedener Themenfelder auszuwählen und zu untersuchen. Dabei soll aber kein repräsentativer Längsschnitt einer Periodikalandschaft geschaffen werden, denn die fraglichen Korpora sind bisher nicht nach Sachgebieten zentralbibliographisch erfasst. Auskünfte über einige der damals existierenden Zeitschriften verschiedener inhaltlicher Richtungen sind nur den jeweiligen kultursoziologischen Studien, vorwiegend aus der Zeit zwischen 1974 und 1984, entnehmbar. Zur anarchistischen Bewegung in Geschichte und Gegenwart existiert allerdings eine hervorragende bibliographische Datenbank. Ansonsten sind die zu behandelnden Zeitschriftenfunde größtenteils wissenschaftliches Neuland. Zum Beispiel im Falle der kommunistischen „bauhaus“-Zeitschrift ist es bei der starken und weit fortgeschrittenen kunsthistorischen Beanspruchung des gesamten Bauhaus-Komplexes durchaus verwunderlich, dass sich im Falle dieser Hefte die Rezeption auf zwei Erwähnungen in den 1990er Jahren beschränkt . Die Gründe für die beschränkte wissenschaftliche Wahrnehmung solcher Zeitschriften liegen sicherlich neben deren wegen damals geringer Auflagenstärke heute schlechten Verfügbarkeit insbesondere in einer Interdisziplinaritätsproblematik: Die hier geplante Untersuchung wird in Literatur- und Kulturwissenschaften sowie Publizistik gleichermaßen zu verorten sein, schon alleine wegen der unscharfen Definitionsmenge des Begriffs „Literatur“. Welchen Ansprüchen sollte denn eine Zeitschrift genügen, um als „literarisches“ Erzeugnis gelten zu dürfen? Indikatoren für die Relevanz geistiger Produkte sind jedenfalls weniger Verbreitung und Akzeptanz denn Herkunft und Sendungsbewusstsein. An aktuellen Perspektivierungen der Sache mangelt es. Aus der früheren Beschäftigung nur weniger Beiträger mit den Sujets und mit der Ausstrahlung eines sogenannten alternativen Spektrums erwächst nun lediglich der Verdacht, dass die vermeintlich randgesellschaftliche Selbstpositionierung der Gruppen auch eine starke Flüchtigkeit ihres Selbstverständnisses bedingt (quod esset demonstrandum). Die einzige Konstante bleibt immer der diffuse Gegenentwurf zur sozialen, politischen und geistigen Realität. Die betreffenden Untersuchungen von fußen natürlich auch zum Teil auf Zeitschriften, welche richtig erkannt werden als literarische und kulturelle Elemente, sie werden allerdings nicht in Ihrer Ganzheit wahrgenommen. Genau hier setzt das Dissertationsvorhaben an: Die Periodika werden nun explizit im Sinne vollständiger, abgeschlossener, also historischer Erscheinungen betrachtet. Die literarische Moderne ist in dieser Richtung noch wenig erforscht.


3.: Fragestellungen. Zuerst sollte eine grundlegende Definition geleistet werden: Die spezielle Bedeutung und hiesige Verwendung der Phrase „alternative Lebensform“ ist gründlich zu erörtern. Es sind also die Wurzeln einer „Alternative“ zu lokalisieren, und deren Ausstrahlung bis in die „Szene“ der Gegenwart . Entsprechend muss dann auch das Wort „Lebensform“ behandelt werden. Dabei ist noch herauszufinden, in welchem Maße „gelebte Utopien“ eine treffende Umschreibung für das Dasein in alternativen Kreisen ist, inwieweit überhaupt Selbstdarstellung und realistische Positionierung der nonkonformistischen Gruppen korrelieren. Dazu wird eine Analyse des zur Selbstdarstellung nötigen Instrumentariums benötigt: Mit welchen Mitteln und Medien, mit welcher Intention, über welche Strategien wird ein besonderes alternatives Profil erzeugt? Ferner: Wie sind die Publikationsorgane intern organisiert (beteiligter Personenkreis und dessen Hintergrund), und wie werden Druck- und Vertriebskosten im Vergleich zu herkömmlichen Verlagsmodellen aufgefangen? Die Überzeugungskraft von Veröffentlichungen resultiert aus Präsentationsqualität und Integrität, d.h. Überprüfbarkeit. Wie sehr sind wiederum diese beiden Merkmale ausgeprägt, und sind sie werbewirksam genug um den von ihnen repräsentierten Gruppierungen Zulauf zu bescheren? Was macht möglicherweise die Faszination für eine „alternative Lebensform“ aus? Sind alternative Lebensformen und ihre Repräsentation nur Zeitgeist oder könnten ihre Ideen nachhaltig vollzogen werden? Über den Versuch einer Beantwortung dieser Frage wird letztlich der utopische Gehalt der alternativen Konzepte bestimmt werden.


Bearbeiter:

Henning Zimpel

Kettelerstraße 31 / 40667 Meerbusch

Großgörschenstraße 9 / 10827 Berlin

Telefon: 0179-1092295

henning.zimpel(ät)uni-duesseldorf.de


Stand der Forschungsarbeit:

  • laufend

Laufzeit:

von 11/2007

bis 11/2009


Art des Projektes:

  • Dissertation
  • Buchpublikation (Düsseldorfer Schriftenreihe zur Literatur- und Kulturwissenschaft, herausgegeben von Gertrude Cepl-Kaufmann)

Institution:

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Philosophische Fakultät

Germanistisches Seminar II

Lehrstuhl für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft


Betreuung:

Prof. Dr. Gertrude Cepl-Kaufmann

Externe Beratung durch Prof. Dr. Walter Fähnders (Osnabrück)


Finanzierung:

  • Eigenmittel
  • Bewerbung für Promotionsstipendium

Teilveröffentlichung:

In Vorbereitung ist eine Textedition zum Thema "Vagabunden und Vagabondage", Herausgabe durch Walter Fähnders und Henning Zimpel, in Zusammenarbeit mit dem Fritz-Hüser-Institut (FHI) für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur, Dortmund. Geplanter Erscheinungstermin: 2. Quartal 2009.


Abgeschlossenes Projekt:

Henning Zimpel: "Artur Streiter und seine kulturhistorische Bedeutung in der Zeit der Weimarer Republik." Staatsexamensarbeit, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, 2007 [Masch.].


Methodische Anlage:

Dem Analyseverfahren liegt insbesondere eine bibliographische Datenbank zugrunde, die alle Einzelaufsätze innerhalb der jeweiligen Zeitschriftenreihen nachweist. Neben einer stichpunkthaften Inhaltsangabe wird während des Erfassungsvorgangs zugleich ein Kommentar erarbeitet. Es entstehen also mehrere rechnerbasierte Verzeichnisse, die über Sach- und Personenregister einen schnellen Zugang zu themenrelevanten Artikeln eröffnen, auch die einzelnen Schriftenreihen übergreifend. Dazu ist es notwendig, schon im Zuge der Datenbankerstellung anhand der vorliegenden Texte Themenfelder zu benennen. Dieses Arbeitsschema hat sich – in kleinerem Maßstab, und zwar bei der Katalogisierung aller Streiter-Artikel in „Der Syndikalist“ – beim Verfassen meiner Examensarbeit bewährt. Eventuell wird mit dem Abschluss der Arbeit eine Druckversion der Datenbankeinträge angefertigt und mit der Dissertation veröffentlicht. Mit dieser Kombination aus der Paraphrasierung von Inhalten, der Neuformulierung von Textaussagen unter Einbettung in Erkenntnisse der Kulturforschung sowie deren Interpretation werden erfahrungsgemäß eine Vielzahl an Kongruenzen, Redundanzen, Gegensätzen und komplementären Positionierungen der zu diskutierenden Ansätze transparent gemacht. Ebenso wird durch die vollständige Sichtung auch ein Auswahlverfahren legitimiert: Die Wichtigkeit individueller Beiträge(r) wird objektiv an der Häufigkeit des Wiederauftretens ihrer Themen bemessen. Es liegt nahe, schließlich die Einzelergebnisse zu den Zeitschriften untereinander vergleichend zu behandeln. Eine solche komparatistische Methodik ist dienlich für die Ausdifferenzierung o.g. prototypischer Eigenschaften von mehreren Publikationen eines bestimmten Genres. Der in Kapitel 2 benannte Grund (unüberschaubare Quellenlage) rechtfertigt das Verfahren der Querschnittanalyse bzw. Stichprobenuntersuchung. Eine Vollerhebung würde nur Sinn machen, wenn garantiert alle Zeitschriften überblickt und berücksichtigt werden könnten. Auch würde dies eine andere Zielsetzung forcieren: So könnte z.B. eine publizistische Topographie entstehen, während hier nun inhaltlichen Details der Vorrang gewährt wird. Ergänzend ist eine Interviewform mit Bernhard Heinzelmann geplant, dem Nachfahren des Kleinverlegers Paul Heinzelmann.


Quellenzugang:

In die vorläufige engere Auswahl sind bisher die folgenden Publikationen gelangt, anhand derer definitiv einige wichtige inhaltliche Teilbereiche abgedeckt werden können: Anarchismus und Literatur („Besinnung und Aufbruch“), Kommunismus und Kunst („bauhaus“, Organ der „kostufra“), Vagabondage („Der Kunde“ / „Der Vagabund“) sowie die religiöse / spirituelle Alternative („Die Gralsburg“, „Der Gralsbote“), hinzu kommen evtl. repräsentative Zeitschriften von Jugendbewegung, Lebensreform oder einem neuen ökologischen, „grünen“ Bewusstsein (z.B. „Junge Menschen“, „Der Landfahrer“). In der Materialbeschaffung spielt das Fritz-Hüser-Institut für deutsche und ausländische Arbeiterliteratur in Dortmund (FHI) eine übergeordnete Rolle, da hier ein umfangreiches Konvolut an Archivalien zur Vagabundenthematik einschl. aller Jahrgänge des „Kunden“ aufbewahrt wird. Außerdem konnte das Institut 2008 erneut Sammlungsgegenstände aus dem Nachlass Artur Streiters erwerben, darunter eine vollständige Reihe der Zeitschrift „Die Gralsburg - Blätter für geistige Erneuerung“. Das bauhaus-archiv in Berlin besitzt wiederum die ebenfalls äußerst seltenen Ausgaben der bereits erwähnten Zeitschrift „bauhaus. organ der kommunistischen studierenden am bauhaus. monatsschrift für alle bauhausfragen.“ Als staatlich getragene Institution gibt sich das Bauhaus sehr wohl erst auf den zweiten Blick als alternativ zu erkennen – jedoch hielt insbesondere die innere Ausrichtung der Schule stets eine Gegenposition zur „reaktionären“ Kulturlandschaft der 1920er und beginnenden 1930er Jahre inne. Weitere in Frage kommende Periodika sind nach derzeitigem Kenntnisstand aus verschiedenen anderen Archiven resp. Verbundbibliotheken des Bundesgebietes zu beziehen. Die evtl. einzubeziehende Zeitschrift „Das ferne Licht: Monatsschrift für Kunst und Geistesleben.“ habe ich wiederum über den privaten Kontakt mit den Streiter-Nachfahren Fam. Witt erhalten. Die Verfügbarkeit der Periodika ist natürlich das aussschlaggebende Kriterium zur Berücksichtigung bei der geplanten Untersuchung. Ursprünglich basiert die Auswahl jedoch viel mehr auf einer Spurensuche, die sich vorwiegend aus den sich kreuzenden Biographien einiger Protagonisten und Chronisten von alternativem Zeitgeist und reformerischer Weltanschauung ergibt; so z.B. waren der Herausgeber der Gralsburg, Erich Siegfried Müller, und Artur Streiter befreundet . Auch hielt Streiter durch seine Mitarbeit am Kunden wiederum Kontakt zur Vagabundenbewegung um den Herausgeber und die Schlüsselfigur, Gregor Gog.

Edit: Die von Jochen Schmück (DadAWeb) aus den Datenbankbeständen erstellte Periodikabibliographie des Zeitraums 1914-1938 wird derzeit von mir ausgewertet (291 Seiten).


Projektansprechpartner: Henning Zimpel

E-Mail-Adresse für Kontakt: henning.zimpel(ät)uni-duesseldorf.de